Stromdividenden für Wirtschaft?Maschinenindustrie ruft nach Staatshilfe
Der Branchenverband fordert Hilfe für Firmen mit hohen Energierechnungen. Bezahlen sollen die Besitzer der Versorger – also Kantone und Gemeinden.
Weniger als drei Jahre nach der Rettung mit milliardenschweren Covid-Krediten soll die öffentliche Hand der Schweizer Wirtschaft – oder zumindest Teilen davon – schon wieder mit Geld unter die Arme greifen. Das fordert der Verband der Maschinenindustrie Swissmem.
Dabei liegen im Moment noch keine klaren Forderungen auf dem Tisch – bekannt ist bloss das Problem: Die Lage auf dem europäischen Strommarkt ist aufgrund von AKW-Abschaltungen in Frankreich und Putins Krieg prekär und dürfte sich in den kommenden Monaten noch zuspitzen. Entsprechend haben sich die Preise innert weniger Monate vervielfacht: So berichtete ein Schaffhauser Webmaschinen-Unternehmer kürzlich in dieser Zeitung, dass ihm für 2023 ein Angebot vorliege, das fünfzehnmal so hoch sei wie die Rechnung für 2021.
«Es kann nicht sein, dass gesunde Unternehmen wegen dieser in ihrer Ausprägung einmaligen Situation schliessen müssen», sagte vor diesem Hintergrund Swissmem-Präsident Martin Hirzel am Dienstag an einer Medienkonferenz. Gleichzeitig kämen andere Unternehmen ohne viel eigenes Zutun zu enormen Gewinnen, da sie teuer verkaufen könnten, obwohl ihre Herstellungskosten gar nicht zugenommen hätten.
«Ich will verhindern, dass wir innerhalb der Wirtschaft aufeinander losgehen.»
Hirzel meint damit die Stromanbieter, die aktuell Elektrizität deutlich über den Herstellungskosten verkaufen können. Er sagte weiter: «Wir möchten auch die Stromproduzenten vor negativer Publizität verschonen, wenn sie hohe Gewinne ausweisen und wir Konkurse ausweisen.»
Der Verband sei bereits auf die Spitzen der grossen Produzenten Axpo, BKW und Alpiq zugegangen und werde bald über mögliche Lösungen für das Problem diskutieren. «Ich will verhindern, dass wir innerhalb der Wirtschaft aufeinander losgehen», so Hirzel. Das Ganze sei auch im Vorstand des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse platziert – Hirzel ist dort Vizepräsident.
Sromversorger sollen Gewinne weiterreichen
Aus Hirzels Äusserungen zeichnet sich eine Idee ab: Die grossen Stromversorger wie Axpo, BKW und Alpiq, die alle grossmehrheitlich der öffentlichen Hand gehören, verzichten auf die Zufallsgewinne aus den rekordhohen Strompreisen. Von dem Geld sollen dann Firmen profitieren, die wegen der hohen Energiekosten in Existenznöte geraten.
So klar hat es der Swissmem-Präsident zwar nicht formuliert, aber dass er in diese Richtung denkt, ist eindeutig. So weist Hirzel darauf hin, dass die staatlichen Energiekonzerne ihre Eigentümer mit hoher Wahrscheinlichkeit «mit hohen Dividenden» beglücken würden. Und diese hätten ein volkswirtschaftliches Interesse daran, dass die «Industrie gut durch den Winter» komme. Sein Verband hat sich schon Gedanken dazu gemacht, wie die Unternehmen von diesen Ausschüttungen profitieren könnten. Zu Details hält sich Hirzel aber noch bedeckt.
Von der Axpo kommt hierzu zumindest einmal keine Absage. «Wir sind aber zu einer Prüfung bereit und verschliessen uns auch nicht klärenden Gesprächen», schreibt ein Sprecher.
Die BKW schreiben dagegen, sie hätten den Strom, den sie aktuell produzieren, bis auf jenen der Grundversorgung für die Privathaushalte schon 2020 verkauft. Damals war der Preis nicht annähernd so hoch – darum profitiert die BKW auf diesem Wege auch nicht von den aktuell hohen Preisen. Allerdings profitiert die BKW insofern, dass sie jetzt für den Strom, den sie in den kommenden Jahren produzieren wird, einen höheren Preis erzielen kann.
Hirzel sieht ein wichtiges Argument für seine Forderung in der Vergangenheit: Viele Jahre hätten die Stromproduzenten von Subventionen an die Wasserkraft profitiert, als sie den dort produzierten Strom unter den Herstellungskosten haben verkaufen müssen. Hirzel sagte: «Das war okay für uns – aber wir haben es nicht vergessen.» Das heisst: Jetzt soll die Stromwirtschaft den Gefallen erwidern.
«Wir hätten uns gewünscht, dass man der Bevölkerung vor den Sommerferien reinen Wein eingeschenkt hätte.»
Eine Absage erteilt der Swissmem-Präsident dagegen dem SP-Vorschlag zu einer Deckelung der Strompreise, man wolle nicht in den Markt eingreifen. Auch die Idee, die Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler in der «NZZ am Sonntag» gemacht hat, lehnt Swissmem ab: Bigler schlägt vor, dass Firmen, die ihren Strom aktuell zu hohen Preisen auf dem freien Markt beziehen müssen, ins Grundversorgungsmodell wechseln dürfen. Dieses ist stark reguliert, dank ihm profitieren Privathaushalte aktuell von günstigen Preisen.
«Diese Forderung ist für uns keine», sagte Hirzel. «Wenn es ein bisschen ruckelt, rennen wir nicht gleich zum Staat.» Allerdings ist die Forderung an die Stromkonzerne, auf Gewinne zu verzichten, indirekt eine Anfrage an ebendiesen: Axpo, BKW und Alpiq gehören grossmehrheitlich der öffentlichen Hand.
Bundesrat präsentiert am Mittwoch seine Pläne
Neben den Forderungen nach staatlicher Unterstützung formulierte Hirzel den Wunsch, dass die Energiesparkampagne des Bundes nun endlich Form annehme. «Wir hätten uns schon gewünscht, dass man der Bevölkerung vor den Sommerferien reinen Wein eingeschenkt und diese Kampagne gestartet hätte. Ich finde das persönlich relativ spät.»
Der Bundesrat dürfte am Mittwoch Genaueres zu seinen Plänen bekannt geben. Mehrere europäische Staaten hatten schon vor Wochen einen Fahrplan bekannt gegeben, wie sie durch den Winter kommen möchten. Die Schweizer Regierung hatte dagegen erst vergangene Woche vage kommuniziert, wie sie zumindest den Gasverbrauch im Land zu senken gedenkt.
Bei aller Angst vor den nächsten Monaten geht es der Schweizer Maschinenindustrie aktuell trotz geopolitischen Spannungen und Lieferkettenschwierigkeiten blendend: Im zweiten Quartal verkaufte sie gegenüber der Vorjahresperiode 11,6 Prozent mehr; die Hälfte davon ist tatsächlichen Mehrverkäufen zuzuschreiben, der Rest Preissteigerungen.
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