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Helge Braun im Porträt
Merkels Notarzt

Der Arzt und die Physikerin: Kanzleramtschef Helge Braun und Kanzlerin Angela Merkel im Konferenzsaal der Berliner Regierungszentrale.
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Es vergeht derzeit keine Woche, in der Helge Braun nicht in einer Fernsehsendung debattiert, kaum ein Tag, an dem er nicht im Radio oder Frühstück-TV das Handeln der Regierung in der Corona-Krise rechtfertigt.

Man sieht dann einen ruhigen, schweren Mann mit hellblauen Augen, der stets lächelt und bedächtig spricht, eine Art freundlichen Erklärbär. Je länger die Pandemie dauert, umso vertrauter ist Braun den Deutschen geworden.

Angela Merkel, seine Chefin, schickt ihn jetzt öfter los, um zu sagen, was sie denkt, aber im Moment lieber nicht öffentlich aussprechen will. Im letzten Oktober etwa, in einer endlosen Sitzung mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer, war die Kanzlerin so entnervt, dass sie hinter verschlossenen Türen laut schimpfte: Dann sitze man in zwei Wochen halt wieder hier. Und beschliesse eben dann, was aus ihrer Sicht längst nötig gewesen wäre.

Die Vorsicht in Person

Vor den Medien hielt Merkel ihren Ärger zurück. Ein paar Stunden später trat dafür Braun im ARD-«Morgenmagazin» auf und antwortete auf die Frage, ob er sich nicht mehr Ergebnisse erwartet hätte: «Absolut.» Er rief die Bürger sogar dazu auf, nun halt selbst jene Vorsicht walten zu lassen, die ihre Landesregierungen hätten vermissen lassen. Mehr Unverblümtheit ging kaum.

Helge Braun, 48 Jahre alt, Chef des Kanzleramts, ist in der Pandemie nicht nur die Vorsicht in Person. Er ist auch Merkels rechte Hand, ihr Mahner, ihr Notarzt. Fast könnte man sagen: Er fand die Seuche, und die Seuche fand ihn. Braun nimmt das Virus nicht nur als Politiker todernst, sondern auch als Experte.

Der Sohn einer Lehrerin und eines Gynäkologen ist ausgebildeter Intensivmediziner und Narkosearzt. Seine Doktorarbeit schrieb er über die Gefahr flimmernder Herzen beim Operieren. 2014, da war er bereits Staatssekretär im Kanzleramt, warnte er vor der Ebola-Krise in Westafrika. Das neue Coronavirus alarmierte ihn ebenfalls früh. Bei der Physikerin Merkel weckte Braun sofort Interesse. In einem Kosmos von Juristen, so erklärte er einmal, teilten sie die naturwissenschaftliche Sicht auf die Dinge.

«Im Kanzleramt geht es ein bisschen zu wie auf einer Intensivstation.»

Helge Braun

Als das Virus auch Deutschland überrollt hatte, ernannte Merkel Braun zu ihrem obersten Krisenmanager. Es ist ihre bewährte Praxis: Schon in der Flüchtlingskrise hatte sie den Fachministerien die Aufsicht entzogen und in die Hand ihres damaligen Kanzleramtschefs gelegt, Peter Altmaier.

Brauns wichtigste Aufgabe besteht derzeit darin, sich täglich mit den Staatskanzleien der 16 Bundesländer zwischen Stuttgart, München, Kiel und Schwerin abzusprechen – schliesslich liegen dort fast alle Kompetenzen bei der Virusbekämpfung. Er bereitet die berüchtigten Sitzungen vor, an denen Merkel und die Ministerpräsidenten etwa zweimal im Monat um die richtige Dosis von Einschränkung und Freiheit streiten.

Er muss überdies zwischen den Ministerien und den Koalitionspartnern vermitteln, das Parlament einbeziehen, wissen, was die EU plant und so weiter. Es ist eine riesenhafte Aufgabe, zumal das Land ja auch sonst noch zu regieren ist. Das Licht in seinem Büro verlischt derzeit selten. Im Kanzleramt gehe es ein bisschen zu wie auf einer Intensivstation, meinte Braun kürzlich. Es klang nicht unzufrieden.

Der Krisenmanager gilt als stressfest und klug, als hervorragend organisiert, vermittelnd, fair, humorvoll und fleissig. Wie Merkel scheut er jedes Risiko. Manche vermissen an ihm die breitbeinige Entschlossenheit, die etwa CSU-Chef Markus Söder ausstrahlt. Viele werfen Braun vor, dass seine Corona-Warn-App zu spät kam und bis heute kaum gegen das Virus hilft.

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Seine Expertise steht nicht infrage, sein rhetorisches Talent schon. Er schläfere seine Zuhörer ein, halten ihm Kritiker vor, verwechsle Ernsthaftigkeit mit Langweile. Auch den Ton trifft er nicht immer. Seine Aufforderung im Winter, für den Arbeitsweg auch mal das Velo statt der U-Bahn zu nutzen, flog dem schwergewichtigen Limousinenfahrer tagelang um die Ohren.

Was aus Braun wird, wenn Merkel im Herbst das Kanzleramt verlässt, ist offen. Seinen Wunsch, auch der nächsten Regierung anzugehören, hat er deponiert. Die Chancen stehen aber nicht allzu gut – unabhängig vom Ausgang der Pandemie.

Bald ab nach Hessen?

Vielleicht deswegen machte Braun vor kurzem mit einer Art verdecktem Bewerbungsschreiben auf sich aufmerksam. Er regte an, die in der Krise ausgesetzte Schuldenbremse neu zu konzipieren. Mit dem weitsichtigen Vorschlag traf er zwar sofort auf den geballten Widerstand seiner CDU, das Licht der Scheinwerfer aber war ihm sicher.

Wenn es im Herbst mit einem neuerlichen Ministeramt nicht klappt, könnte Braun auf einen Posten in der Heimat spekulieren: Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier ist gerade 70 geworden und wirkt schon länger müde. Bouffier stammt aus Giessen, wie Braun. Die beiden kennen und schätzen sich seit mehr als 30 Jahren.