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Favorit bei Amherd-Nachfolge
Markus Ritter, Meister des Kuhhandels

Markus Ritter, Nationalrat der Partei Die Mitte und Präsident des Schweizer Bauernverbandes, streichelt eine Kuh auf seinem Hof in Altstätten, aufgenommen am 22. März 2023.
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In Kürze:
  • Markus Ritter ist Kronfavorit für die Nachfolge von Viola Amherd.
  • Seine Hartnäckigkeit beim Lobbyieren als Bauernpräsident im Bundeshaus stösst auf Kritik.
  • Mit den Umweltverbänden hat er sich komplett überworfen.
  • Ritter selbst sagt, er liefere «bekannterweise ab».

Ende Januar, zwei Wochen vor der Abstimmung zur Umweltverantwortungsinitiative, schaltete der Schweizer Bauernverband (SBV) in der Agrarzeitung «Schweizer Bauer» ein Inserat. «Jetzt abstimmen! Für ein niederschmetterndes Resultat», so lautet der Zweizeiler. Die Botschaft, die in die ländliche Schweiz gesendet werden sollte, war klar: Gewinnen allein reicht nicht – es muss den Befürwortern der Initiative richtig wehtun.

Präsident des Bauernverbands ist Mitte-Nationalrat und Bundesratskandidat Markus Ritter. Er sagt, dass das Inserat von der «kampagnenerprobten SBV-Crew» ohne sein Wissen, aber mit seinem Vertrauen geschaltet wurde. «Das ist mein Führungsstil», so Ritter.

Einen Monat vor der Wahl von Viola Amherds Nachfolge stehen die Chancen gut, dass Ritter seinen Führungsstil bald auch als Bundesrat pflegen kann. Nachdem ein Mitte-Schwergewicht nach dem anderen abgesagt hat, ist er der klare Favorit. Sein einzig verbliebener Konkurrent, der Zuger Regierungsrat Martin Pfister, hat den Nachteil, dass ihn in Bundesbern kaum einer kennt.

Ritter hat dieses Problem nicht. Er kennt in Bern alle – und alle kennen ihn. Die grosse Frage wird sein, wie viele der 246 National- und Ständeräte am Wahltag diese Bekanntschaft positiv in Erinnerung haben werden.

Methode Ritter: Simpel und unzimperlich unter Druck setzen

Markus Ritter schaffte 2011 den Sprung ins Parlament, ein Jahr später wurde er zum Präsidenten des Bauernverbands gewählt. Seither ist er in der Schweizer Politik ein Machtfaktor. Im Gegensatz zu anderen Parlamentariern, die fleissig Mandate sammeln, verschreibt er sich voll und ganz seiner Funktion als Bauernpräsident: 104’000 Franken Jahreslohn bei einem 60-Prozent-Pensum.

Aus Sicht der Landwirte hat sich jeder einzelne Franken, den sie in Ritter investiert haben, bereits x-fach ausbezahlt. Sei es beim indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative oder bei den jährlichen Budgetverhandlungen rund um die Direktzahlungen: Wenn Ritter im Parlament seine Hebel in Gang setzt, gewinnt er fast immer.

Die Art und Weise, wie er dabei vorgeht, ist simpel und unzimperlich zugleich. Ritter ist der Meister des Kuhhandels. Gesucht wird stets der beste Deal. Wie die Mehrheiten beschafft werden, ist oft zweitrangig. Sobald ein Geschäft im Rat «seine Landwirte» betrifft, dann gibt es bei ihm kein Halten mehr, so wird es mehrfach geschildert.

Ritter selbst verhandelt an vorderster Front. Assistiert wird ihm von anderen Bauern im Parlament und von Mitgliedern seines Verbands. Diese fordert Ritter an den Mitgliederversammlungen teils aktiv dazu auf, dass sie die National- und Ständeräte in ihren Kantonen mit Anrufen und Mails unter Druck setzen.

«Er lässt einfach nie locker»

Wer Parlamentarierinnen und Parlamentarier zur Lobby-Tätigkeit des St. Gallers befragt, hört auffallend oft das Wort «penetrant». «Er lässt einfach nie locker», sagt eine Ex-Nationalrätin über ihren ehemaligen Ratskollegen. Als «extrem schlechten Stil» bezeichnete die Basler Alt-Ständerätin Anita Fetz einst das Vorgehen des Bauernverbands, selbst nach Abstimmungen noch zum Telefonhörer zu greifen.

Fetz ist nicht die Einzige, die sich an den Methoden stört. Mehrere National- und Ständeräte sagen unabhängig voneinander, dass der Bauernverband unter Ritter bei der Intensität des Lobbyings in Bern neue Massstäbe gesetzt hat.

Markus Ritter steht vor einem traditionellen Holzhaus während eines Interviews zur Bundesratskandidatur mit dem Tages-Anzeiger, 3. Februar 2025. Foto von Moritz Hager/Tamedia AG.

FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen erklärt Ritters Erfolg auch mit dessen hartnäckiger Verhandlungstaktik. Wer bei einem Landwirtschaftsgeschäft nicht auf dessen Seite sei, der müsse bei anderen Geschäften mit Blockaden des Bauernverbands rechnen. «Leider sind die wenigsten im Parlament bereit, zu sagen: bis hierhin und nicht weiter», sagt Wasserfallen. Er kritisiert auch, dass der Bauernverband unter Ritter seit Jahren Deals anstrebe, die gegen die volkswirtschaftlichen Interessen der Schweiz seien.

«Eine Frage der Professionalität»

Wie viele Bürgerliche Ritter mit seiner Art vergrault hat, ist einen Monat vor der Wahl schwer abzuschätzen. Klar ist, dass er links der Mitte nur wenige Stimmen machen dürfte.

Das hängt auch damit zusammen, dass seit der Abstimmungskampagne zur Pestizid- und Trinkwasserinitiative sein Verhältnis zu den Umweltverbänden zerrüttet ist. Von Pro Natura, WWF und Co. ist zu hören, dass der Bauernpräsident mit ihnen gar nicht mehr rede. «Mit dieser Unversöhnlichkeit, die er gegenüber den Umweltorganisationen seit Jahren an den Tag legt, hat er für mich nicht das Format eines Bundesrats», sagt die Schaffhauser Ex-Nationalrätin Martina Munz (SP).

Dass er mit den Umweltverbänden nicht mehr redet, streitet Ritter nicht ab. «Die Anti-Agrarlobby-Kampagne war ein Tiefpunkt der konsensorientierten Schweiz», sagt er. Als Bundesrat wäre ihm Konsens aber wichtig. «Ich werde grundsätzlich mit allen relevanten Gruppen, auch den Umweltverbänden, sprechen», so Ritter. Auf die Kritik an seinem Stil, zu lobbyieren, sagt er: «Der Schweizer Bauernverband hat einen Auftrag und liefert bekannterweise ab – das ist eine Frage der Professionalität.»

«Ich bin sehr enttäuscht»

Dass er manchmal auch in Familienangelegenheiten ungehemmt lobbyiert, bewies Ritter 2017. Sein damals 19-jähriger Sohn war wegen eines Problems mit den Augen für untauglich befunden worden – er durfte nur Zivilschutz, nicht Militärdienst leisten.

Vater Ritter intervenierte daraufhin bei Guy Parmelin (SVP). «Ich bin sehr enttäuscht», schrieb er in einer Mail an den damaligen Verteidigungsminister. Wenn die Armee auf motivierte und bestens vorbereitete junge Männer wie seinen Sohn nicht angewiesen sei, dann sei es Zeit, der Armee «gute Nacht» zu sagen. «Ich bitte dich, dem Fall nachzugehen und mich zu informieren», endete Ritters Mail.

Als er von CH Media zu seinem damaligen Vorgehen befragt wurde, sah er darin kein Fehlverhalten. Statt seiner Intervention bei Parmelin hätte er auch einen «prominenten Vorstoss» im Parlament einreichen «und öffentlich die Schwächen der Armee zur Schau stellen können», so Ritter. Er habe der Armee aber nicht schaden wollen. Der Chef der Armee habe ihm später aber persönlich versichert, dass die Prozesse angepasst worden seien.

Auch diese Lobbyaktion hat Markus Ritter also nachträglich als Erfolg verbucht.