Max Küng liest sein GeburtshoroskopNein, ich haben meine Frau nicht in einer «New-Age-Gruppe» kennengelernt
Unser Autor liest sein altes Horoskop. Vieles darin ist kosmosgereifter Käse. Doch dann läuft es ihm eiskalt über den Rücken.
Zum Glück wurde aus mir kein Astronom, denn die Hauptbeschäftigung eines Astronomen im gesellschaftlichen Umfeld besteht wohl darin, ständig den Unterschied zwischen Astronomie und Astrologie erklären zu müssen. Mühsam! So wie ein Baselbieter immerzu erklären darf, dass er kein Basler ist.
Nun, aus wissenschaftlicher Sicht ist Astrologie erwiesenermassen Hokuspokus-Habakuk, trotzdem lese ich gerne Horoskope, in Gratiszeitungen etwa, als Form der Kürzestunterhaltung. Ich hoffe dann jeweils, es steht etwas drin wie: «Vergessen Sie den Tag. Heute ist nix zu holen. Gehen Sie lieber wieder ins Bett.» Und wenn ich dann eine halbe Stunde später wieder daheim einchecke und ins noch lauwarme Pyjama steige, meine Frau fragend blickt, sage ich schulterzuckend und mit dem Finger zur Decke weisend: «Sorry. Die Sterne.» Und ab zurück unters Duvet!
Im Keller aber fand ich das Astrodata-Geburtshoroskop, vierzig Seiten dick, psychologisch aufgemotzt und präzis für mich persönlich erstellt, vor über dreissig Jahren – und so lange hatte ich es nicht mehr angeschaut. Ich weiss: Astrologie ist vor allem etwas für Narzisst:innen. Sie verstärkt die Gefühle der eigenen Grandiosität: «Sogar die fernen Sterne wissen, wie toll ich bin! Es gibt so viele Menschen auf der Welt, aber ich bin ein ganz spezielles Wesen!»
Und so ist denn auch vieles in meinem Geburtshoroskop kosmosgereifter Käse. Da ist etwa im Kapitel «Schattenbereiche» wegen der Stellung des sogenannten Mondknotens von «Traumata» die Rede: «In der Kindheit dürfte es Ihnen an Nähe und Geborgenheit gefehlt haben, sodass die ursprünglichen Bedürfnisse nach Gefühlszuwendung nicht befriedigt wurden.» Seltsam, dass so was aus den Sternen zu deuten sein soll, Knoten im Mond hin oder her, und vor allem: Falsch! Meine Mutter war, was sie noch immer ist: mega lieb.
Da steht: «Neben einer Faszination von neuen, zukunftsweisenden Techniken und Arbeitsmethoden, zeigen Sie eine Vorliebe für extreme Ideen und eigenwillige Überzeugungen.» Falsch! Ich liebe mechanische Schreibmaschinen und lese keine Bücher von Daniele Ganser. Da steht (Kapitel «Erotik & Sexualität»): «Die stürmische Leidenschaftlichkeit Ihrer Liebe hat etwas von der Begeisterung eines Eroberers, der ein neues Land betritt und dabei neue Facetten einer ihm bis anhin fremden Wirklichkeit kennen lernt.» Ich, ein Erotik-Wikinger mit Aufriss-Elan à la schwertschwingendem Leif Eriksson? Coole Vorstellung, ist mir jedoch neu. Ebenfalls falsch: Ich lernte meine Frau nicht wie prophezeit in einer «New-Age-Gruppe» kennen.
Fast ein wenig sturm wurde mir vom vielen Kopfschütteln, aber dann stiess ich auf Folgendes: «Geeignete Berufe, welche eine soziale Integration ermöglichen könnten, sind Betätigungen im Bereich der Datenverarbeitung, der modernen Technik und Elektronik oder eine, vorzugsweise selbstständige, Medienarbeit.» Mir lief es eiskalt den Rücken runter, denn das ist präzis das, was ich in meinem beruflichen Leben gemacht habe: Erst Datenverarbeitung, die Ausbildung zum Computerprogrammierer, dann Medienarbeit, und zwar immer so selbstständig und Major-Tom-mässig losgelöst wie möglich.
Nun stellt sich mir die Frage: War mein berufliches Leben vorbestimmt und stand fix in den Sternen festgeschrieben … oder aber hatte ich diesen Plan in meinem Geburtshoroskop vor dreissig Jahren gelesen, verinnerlicht und einfach ausgeführt?
Das Universum ist gross. Die Fragen sind es auch.
Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».
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