Massenentlassung bei der SwissVertrag mit Helvetic läuft weiter – Swiss-Belegschaft schäumt
Bis zu 780 Angestellte entlässt die Airline aus Kostengründen. Die Gemüter erregt, dass Martin Ebners Helvetic mit schlechter bezahltem Personal weiter für die Swiss fliegt.
Die Swiss entlässt bis zu 780 Angestellte, weil sich die Corona-Baisse länger als erwartet hinzieht und eine Erholung aufs Vorkrisenniveau noch viele Jahre auf sich warten lassen dürfte. Noch fürs Jahr 2023 plant die Geschäftsleitung mit einer um ein Fünftel tieferen Nachfrage. Von den maximal 780 Kündigungen entfallen 200 aufs Bodenpersonal, 60 auf die Technik, 400 auf die Kabine und 120 aufs Cockpit. Nicht davon betroffen ist die Schwester-Airline Edelweiss. Bundespräsident Guy Parmelin bedauert den Stellenabbau.
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Zur Enttäuschung über die Nachricht vom Donnerstagmorgen kam bei der Swiss-Belegschaft auch Wut. Als die Geschäftsleitung ihr in einer online übertragenen Veranstaltung kurz nach dem ersten Schock Rede und Antwort stand, dominierte ein Thema: Wie ist es möglich, dass die Swiss eigene Leute entlässt, während sie gleichzeitig weiterhin Flüge durch Helvetic Airways durchführen lässt?
Die Regionalairline im Besitz von Milliardär Martin Ebner und mit Hauptsitz in Kloten fliegt seit Jahren im Rahmen eines sogenannten Wet-Lease-Vertrags für die Lufthansa-Tochter. Das heisst, dass sie neben den Maschinen auch das Personal stellt und die Wartung besorgt. Vertraglich sind acht Flugzeuge von Helvetic für die Swiss im Einsatz.
Grosse Lohnunterschiede
Für die Swiss war das vor der Krise attraktiv. «Die Flugzeuge vom Typ E190 von Helvetic mit ihren etwas über 100 Sitzplätzen eignen sich besonders, um bestimmte Ziele möglichst wirtschaftlich zu bedienen», schreibt Swiss-Sprecherin Karin Müller auf Anfrage. Allerdings zahlt die Helvetic im Vergleich mit der Swiss auch tiefere Löhne. So verdient eine neu eingestellte Flight-Attendant bei der Helvetic monatlich 3100 Franken. Bei der Swiss sind es 3400 Franken. Zudem gibt’s im Gegensatz zu Helvetic einen GAV.
Helvetic-Sprecher Mehdi Guenin weist die Vorwürfe zurück: «Helvetic Airways verfügt über ein anderes Lohnmodell als Swiss. Helvetic Airways zahlt markt- und branchenkonforme Löhne in der Schweiz.»
«Wir können nicht verstehen, dass die Swiss eine andere Airline ihren eigenen Mitarbeitern vorzieht», ärgert sich Sandrine Nikolic-Fuss, Präsidentin der Kabinenpersonal-Gewerkschaft Kapers, die vor allem Swiss-Angestellte vertritt.
In einem Telefoncall am Nachmittag mit Journalisten sagten Swiss-CEO Dieter Vranckx und Finanzchef Markus Binkert nichts Genaueres zu den Plänen mit Helvetic. Man müsse das noch analysieren. «Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass im Vergleich mit der eigenen Flotte bei Helvetic überproportional abgebaut wird», sagte Vranckx.
Welche vertraglichen Möglichkeiten die Swiss hier hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls ist der Wet-Lease-Vertrag mit der Helvetic der einzige in der ganzen Lufthansa-Gruppe, der zu Beginn der Pandemie nicht gekündigt wurde. «Swiss und Helvetic Airways pflegen seit Jahren eine enge und sehr gute Zusammenarbeit», schreibt Swiss-Sprecherin Müller. «Diese werden wir auch in Zukunft fortführen.» Die Frage, ob die Swiss den Vertrag nicht kündigen kann oder nicht kündigen will, beantwortet sie nicht.
15 Flugzeuge weniger
Nikolic-Fuss und Vertreter der anderen Gewerkschaften setzen sich nun mit der Swiss zum Konsultationsverfahren zusammen. Dort können sie Vorschläge machen, wie man die schlimmsten Szenarien noch verhindern könnte. Das Verfahren soll Ende Mai abgeschlossen sein. Dann soll es mit den Entlassungen losgehen. «Je schneller wir die Kosten senken, desto schneller stoppen wir den Geldabfluss», formulierte es Vranckx. Im Moment verliert die Swiss jeden Tag 2 Millionen Franken.
Die Entlassungen sind also kaum vermeidbar. Dies auch darum, weil der Personalbestand von der Grösse der Flotte abhängig ist. Diese soll schrumpfen, wie die Swiss am Donnerstag bekannt gab: Sie legt zehn Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge still. Darin sind eigene Maschinen der Airbus-A320-Familie enthalten, aber auch jene Embraer-Flugzeuge, die Helvetic nun nicht mehr stellen soll.
«Wir hatten keine andere Wahl. Es tut uns sehr leid.»
Auf der Langstrecke fallen fünf Airbus-Maschinen der Entscheidung zum Opfer. Laut Vranckx trifft es aus Gründen der Treibstoffeffizienz eher Maschinen vom Typ A340 als vom A330, obwohl Erstere gerade erst eine teure Aufhübschung des Interieurs erhalten haben. Was mit den Maschinen passiert, ist noch nicht klar.
Auch beantwortete die Swiss-Spitze die Frage noch nicht, welche Langstreckendestinationen der Sparübung zum Opfer fallen. Auf der Kurz- und Mittelstrecke dagegen will sie das Streckennetz beibehalten, aber die Frequenzen verringern. Das dürfte insbesondere Verbindungen treffen, die besonders viele Geschäftsreisende nutzten, also zum Beispiel London oder Frankfurt.
500 Millionen Sparpotenzial
Die Swiss betont, bei ihren Plänen die Spielregeln einzuhalten, die der Bund ihr im Rahmen des 1,5 Milliarden Franken schweren Rettungskredits gesetzt hatte. Laut diesen muss die Lufthansa-Gruppe dafür sorgen, dass die Langstreckenverbindungen ab Zürich proportional zu jenen ab den anderen Drehkreuzen München und Frankfurt hochgefahren werden.
Bisher war nur klar gewesen, dass die Swiss bis Ende dieses Jahres 1000 der vor der Krise 9500 Angestellten schmerzlos abbauen würde: also über freiwillige Abgänge, Frühpensionierungen und einen Einstellungsstopp. Mit den am Donnerstag kommunizierten schmerzhaften Massnahmen will die Gesellschaft 500 Millionen Franken einsparen.
200 Millionen davon sollen Personalkosten sein. «Hätten wir andere Möglichkeiten gehabt, hätten wir uns für diese entschieden», sagte Vranckx. «Wir hatten keine andere Wahl. Es tut uns sehr leid.»
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