Raketeneinschlag auf FussballplatzIsrael greift Hisbollah im Libanon an
Israels Luftwaffe hat in der Nacht Ziele der Schiiten-Miliz im Libanon angegriffen. Zuvor wurden auf einem Fussballfeld Kinder und Jugendliche getötet.
Nach dem Raketenbeschuss aus dem Libanon auf ein drusisches Dorf mit mindestens 12 toten Kindern und Jugendlichen auf den Golanhöhen hat die vom Iran unterstützte Hisbollah aus Sicht des israelischen Aussenministeriums «alle roten Linien überschritten».
Es handle sich bei der Hisbollah «nicht um eine Armee, die gegen eine andere Armee kämpft, sondern um eine Terrororganisation, die absichtlich auf Zivilisten schiesst», hiess es in der Erklärung des Ministeriums.
Israels Luftwaffe hat nach Militärangaben in der Nacht als Antwort eine Reihe von Terrorzielen der Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon angegriffen. Darunter hätten sich auch Waffenlager sowie terroristische Infrastruktur befunden, teilte das israelische Militär bei Telegram mit.
Bei den Vergeltungsschlägen sind nach Angaben aus dem Libanon mehrere Bewohner verletzt worden. Israelische Kampfflugzeuge hätten unter anderem nahe der Küstenstadt Tyros im Süden des Landes angegriffen und auch schwere Schäden angerichtet, berichtete die Staatsagentur NNA. Berichte über neue Todesopfer auf libanesischer Seite gab es am Sonntagmorgen zunächst nicht.
Netanyahu reist früher zurück
Bei dem Raketenangriff am Samstagabend auf den von Israel besetzten Golanhöhen sind mindestens zwölf Kinder und Jugendliche in der Ortschaft Madschd al-Schams getötet worden. Eine Rakete iranischer Bauart schlug dort auf einem belebten Fussballplatz ein. Israel macht die Hisbollah für den Angriff verantwortlich.
Israels Präsident Izchak Herzog zeigte sich entsetzt. «Die Terroristen der Hisbollah haben heute Kinder brutal angegriffen und ermordet, deren einziges Verbrechen darin bestand, Fussball zu spielen», schrieb er auf X. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu drohte umgehend mit Vergeltung. «Die Hisbollah wird einen hohen Preis dafür bezahlen, einen Preis, den sie bislang noch nicht bezahlt hat», sagte Netanyahu nach Angaben seines Büros.
Der Regierungschef wollte am Sonntag nach seiner Rückkehr aus den USA das Sicherheitskabinett einberufen, hiess es weiter. Netanyahu hatte in den USA eine Rede vor dem Kongress gehalten und US-Präsident Joe Biden, Vizepräsidentin Kamala Harris und Ex-Präsident Trump getroffen. Seine Abreise aus Washington zog er um mehrere Stunden vor.
Rakete soll iranischer Typ gewesen sein
In einer Erklärung der Hisbollah hiess es, man habe mit dem Vorfall nichts zu tun. Man weise die Vorwürfe, Madschd al-Schams angegriffen zu haben, kategorisch zurück. Armeesprecher Daniel Hagari bezeichnete dies als eine «Lüge». Bei dem Geschoss habe es sich um eine iranische Rakete vom Typ Farak-1 gehandelt, die nur die Hisbollah verwende. Das hätten forensische Untersuchungen ergeben. Die Schiiten-Miliz wird vom Iran unterstützt und teilt dessen israelfeindliche Haltung. «Die Hisbollah steckt hinter dieser Katastrophe und muss die Konsequenzen tragen», sagte Hagari.
Laut israelischer Armee hatte die Hisbollah rund 40 Raketen vom Libanon auf die Golanhöhen abgefeuert. Mindestens eine Rakete sei in Madschd al-Schams eingeschlagen, teilte das Militär mit. Israelischen Medien sprachen vom tödlichsten Vorfall seit dem Ausbruch der Gefechte zwischen Israel und der Hisbollah im Oktober. Er weckte die Befürchtung, dass es in der Region zu einem grösseren Flächenbrand kommen könnte.
Aussenminister Israel Katz sagte dem Fernsehsender Channel 12. «Wir stehen vor einem umfassenden Krieg.» Das könne mit hohen Kosten für Israel verbunden sein, aber die Kosten für die Hisbollah würden noch höher sein, warnte der Chefdiplomat.
Expertin hält Fehlschuss für möglich
Die israelische Militärexpertin Sarit Zehavi verwies darauf, dass die Schiiten-Miliz zuvor Angriffe auf eine israelische Militärbasis auf dem Berg Hermon für sich reklamiert habe. «Es ist sehr leicht, die Basis auf dem Berg Hermon mit ungenauen Raketen, wie etwa der Farak, zu verfehlen», meinte sie. Madschd al-Schams liege unmittelbar darunter.
Die Schiiten-Miliz richtet sich indes nach eigenen Angaben auf einen möglicherweise schweren Angriff Israels ein. «Wir sind seit Monaten in Bereitschaft und halten Ausschau nach jeglichem Angriff des Feindes», erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Hisbollah. «Dies ist nichts Neues, wir sind in ständiger Bereitschaft.» Jetzt erwarte man einen möglicherweise «harten Angriff», hiess es den Kreisen zufolge.
UN-Vertreter fordern «grösstmögliche Zurückhaltung»
Die geschäftsführende Regierung des Libanon hat nach dem Angriff «alle Gewalthandlungen und Attacken gegen Zivilisten» verurteilt. Sie rief zum «umgehenden Ende der Kampfhandlungen an allen Fronten auf», wie die geschäftsführende Regierung der Staatsagentur NNA zufolge mitteilte. Angriffe gegen Zivilisten seien ein «eklatanter Bruch des Völkerrechts».
Auch die UN-Beobachtermission Unifil, die seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon überwacht, äusserte sich umgehend. Die UN-Mission sei «in Kontakt mit den Parteien, um Spannungen zu verringern», sagte Unfil-Sprecher Andrea Tenenti der Deutschen Presse-Agentur.
Weitere UN-Vertreter haben im Anschluss ebenfalls nachdrücklich zu «grösstmöglicher Zurückhaltung» aufgerufen. Ein Flächenbrand in der Region soll vermieden werden. «Wir bedauern den Tod von Zivilisten – kleinen Kindern und Teenagern – in Madschd al-Schams. Die Zivilbevölkerung muss zu jeder Zeit geschützt werden», teilten der Chef der UN-Friedenstruppe im Libanon, Aroldo Lázaro, und die Sonderkoordinatorin für das Land, Jeanine Hennis-Plasschaert, in einer gemeinsamen Stellungnahme mit.
«Wir fordern die Parteien nachdrücklich auf, grösstmögliche Zurückhaltung zu üben und die anhaltenden heftigen Feuergefechte zu beenden», hiess es darin weiter. Diese «könnten einen grösseren Flächenbrand entfachen, der die gesamte Region in eine unvorstellbare Katastrophe stürzen würde», warnten die beiden UN-Vertreter. Man stehe sowohl mit dem Libanon als auch mit Israel in Kontakt.
Golanhöhen vor allem von Drusen bewohnt
Die Golanhöhen sind ein strategisch wichtiges Felsplateau, etwa 60 Kilometer lang und 25 Kilometer breit. 1967 wurde das Plateau von Israel erobert und 1981 annektiert. Das wurde international aber nicht anerkannt. Nach internationalem Recht gelten die Gebiete als von Israel besetztes Territorium Syriens.
In dem nun angegriffenen Dorf leben vor allem Drusen. Die arabischsprachige Religionsgemeinschaft ist im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen und siedelt heute vor allem in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien.
Die israelischen Streitkräfte und die Hisbollah liefern sich seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Zuletzt nahm die Intensität deutlich zu. Auf beiden Seiten gab es bereits Tote. Die Hisbollah handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen. Seit langem wird befürchtet, dass sich der Konflikt ausweiten könnte.
DPA/cpm
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