Italien vor der WahlMischt sich der Kreml in die italienischen Wahlen ein?
Russland will offenbar die Wahlen in Italien beeinflussen. Das Sicherheitskomitee im römischen Parlament ist alarmiert – und fordert eine Prüfung der Parteikonten. Ausgelöst hat die Sorge Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew.
Das Interesse des Kreml für die italienischen Parlamentswahlen vom 25. September ist ganz offensichtlich grösser, als sich das gemeinhin gehört. Interessiert im Sinn von: in Erwartung eines Ausgangs, der dem russischen Regime genehm wäre. Und wenn die grossen italienischen Medien dieses Interesse richtig deuten, wäre es Wladimir Putin und den Seinen sehr recht, wenn in Rom die Rechte an die Macht käme, wie es die Umfragen voraussagen. «Russische Einmischung», schrieben dieser Tage gleich mehrere Zeitungen gross über ihre erste Seite. Das Turiner Blatt «La Stampa» wählte eine noch unheilvollere Schlagzeile: «Russische Schatten».
Ausgelöst hat die Sorge Dmitri Medwedew, früher Präsident Russlands und faktische Nummer 2 hinter Putin, mit einem Post auf Telegram. Er schrieb da, die europäischen Bürger hätten es in der Hand, ihre «dummen Regierungen» abzuwählen. Dass Europa ein kalter Winter erwarte, sei allein deren Schuld.
Italien und Russland standen sich immer nahe. Ein Teil des italienischen Publikums ist durchaus empfänglich für die Propaganda des Kreml.
Medwedew nannte Italiens Wahlen nicht spezifisch. Doch die Italiener sind die Nächsten, die wählen, sie nahmen den Post persönlich. Natürlich ist es immer noch so, dass Einmischung nur dann funktioniert, wenn sich jemand auch beeinflussen lässt. Und Medwedew hat sich in jüngerer Vergangenheit ja so oft als falkenhafter Chefpropagandist Putins bewiesen, dass seine Absichten eigentlich offensichtlich sein sollten.
Dennoch glaubt Moskau, einen Beitrag leisten zu können, dass in Italien traditionell europaskeptische, aussenpolitisch ambivalente bis russlandfreundliche Kräfte die Wahlen gewinnen und dadurch das geeinte Europa in dieser heiklen Phase destabilisieren. Ein Teil des italienischen Publikums ist durchaus empfänglich für die russische Propaganda zum Krieg in der Ukraine – aus einem alten Reflex: Die beiden Länder standen sich immer nahe, kulturell und oft auch politisch. Die Handelsbeziehungen zwischen den Ländern sind sehr eng, die Sanktionen gegen Russland schmerzen viele italienische Unternehmen empfindlich.
Die Rechte ist gespalten, wenigstens auf den ersten Blick. Die favorisierten Postfaschisten, Giorgia Melonis Fratelli d’Italia, tragen seit Beginn des russischen Angriffskriegs alle Massnahmen der Regierung des abtretenden Premiers Mario Draghi mit, obschon sie ihr nicht angehören: Waffenlieferungen an die Ukraine, Sanktionen gegen die russische Nomenklatura – allem haben sie zugestimmt.
Meloni sagt, auch mit ihr an der Macht bleibe Italien fest an der Seite der Nato. Damit will sie vor allem ihr Image justieren.
Meloni sagt nun ständig, dass Italien, wäre sie Premierministerin, weiterhin fest an der Seite der Nato stehen würde, «und zwar ohne Wenn und Aber». Ein klares Bekenntnis also. Es soll die Ängste in Europa zerstreuen: Meloni will möglichst moderat wirken. Doch das Credo ist ganz frisch, ihre Nähe zum ungarischen Premier Viktor Orban ist noch in aller Köpfe. Ausserdem sind Melonis Bündnispartner in dieser Frage viel unentschlossener als sie.
Silvio Berlusconi von Forza Italia ist ein Freund Putins. Er ist hin- und hergerissen zwischen der «Enttäuschung», wie er es nennt, über Putins jüngste Entwicklung und alter Verbundenheit. Sie haben einst auch Ferien zusammen gemacht. Als Berlusconi kürzlich mit dem russischen Botschafter in Rom geredet hatte, sagte er, er habe jetzt die «Wahrheit» über den Krieg in der Ukraine erfahren.
Matteo Salvini, der Chef der rechtspopulistischen Lega, spricht im Wahlkampf vor allem von den grossen Kosten, die Italien und die Italiener sich aufbürdeten für das teurere Gas und die Sanktionen – nach dem Motto: Sind wir sicher, dass es sich lohnt, sich mit Kiew zu solidarisieren und sich mit Moskau anzulegen? Früher, etwa nach der russischen Annektierung der Krim, stimmte die Lega jeweils gegen Sanktionen. Salvini zeigte sich immer mal gern in einem T-Shirt mit Putins Konterfei, ein Fan. Er sagte auch einmal: «Gebe zwei Mattarellas ab für einen Putin» – Sergio Mattarella ist Italiens Staatspräsident.
«Ich war schon lange nicht mehr in Russland», sagt Salvini. Im Parlament wollen sie jetzt wissen, ob seine Lega Geld aus Moskau erhält.
2017 schloss die Lega ein Abkommen mit «Einiges Russland», der Partei Putins. Seither fragt man sich in Italien, ob die Lega Geld bekommt aus Moskau. Salvini dementiert. «Ich war schon lange nicht mehr in Russland», sagte er lakonisch.
Doch das «parlamentarische Komitee für die Sicherheit der Republik», bekannt unter dem Akronym Copasir, hat seine Zweifel. Es sei an der Zeit, liess es nach Medwedews Appell ausrichten, dass das Parlament ganz genau prüfe, ob es Parteien gebe, die Geld aus Moskau erhielten. Der Kreml führe einen «hybriden Krieg», er verbreite gezielt Fake News, die dann in den sozialen Netzwerken zirkulierten. Die Italiener müssten sich gewahr sein, dass Moskau das transatlantische Bündnis schwächen wolle und dafür ein möglicherweise loses Glied in der Kette ausgemacht habe. Italien eben.
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