Er bezwang Philipp HildebrandMathias Cormanns Wahl zum OECD-Chef löst Bestürzung aus
Die OECD will den Klimawandel stoppen. Doch ihr neu gewählter Generalsekretär hat bisher alles getan, um Massnahmen in dieser Hinsicht zu verhindern.

Mit dem Australier Mathias Cormann hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einen neuen Generalsekretär erkoren. Seine Wahl lässt Europa schlecht dastehen – und den Kampf fürs Klima erst recht.
Und sie ist eine Überraschung. Auf den ersten Blick entspricht Cormann zwar dem Prototyp eines Internationalisten, wie er in die Organisation passen müsste: 1970 wurde er in der belgischen Ortschaft Eupen geboren und wanderte erst mit 25 nach Australien aus. Cormann spricht fliessend Englisch, Deutsch, Französisch und Niederländisch. In Australien schaffte er es in die hohe Politik und war 2013 bis 2020 unter mehreren Regierungen Finanzminister – so lange wie noch keiner vor ihm.
Hildebrand war sein Antipode
Die eigentliche Favoritin für den Topjob bei der OECD war allerdings die Schwedin und langjährige EU-Kommissarin Cecilia Malmström. Die Organisation ging ursprünglich aus dem Marshallplan der USA zum Wiederaufbau Europas hervor. Daher haben die EU-Länder in der OECD noch immer eine Mehrheit von 22 der insgesamt 37 Sitze. Hätten sie sich geeint hinter Malmström gestellt, wäre Cormann chancenlos geblieben.
Das Gleiche gilt für Philipp Hildebrand, den der Bundesrat als Kandidat der Schweiz ins Rennen geschickt hat. Die Chancen des einstigen Nationalbankpräsidenten beruhten auf der lange berechtigten Hoffnung, dass Cormann frühzeitig ausscheidet.
«Cormann hat immer wieder bewiesen, dass er die Profite der Kohlen- und Gasindustrie höher gewichtet als Menschenleben und den Planeten.»
Dann hätte sich Hildebrand als Kandidat der Länder ausserhalb Europas, der Gegner Malmströms und vor allem einer Agenda gegen den Klimawandel profilieren können. Immerhin hat sich auch die OECD dieses Anliegen als vorrangiges Ziel auf die Fahnen geschrieben.
Doch Cormanns Bekenntnis zum Klimawandel, das er im Wahlkampf abgegeben hat, ist nicht mehr als schlecht getarntes Politmarketing. In Australien hat er Massnahmen gegen den Klimawandel nicht im Geringsten unterstützt. Im Gegenteil: Als Finanzminister hat er Emissionssteuern verhindert, die Verschmutzungsindustrie mit Subventionen unterstützt und in internationalen Foren Klimavorstösse abzublocken versucht.

David Ritter, Chef von Greenpeace Australien, erklärte, Cormann habe «immer wieder bewiesen, dass er die Profite der Kohlen- und Gasindustrie höher gewichtet als Menschenleben und den Planeten».
Dass Cormann für seine Bewerbungskampagne im November mit einem Jet des australischen Militärs von einer europäischen Hauptstadt zur nächsten geflogen ist, löste in seiner Heimat Proteste aus, weil die Maschine pro Flugstunde mehr als 4000 australische Dollar an Steuergeldern verpufft. Cormanns im Februar auf Linkedin veröffentlichtes Bekenntnis zum Pariser Klimaziel entpuppt sich auch hier als Wahlkampftaktik.
Die Grenze zu eiskaltem Machtkalkül
Immerhin sind solche Strategien seine Stärke. Geschickt und unter starker Unterstützung der australischen Regierung gelang es ihm, die USA hinter sich zu bringen und die Europäer zu spalten. Die Regierung hat ihm nicht nur den Militärjet, sondern auch ein Team mit 8,5 Vollzeitstellen zur Verfügung gestellt und alle ihre diplomatischen Kanäle auf die Wahl verpflichtet.

Die USA gewichteten letztlich die strategische Position Australiens gegen China stärker als den Klimawandel und stellten sich deshalb hinter Cormann. In Europa konnte der Australier bei Ländern wie Polen punkten, die noch immer stark auf fossile Brennstoffe setzen, aber auch bei jenen, die Malmström verhindern wollten.
Die Grenze zwischen strategischem Geschick und eiskaltem Machtkalkül ist allerdings fliessend. Letzteres wirft jedenfalls der einstige australische Premier Malcolm Turnbull Cormann vor. Deshalb hat Turnbull die OECD-Länder sogar vor seinem Ex-Finanzminister gewarnt.
Als Teil einer rechtskonservativen Verschwörung soll Cormann ein klimafreundliches Gesetz vereitelt und damit auch Turnbull zu Fall gebracht haben. So jedenfalls sieht es der Ex-Premier, der darauf an Cormann schrieb: «Mathias, in einer Zeit, als Stärke und Loyalität verlangt war, warst du schwach und verräterisch.»
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