Pandemie und FerienMit nachhaltigem Tourismus aus der Krise
Die Reisebranche leidet am stärksten an den Corona-Folgen. Es kann nicht weitergehen, wie es vor der Seuche war.
Sommerferien. Aber diesmal anders. Die sonst reisefreudigen Schweizerinnen und Schweizer reisen heuer markant weniger ins Ausland: Wegen Corona liegt der Tourismus weltweit am Boden. Vor wenigen Tagen hat ein Schweizer Reiseveranstalter den Abbau von 425 Stellen kommuniziert. Weitere Reiseunternehmen hierzulande haben Sparpläne angekündigt. Die Prognose ist nicht rosig. Noch härter aber trifft es Tourismusangestellte im Ausland, namentlich in Entwicklungsländern.
Global hängt jeder zehnte Arbeitsplatz vom Reise- und Tourismussektor ab. Über zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts wird in dieser Branche erwirtschaftet. Insbesondere junge Menschen steigen via Tourismus ins Erwerbsleben ein. Und nun steckt dieser in seiner tiefsten Krise. Corona könnte zwischen 100 und 200 Millionen Menschen den Job kosten, befürchtet der Welttourismusrat. Man rechnet für dieses Jahr mit 1,1 Milliarden weniger Reisenden.
Doch die Krise birgt, auch wenn es abgedroschen klingt, eine Chance: Reisen neu zu denken und zu lenken – in Richtung nachhaltigen Tourismus. Was heisst das? Ein Tourismus, der die Umwelt schont, also möglichst klimafreundlich ist. Ein Tourismus, der die Gastgebenden und ihre Kultur respektiert. Ein Tourismus, der stabile Jobs zu anständigen Bedingungen und damit ein langfristiges Einkommen und wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht.
Nehmen wir Albanien: Rund ein Viertel aller Arbeitnehmenden sind im Tourismus tätig. Die Schweizer Entwicklungsorganisation Helvetas setzt vor Ort für die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ein Projekt um, das jungen Menschen zu qualifizierten Arbeitsstellen verhilft – unter anderem im sanften Tourismus. Das Projekt zeigt einerseits die Krisenfestigkeit dieser Nische und andererseits die Schwächen des Massentourismus: Unternehmen, die auf Massentourismus setzen, haben hohe Fixkosten und müssen ihr Jahressoll in der Hochsaison erfüllen.
Jobs, die der Massentourismus generiert, sind meist befristet und prekär. Die meisten Unternehmen sind zudem vertraglich an nur wenige internationale Reiseveranstalter gebunden, die die Auslastung gewähren sollen. In Albanien hat das nun zur Folge, dass für 2020 bislang über fünf Millionen Übernachtungen storniert wurden.
Das Buchen im Reisebüro bringt mehr Sicherheit und bessere Begleitung als die Schnäppchenjagd auf Onlineplattformen.
Im Gegensatz dazu haben Veranstalterinnen und Veranstalter für nachhaltigen Tourismus tiefere Fixkosten und einen vielfältigeren Kundenstamm. Kundinnen und Kunden, die nachhaltig reisen, legen mehr Wert auf die Qualität des Erlebnisses als auf einen tiefen Preis. Sie reisen nicht nur in der Hauptsaison, sondern auch im Frühling und im Herbst.
Laut Elton Çaushi von Albanian Trip verschob ein Grossteil der Kundschaft seine für dieses Jahr geplante Reise, statt sie abzusagen. «Alle unsere Schweizer Kunden, die für das Frühjahr abgesagt haben, haben ein offenes Fenster für die Touren im September und Oktober offengelassen.»
Die meisten Partner von Elton Çaushi sind kleine Familienbetriebe auf dem Land. «Sie betreiben immer auch noch Landwirtschaft und haben andere Einkommensquellen. Sie werden diese Krise überleben.» Die lokale und langfristige Zusammenarbeit garantiert, dass die Gewinne im Land bleiben, statt dass sie ins Ausland fliessen.
Was bedeutet das für Schweizer Ferienfreudige? Das Buchen im Reisebüro bringt mehr Sicherheit und bessere Begleitung als die Schnäppchenjagd auf Onlineplattformen. Das würde auch hiesige Arbeitsplätze stützen. Nachhaltiger Tourismus heisst ebenfalls, die Pariser Klimaziele, die Agenda 2030 und die Menschenrechte zu respektieren.
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