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Albaner wird Premier in Nordmazedonien
Er regiert jetzt einen Staat, den er einst mit der Waffe bekämpfte

epa11106369 Former speaker of the Parliament, Talat Dzhaferi reacts after receiving a mandate from President Pendarovski (unseen) to lead the technical government in Skopje, Republic of North Macedonia, 26 January 2024. According to the agreement of the largest political parties in the country, Prime Minister Dimitar Kovacevski and his cabinet resigned 100 days before the regular Presidential and Parliamentary elections. Talat Dzhaferi received a mandate from President Pendarovski to lead the technical government until the Presidential and Parliamentary elections scheduled for April 24 and May 08. Dzhaferi will be the first ethnic Albanian Prime Minister of North Macedonia.  EPA/GEORGI LICOVSKI
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Es ist eine Premiere, die lange unvorstellbar schien: Das Parlament Nordmazedoniens hat einen ehemaligen Guerillakämpfer der albanischen Minderheit zum Ministerpräsidenten gewählt. Der 61-jährige Talat Xhaferi regiert jetzt einen Staat, den er einst mit der Waffe bekämpft hat, doch davon später.

Die Albaner stellen etwa ein Drittel der 1,8 Millionen Einwohner Nordmazedoniens, sie sind mehrheitlich muslimisch. Die wohl berühmteste Bürgerin des Landes ist aber eine katholische Albanerin, sie heisst Gonxhe Bojaxhiu, in der weiten Welt besser bekannt unter dem Namen Mutter Teresa. Die slawische Mehrheit Nordmazedoniens pflegt den christlich-orthodoxen Ritus. Und sie hat lange Zeit die ganze Macht ausgeübt, obwohl das Balkanland multiethnisch und multireligiös geprägt ist. 

Die Träume der Hitzköpfe

Vor allem die albanische Minderheit wurde phasenweise massiv benachteiligt. Als Mitte der 1990er-Jahre eine Gruppe albanischer Hochschullehrer eine Universität in der Stadt Tetovo gründen wollte, reagierte die Regierung mit Gewalt. Es kam zu Studentenprotesten, Schiessereien und Toten. Die Spannungen nahmen 2001 zu, das Land stand vor einem Bürgerkrieg.

Ermutigt durch den Erfolg der kosovo-albanischen Guerillatruppe UCK, die 1999 mithilfe der Nato die serbische Staatsmacht aus Kosovo vertrieb, griffen auch radikale Albaner in Mazedonien zu den Waffen. Sie forderten mehr Rechte, einige Hitzköpfe träumten sogar von einem grossalbanischen Staat auf dem Balkan. Das energische Eingreifen der Nato verhinderte das Schlimmste. 

Unter westlichem Druck gewährte die Regierung in Skopje mit dem Friedensvertrag von Ohrid der albanischen Minderheit eine breite Autonomie. Einer der führenden Köpfe der Rebellen war damals Talat Xhaferi, der Anfang Woche den Posten des Regierungschefs für 100 Tage übernommen hat. Wichtigste Aufgabe seines Kabinetts ist es, die für Ende April und Anfang Mai geplanten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu organisieren. Trotz der kurzen Amtszeit ist die Wahl von Xhaferi eine historische Zäsur, sie zeigt, dass sich die ethnischen Spannungen in Nordmazedonien weitgehend gelegt haben. 

Die EU-Ambitionen stecken in einer Sackgasse

Das Land ist mittlerweile näher an den Westen gerückt. 2019 hat sich Mazedonien in Nordmazedonien umbenannt, da Griechenland jahrelang die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen und den Nato-Beitritt des Nachbarstaates blockiert hatte. Athen argumentierte, dass der Begriff Mazedonien untrennbar und ewig verbunden sei mit der Antike, mit dem Hellenismus und mit Alexander dem Grossen, den aufrechte Griechen wie einen Grossvater verehren, als wäre er vorgestern und nicht im Jahr 323 vor Christus gestorben.

Nach der Lösung des Namensstreits machte Griechenland den Weg frei für die Nato-Mitgliedschaft Nordmazedoniens, die im Frühjahr 2020 erfolgte. Die EU-Ambitionen des Balkanlandes stecken dagegen in einer Sackgasse, weil sich Bulgarien neuerdings querstellt. Sofia hat ein paar bizarre Forderungen: Es gebe, heisst es, eine bulgarische Minderheit in Nordmazedonien, und diese müsse als staatsbildendes Volk in die Präambel der Verfassung aufgenommen werden.

Ausserdem soll die Regierung in Skopje akzeptieren, dass Mazedonisch ein bulgarischer Dialekt sei und die Mazedonier nur ein Zweig des grossen bulgarischen Volkes. Für solche nationalistischen Spielchen missbrauchen die Politiker in Sofia das Vetorecht bei EU-Entscheidungen.

Blinde Loyalität wichtiger als Qualifikation

Die nationalistische Opposition in Mazedonien kritisierte die Wahl von Talat Xhaferi zum Regierungschef. Die Koalition aus mazedonischen Sozialdemokraten und der grössten Partei der albanischen Minderheit BDI stehe für Korruption und Vetternwirtschaft, monierte die konservative Partei VMRO-DPMNE.

Die Vorwürfe sind nicht unbegründet. Seit dem Kleinkrieg des Jahres 2001 werden fast alle staatlichen Posten nach dem ethnischen Proporz verteilt. Die Parteien agieren wie Arbeitgeber, die ihre Anhänger belohnen. Dabei ist blinde Loyalität wichtiger als Qualifikation.

Xhaferi wurde 1962 in einem Dorf im mehrheitlich albanisch besiedelten Westen des Landes geboren. Damals war Mazedonien Teil des jugoslawischen Vielvölkerstaates. Bereits im Teenageralter schlug Xhaferi eine militärische Karriere ein. Er besuchte Militärakademien in Belgrad und Sarajevo und diente in der jugoslawischen Volksarmee. Als Jugoslawien zu Beginn der 1990er-Jahre zusammenbrach, kehrte er nach Mazedonien zurück und trat in die neu gegründete Armee ein, die er 2001 verliess und sich den Aufständischen der albanischen Minderheit anschloss.