Mamablog: Was wir vererbenDu wirst immer mehr wie deine Mutter!
Unsere Autorin geht der Frage nach, wie sehr wir unseren Eltern ähneln – und wie wir trotzdem unseren eigenen Weg finden können.

«Mami, du wirsch immer meh wies Gromi!», stellte meine Tochter kürzlich fest und fügte an: «Mer merkt scho, us wellem Elterehuus du chunsch.» Und sie hat recht. Ich stelle fest, dass ich nun, mit dem Erreichen des 50. Lebensjahres, immer mehr erkenne, wie ähnlich ich meiner Mutter und meinem Vater werde.
Mit Fünfzig, so erlebe ich es zumindest, hinterfragt man die eigene Herkunft noch differenzierter und fragt sich gleichzeitig, was man wohl den eigenen Kindern weitervererbt hat. Neben eindeutigen Charakterzügen und Verhaltensweisen habe ich unbewusst auch typische Handbewegungen und Marotten meiner Eltern übernommen. So winken wir uns zum Beispiel überschwänglich zu, wenn wir uns von Weitem sehen oder wenn wir an einer Veranstaltung sind und uns bemerkbar machen möchten. Meine Teenie-Töchter finden das momentan unfassbar peinlich und betonen, dass sie das niiiiie machen werden. Ich schmunzle dann und denke: Wartet nur ab …
Von Stämmen und Wurzeln
Die Frage, wie wir zu den Menschen werden, die wir sind, beschäftigt die Menschen seit der Antike. Sind es angeborene Anlagen, die unser Wesen prägen, oder bestimmt die Umwelt unsere Fähigkeiten, Merkmale und Verhaltensweisen? Mit «der Apfel fällt nicht weit vom Stamm» meinen wir, dass ein Kind, der Apfel, eben tendenziell wie die Mutter oder der Vater ist. Der Stamm repräsentiert jedoch nicht nur die Eltern und ihre vererbten Gene, sondern auch den Einfluss der Familie auf das Kind. Dies umfasst das Familienklima, den Erziehungsstil, Verwandte und die soziale Schicht. Im Gegensatz dazu sind unter Geschwistern nicht geteilte Umwelteinflüsse zu berücksichtigen, wie etwa der Verlauf der Schwangerschaft, Unfälle, Krankheiten, die Beziehung zu den Eltern sowie die sozialen Kontakte des Kindes.
Für Eltern vermutlich überraschend: Verhaltensgenetiker schreiben dem DNA-Anteil und dem Teil der Umwelt, der ausserhalb der Familie liegt, einen grösseren Einfluss zu als dem Elternhaus. Etwa 50 Prozent unserer Persönlichkeitsmerkmale wie Willensstärke, Sensibilität und Temperament bringen wir von Geburt an mit, so sagen sie. Ein weiteres Viertel unserer Anlagen wird durch Erfahrungen ausserhalb der Familie beeinflusst, zum Beispiel in der Schule, in Vereinen und durch Freunde. Das verbleibende Viertel wird von Mama und Papa geprägt. Mit anderen Worten: Zu plus/minus 25 Prozent ähneln unser Verhalten, unsere Ansichten, Werte, «Mödelis» und Marotten denen unserer Eltern. Diese Prägungen sind jedoch veränderbar, insbesondere wenn wir sie erkennen, uns selbst reflektieren und bereit sind, störende Eigenschaften nicht übernehmen zu wollen. Dies erklärt auch, warum es Jugendliche gibt, die strikt dem Tabak- und Alkoholkonsum abschwören, obwohl es von einem Elternteil anders vorgelebt wird.
Wie sie uns prägen, aber nicht klonen
Eltern neigen dazu, ihre Kinder in die Richtung zu fördern, die ihnen selbst liegt, und vermitteln so unbewusst und ohne genetische Einflüsse Teile ihrer eigenen Persönlichkeit. Das ist völlig normal und natürlich und stellt kein Problem dar, solange sie nicht versuchen, aus ihren Söhnen und Töchtern Mini-Kopien von sich selbst zu formen. Bei mir ist das genauso. Die Eltern hinterliessen als Vorbilder starke Eindrücke, aber ich habe auch Fähigkeiten und Talente entwickelt, die sie mir nicht vererbt haben, und präge mein eigenes Ich auf meine eigene Weise.
Sätze wie «Ganz der Vater» oder «Du bist wie deine Mutter» können problematisch sein, wenn eine Belastung aus der Vergangenheit besteht. Zum Beispiel, wenn der Vater oder Grossvater ein Verbrechen begangen hat oder die Mutter in der Gemeinde als «Tratschweib» bekannt war. Einige Nachkommen folgen möglicherweise denselben Pfaden, während andere sich entschlossen abgrenzen und oft in das gegenteilige Extrem umschwenken. Hier sei darauf hingewiesen, dass jedes Kind glücklicherweise zwei «Stämme» hat, an denen es sich orientieren kann. Das gilt auch für Kinder, die entweder ihren Vater oder ihre Mutter nie kennengelernt haben.
Kürzlich kam meine Tochter vom Züri-Fest nach Hause und sprudelte ganz aufgeregt: «Mami, ich ha dä Papi gseh i dä Mänschemängi! Ich ha ihm ganz fest gwunke, aber er hätt mich nüd gseh.» So, so …
Und was ist in Ihrer Familiensippe so gang und gäbe, liebe Leserschaft? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare.
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