Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Die Pläne des SBB-Chefs
Mehr Ausflügler, weil weniger Pendler kommen

Im letzten Sommer schien die Pandemie vorbei. Es waren wieder mehr Leute per Zug unterwegs. Doch dann kam die fünfte Welle. 

Corona hat die SBB im letzten Jahr ausgebremst: Ein Drittel weniger Personen als vor der Pandemie stiegen in die Züge. Und auch beim Güterverkehr holperte es. Entsprechend verzeichneten die SBB fürs Jahr 2021 einen hohen Verlust.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die meisten Fahrgäste loben das Bahnunternehmen. Auch, weil die meisten Züge pünktlich verkehren. Ausser in der Romandie. Was ist bei den SBB im letzten Jahr gut gelaufen? Und wo gibt es grössere Baustellen? Ein Überblick.

Wie viele Personen waren im Zug unterwegs?

Wer konnte, musste im vergangenen Jahr weitgehend zu Hause arbeiten. Um der Corona-Pandemie keinen Vorschub zu leisten, machten viele Leute auch in der Freizeit keine allzu grossen Sprünge. Einige stiegen zudem aufs Auto um. Und Touristen gab es kaum. Entsprechend waren auch 2021 vergleichsweise wenige Personen mit dem Zug unterwegs. 

«Das vergangene Jahr war schwierig», räumt Vincent Ducrot ein, der Geschäftsführer der SBB. Übers gesamte Jahr gerechnet, zählte das Bahnunternehmen täglich 885’000 Personen – rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr, aber ein Drittel weniger als vor der Pandemie. Im Jahresverlauf gab es grosse Schwankungen. So erholte sich die Nachfrage im Sommer. Doch dann rollte die fünfte Corona-Welle an. 

Der Anteil der Pendlerinnen und Pendler an allen Fahrgästen war tief. Dafür wurde die Bahn stärker für Freizeitaktivitäten genutzt. Auch im internationalen Personenverkehr lag die Auslastung ein Drittel unter dem Niveau von 2019. Allerdings war die Frequenz stark abhängig von den Bestimmungen in den betreffenden Ländern: Bei einzelnen Destinationen haben die SBB im Sommer 2021 sogar das Niveau von 2019 erreicht. 

Selbst als die Fahrgäste ausblieben, schränkten die SBB ihr Angebot kaum ein; lediglich während der Omikron-Welle musste das Unternehmen wegen des Personalmangels einzelne Züge ausfallen lassen. Viele Züge verkehrten halb leer.  

Wie hoch ist der finanzielle Verlust?

Wegen der vielen Halbleerfahrten legen die SBB tiefrote Zahlen vor. Und auch, weil es im Cargo-Geschäft nicht recht vorangehen wollte: Lieferketten waren unterbrochen. Viele Industriebetriebe konnten nicht gleich viel produzieren. Und wegen der eingeschränkten Mobilität wurden weniger Öltransporte benötigt. Insgesamt wird die Corona-Krise die SBB nach derzeitiger Schätzung rund 3 Milliarden Franken kosten. 

«Die finanzielle Lage ist angespannt», sagt Vincent Ducrot. 2021 betrug der Verlust 325 Millionen Franken. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor, in dem der Personenverkehr in der Schweiz wegen der Pandemie fast ganz zum Erliegen gekommen war, lag das Defizit der Bundesbahnen mit 617 Millionen Franken deutlich höher. Dass der aktuelle Abschluss besser ist, verdanken die SBB der öffentlichen Hand: 330 Millionen Franken erhielt das Unternehmen – 53 Millionen mehr als im Vorjahr. Zudem lösten wieder etwas mehr Leute ein Ticket. Und das Bahnunternehmen hat gespart. 

Die Nettoverschuldung der SBB ist um 720 Millionen Franken auf mehr als 11 Milliarden Franken gestiegen. Der Schuldendeckungsgrad liegt damit bei 13,7 – weit über der vom Bund geforderten Höchstgrenze von 6,5. 

Wie wollen die SBB die Finanzen ins Lot bringen?

Auch in Zukunft kommen die SBB nicht darum herum, viel Geld in die Infrastruktur, in die Flotte und in die Immobilien zu investieren, sagt Vincent Ducrot. Jedes einzelne Projekt werde aber genau geprüft. Einzelne könnten redimensioniert oder verzögert werden. «Wir drehen jeden Franken zweimal um.» Durch eine konsequente Digitalisierung will er das Unternehmen effizienter machen. 

Die SBB haben mit dem Bund ein Stabilisierungspaket geschnürt, um bis im Jahr 2030 «eine nachhaltige Finanzierung» zu erreichen. Das Unternehmen soll bis dahin 6 Milliarden Franken einsparen. Hinzu kommen ab 2024 jährlich weitere, vom Bund erwartete 80 Millionen Franken Kostenmassnahmen und Ertragsoptimierungen. 

Kommen die Pendler zurück?

Bis die Passagierfrequenzen von vor der Pandemie erreicht werden, werde es noch vier bis fünf Jahre dauern, sagt Ducrot. Einen nachhaltigen Einbruch erwartet er im Berufsverkehr: «Die Arbeitswelt hat sich verändert. Pendlerinnen und Pendler werden in Zukunft weniger Kilometer zurücklegen.» 

Spezielle Angebote für die grosse Gruppe der Leute, die teilweise zu Hause arbeiten, sind derzeit keine geplant. Mit einer Ausnahme: Vermutlich ab Mitte Jahr könnte das «ÖV-Guthaben» schweizweit eingeführt werden: Dabei überweisen die Kundinnen und Kunden im Voraus einen Betrag. Dafür erhalten sie Guthaben inklusive eines Treuebonus. Mit neuen Angeboten wollen die SBB aber vor allem Ausflügler und Touristen in die Züge locken. In Planung sind etwa Sonderzüge zu Freizeitdestinationen und ein vergünstigtes Ticket für Kleingruppen. 

Wie pünktlich verkehrten die Züge?

«Die Pünktlichkeit war gut», sagt SBB-Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar. Doch dann fügt sie an: «Auch wenn diese Aussage nicht alle unterschreiben würden.» Laut ihren eigenen Berechnungen erreichten die SBB im letzten Jahr die zweitbesten Pünktlichkeitswerte ihrer Geschichte. Dazu beigetragen hat, dass die Baustellen besser geplant wurden. Aber natürlich auch: dass nur wenige Leute unterwegs waren. Allerdings gab es in der Westschweiz grössere Probleme wegen Baustellen und nach Unwettern. Tiefpunkt war ein mehrtägiger Totalunterbruch auf der Hauptachse Lausanne–Genf wegen einer Gleisabsenkung.

Pünktlichkeit hat oberste Priorität: Der SBB-Chef Vincent Ducrot an der Bilanzmedienkonferenz. 

Dass die Züge pünktlich verkehren, ist ein zentrales Anliegen von Vincent Ducrot. Da die Kompositionen länger geworden seien, müsse auch über verlängerte Haltezeiten an den Bahnhöfen nachgedacht werden. «Wir brauchen mehr Reserven im Fahrplan», sagt er. 

Sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufrieden?

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SBB mussten im zweiten Pandemiejahr grosse Flexibilität an den Tag legen. Während der Omikron-Welle Ende des Jahres sprangen sie oft für erkrankte Kolleginnen und Kollegen ein. Trotz Personalengpässen kam es nicht gehäuft zu Zugausfällen. 

Die Mitarbeitenden sind mit der Unternehmensleitung trotzdem weitgehend zufrieden. Das zeigt die neueste Personalumfrage. Die Zufriedenheitswerte sind in fast allen Bereichen über die letzten Jahre leicht gestiegen. 

Es gibt aber auch Kritikpunkte. Die Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter etwa machten Ende Jahr darauf aufmerksam, dass sie wegen Personalmangels immer öfters alleine unterwegs seien. Das führe zu Sicherheitsproblemen. Und heute forderte die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, die SBB sollen das Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben der Angestellten besser austarieren. Demnächst stünden viele Pensionierungen an. Damit die Abgänge ersetzt werden können, müssten die SBB als Arbeitgeberin attraktiver werden.  

Zumindest konnte die angespannte Situation beim Lokpersonal laut den SBB entschärft werden. In diesem Jahr soll «ein leichter Überbestand erreicht werden». Dadurch könnten die Angestellten für mehr Strecken und Fahrzeugtypen ausgebildet werden, sodass sie in Zukunft flexibler eingesetzt werden können.