Ausflugstipp Berner OberlandMit Volldampf auf den Berg
Eigentlich sollte sie elektrifiziert werden, aus Geldmangel blieb die Brienz Rothorn Bahn aber beim Dampfbetrieb. Die Passagiere sind auch 130 Jahre nach der ersten Fahrt begeistert.
Mit der Zentralbahn ab Interlaken-Ost sind wir im Chaletdorf Brienz angekommen. In der nostalgischen Laubsäge-Station der Brienz Rothorn Bahn (BRB) unmittelbar hinter dem Bahnhof steht eine grüne Lok unter Dampf, angehängt zwei rote Panoramawagen, deren Plexiglasdächer bei schönem Wetter dank einer raffinierten Konstruktion für jede Sitzreihe individuell geöffnet werden können. So wird das Dampfbahn-Erlebnis dank Cabrio-Gefühl noch intensiver.
Die Dampflok Nummer 15, grün mit schwarzem Heizkessel, mit der uns Lokführer Ueli Fischer auf den Berg transportieren wird, sieht altertümlich aus. Sie ist aber erst 26 Jahre alt und wurde von der damaligen Schweizerischen Lokomotiven- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur eigens für die BRB gebaut. Am Führerstand trägt die Lokomotive SLM 5690 ein hellgrünes, rundes Wappen, das uns irgendwie japanisch vorkommt.
Zu Recht, wie Rahel Furrer, Marketing Manager der BRB, erläutert: Es ist das Wappen von Kanaya, der Schwesterstadt von Brienz, die sich auf der japanischen Hauptinsel 200 Kilometer südwestlich von Tokio befand. Kanaya gibt es nicht mehr; 2005 ging es bei einer Gemeindefusion in der viel grösseren Stadt Shimada auf.
Erst Stillstand, dann Exklusivität
In ihrer Existenz bedroht war auch die Brienz Rothorn Bahn, und zwar mehrmals: Die Bahn mit einer Spurweite von 80 Zentimetern fuhr erstmals 1892 auf das Rothorn. Doch die Konkurrenz in der Region war hart, und das Jahr 1914 gab der BRB den Rest: Der Betrieb wurde im August 1914 eingestellt, kurz nachdem Österreich-Ungarn Ende Juli Serbien den Krieg erklärt hatte, womit der verheerende Erste Weltkrieg seinen Lauf nahm.
Trotz einer Abbruchbewilligung des Bundes wurde die Bahn wegen Geldnot nicht rückgebaut. So konnte die Strecke 1931 wieder eröffnet werden. Für eine Elektrifizierung fehlte das Geld. Stattdessen beschaffte man bei der SLM zwei neue kohlebefeuerte Dampfloks.
Doch die Lage war weiterhin nicht rosig, weshalb 1968 erneut die Stilllegung der Zahnradbahn und der Bau einer Luftseilbahn beschlossen wurde. Auch diese Pläne scheiterten an den Finanzen. Diesem wiederholten Fiasko verdankt man die heutige Exklusivität der Bahn: Neben Zügen auf der alten Furka-Strecke und im Zürcher Oberland ist die BRB heute die einzige dampfbetriebene Bahn der Schweiz, die fahrplanmässig verkehrt, und zwar von Mai bis Oktober.
Schnaufend, zischend und mit einem durchdringenden Pfeifton setzt sich der Zug in Bewegung, steil bergauf in Richtung Rothorn Kulm. Für die knapp acht Kilometer, auf der die Bahn 1678 Höhenmeter überwindet, braucht sie rund eine Stunde.
Mehrmals taucht der Zug in schwarze Felsentunnel ein, dann wieder durchquert er Alpweiden mit friedlich mampfenden Kühen. Und immer wieder sehen die schwer beeindruckten Passagiere auf den Brienzersee und die mächtigen, schneebedeckten Viertausender der Berner Alpen. Ein junges spanisches Paar ist sprachlos vor Begeisterung.
Die ältesten Lokomotiven der BRB stammen aus dem Jahr 1891. Sie sind viel aufwendiger im Betrieb als die mit Öl befeuerten Dampfloks aus den 1990er-Jahren: Ständig muss ein Heizer Kohlen nachlegen: 300 Kilo während einer einzigen Fahrt. Eine harte, schweisstreibende Arbeit.
Wer eine Dampfwürstlifahrt bucht, wird auf jeden Fall von diesem urtümlichen Ungetüm auf den Berg gefahren.
Gigantisches Panorama
Inzwischen sind wir an der Waldgrenze angekommen; der Zug hält an der Zwischenstation Planalp. Die Lok wird mit 2000 Litern Wasser betankt. Wir fahren weiter. Das Zahnrad knirscht; die Lok schnauft, stampft und qualmt.
Schliesslich kommen wir in der Bergstation Rothorn Kulm an, wenige Meter unter dem Gipfel. Für die Sicht von hier oben bietet die deutsche Sprache nicht genügend Superlative. Sie ist gigantisch und reicht von den Zentralschweizer Bergen mit Pilatus, Rigi und Titlis über die Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau bis hin zum Chasseral im Jura. 693 Gipfel kann man bei guter Sicht vom Brienzer Rothorn aus erkennen.
Unentwegte brechen von hier zu Wanderungen auf, fünf Stunden hinüber zum Brünigpass etwa. Andere begnügen sich mit einem Besuch im heimeligen Berghaus. Wer den orgiastischen Sonnenuntergang über der Bergwelt erleben will, bucht eines der einfachen, gemütlichen Zimmer und verschiebt die Rückfahrt auf den nächsten Morgen.
Eine Zusammenarbeit der SonntagsZeitung und Interlaken Tourismus
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