Zürich stellt Gasnetze abSo geht es weiter beim 2-Milliarden-Projekt für CO₂-freie Wärme
Um klimaneutral zu werden, baut die Stadt die Fernwärme weiter aus und legt Gasnetze still, als Nächstes in Altstetten-Nord und Tiefenbrunnen. Wer eine praktisch neue Gasheizung ersetzen muss, kann auf finanzielle Hilfe hoffen.
Die Frist läuft bis 2040: Bis dann sollen die direkten Treibhausgasemissionen auf dem Zürcher Stadtgebiet auf netto null gesunken sein. Dies ist das erklärte Ziel der Stadt, dem das Volk vor zwei Jahren zugestimmt hat.
Der Umbau der Wärmeversorgung sei einer der grössten Hebel, um dieses Ziel zu erreichen, schreibt der Zürcher Stadtrat in einer Mitteilung vom Mittwoch. Darin informiert er über die nächsten Schritte bei der Umstellung von Gas auf Fernwärme.
Derzeit werden der Norden von Altstetten und Tiefenbrunnen mit Fernwärmenetzen erschlossen. Die Gasversorgung für Heizen, Warmwasser und Kochen wird daher in Altstetten-Nord im Jahr 2030 und in Tiefenbrunnen je nach Standort zwischen 2030 und 2034 stillgelegt.
Diese Massnahme stehe im Einklang mit dem kantonalen Energiegesetz, das grundsätzlich das Heizen mit fossilfreier Energie vorschreibe, schreibt der Stadtrat. Dank der Umstellung von Gas auf Fernwärme in den beiden Gebieten könnten jährlich bis zu 10’000 Tonnen CO₂-Emissionen eingespart werden.
Die Stadtregierung betont die Vorteile von Fernwärmenetzen: Diese versorgen über eine gemeinsame Zentrale und Leitungen viele Gebäude gleichzeitig mit umweltfreundlicher Wärme. Dabei nutzen sie lokale Energiequellen wie etwa Seewasser oder gereinigtes Abwasser, stärken die Versorgungssicherheit und reduzieren die Abhängigkeit von Energieimporten.
Hauseigentümern winkt Entschädigung
Wegen des Gasausstiegs müssen Liegenschaftenbesitzerinnen und -besitzer in Altstetten-Nord und Tiefenbrunnen bestehende Gasheizungen und Gaskochherde rechtzeitig durch Alternativlösungen ersetzen. Die Stadt will sie in den nächsten Wochen direkt über das Vorgehen informieren.
Für neuere Gasgeräte, die noch nicht amortisiert sind, zahlt die Stadt unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung. Daneben erhalten Eigentümerschaften im Rahmen der Fördermassnahmen von Stadt und Kanton finanzielle Unterstützung beim Anschluss an die Fernwärme oder bei der Installation einer Wärmepumpe.
30 Prozent des Siedlungsgebiets mit Fernwärme
Die heutigen Fernwärmenetze in Zürich decken rund 30 Prozent des Siedlungsgebiets ab. Bis 2040 will die Stadt die Fernwärme so ausbauen, dass sie 60 Prozent des Siedlungsgebiets abdeckt. Bereits weit fortgeschritten ist die Ablösung des Gasnetzes durch Fernwärme in Zürich-Nord, wo die Umstellung bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein soll.
Die rechtliche Grundlage für die Ablösung des Gasnetzes durch Fernwärme in weiteren Stadtgebieten bildet die im vergangenen Jahr in Kraft getretene städtische Wärmeversorgungsverordnung.
Wie es in der Mitteilung weiter heisst, bleiben langfristig Gasverteilnetze nur in jenen Gebieten in Betrieb, wo eine Wärmeversorgung mit Fernwärme oder erneuerbaren Einzellösungen wie Wärmepumpen technisch oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist. Dort sollen erneuerbare Brennstoffe zum Einsatz kommen.
Welche Quartiere wann vom Gas genommen und ans Fernwärmenetz angeschlossen werden, können Liegenschaftenbesitzerinnen und -besitzer auf der Energiekarte EnerGIS der Stadt Zürich nachschauen, dort sind Abfragen für spezifische Adressen möglich.
500 Millionen Franken bereits verbaut
Der Ausbau der Fernwärme ist für Zürich ein Milliardenprojekt. In den vergangenen sechs Jahren haben die Stimmberechtigten dafür insgesamt rund 1,2 Milliarden Franken bewilligt, wie Frederic Härvelid, Sprecher des Departements der Industriellen Betriebe, auf Anfrage sagt. Rund 500 Millionen Franken haben die städtischen Wärmeversorger in den vergangenen zwanzig Jahren bereits in den Ausbau der Fernwärme investiert.
Die Gesamtkosten für den Ausbau der Fernwärmenetze in Zürich schätzt die Stadt auf rund 2 Milliarden Franken, wobei die erwähnten 1,2 Milliarden Franken darin enthalten sind. Finanziert wird der Ausbau über Mittel der Fernwärmenetz-Betreiber, nicht über Steuergelder, wie die Stadt betont.
Im Rahmen der Neuorganisation der Wärmeversorgung wird künftig das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) sämtliche grossflächigen Fernwärmenetze auf Stadtgebiet betreiben. Bisher gab es drei Betreiber: das EWZ, Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ) sowie das Unternehmen Energie 360°, das sich zu rund 96 Prozent im Besitz der Stadt befindet.
15 Projekte im Bau – viele Baustellen
Bemerkbar macht sich der Ausbau des Fernwärmenetzes vor allem durch die vielen Strassenbaustellen. Derzeit befinden sich rund 15 Projekte im Bau, bei denen Fernwärmeleitungen verlegt werden, wie Frederic Härvelid vom Departement der Industriellen Betriebe weiter sagt. Am stärksten betroffen seien das Gebiet Tiefenbrunnen mit Fröhlich-, Dufour-, Münchhalden- und Wildbachstrasse sowie Höngg mit der Segantinistrasse. Der Ausbau der Fernwärmenetze geschehe koordiniert und wenn möglich gleichzeitig mit anderen Bauvorhaben.
Wie ökologisch ist Fernwärme?
Vor der Volksabstimmung über den Ausbau der Fernwärmeversorgung im November 2022 entbrannte eine Debatte über die Klimawirkung dieser Technologie. Die Kritik: Die Städte verkauften ihre Fernwärme als ökologisch und sauber, doch um im Winter genügend Wärme zu haben, müssten sie mit viel Erdgas nachheizen. Zudem dürfe die Abwärme aus den Kehrichtverbrennungsöfen als «klimaneutral» deklariert werden, obwohl die Öfen CO₂ ausstiessen.
Die Stadt weist diese Kritik zurück. Die meisten Gebäude in Zürich würden heute noch immer mit Öl- und Gasheizungen beheizt, sagt Frederic Härvelid. Entsprechend werde der Wärmebedarf insgesamt noch zu rund zwei Dritteln mit fossilen Energieträgern gedeckt. Im Vergleich dazu würden die vorhandenen Fernwärmenetze im Mehrjahresdurchschnitt heute bereits zu mindestens 70 Prozent mit klimafreundlichen Energiequellen betrieben. In den kürzlich realisierten Fernwärmeverbunden wie dem Energieverbund Altstetten und Höngg betrage dieser Anteil sogar über 85 Prozent.
Gemäss der städtischen Wärmeversorgungsverordnung müssen die grossen Fernwärmenetze ausserdem bis 2040 zu 100 Prozent mit klimafreundlicher Energie betrieben werden. An diesem Ziel arbeite die Stadt «mit höchster Priorität», heisst es beim Departement der Industriellen Betriebe weiter.
Weiter gelte die Nutzung der Abwärme aus der Kehrichtverbrennung gemäss Definition des Bundesamts für Energie als CO₂-neutral. Die Abwärme enthalte keine Primärenergie und somit auch keine Treibhausgasemissionen, sie falle bei der Kehrichtverwertung ohnehin an. Zudem solle das CO₂ aus den Rauchgasen der Kehrichtverbrennung künftig abgeschieden und eingelagert beziehungsweise genutzt werden, so der Sprecher.
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