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Meinung

Mamablog: Veränderte Familiensituation
Stillstand

Depressed woman lying on the bed at home.
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Der blinkende Cursor auf dem leeren Dokument gleicht einem übermotivierten Club-Med-Animateur, der die trägen Gäste weg vom Buffet, hin zum Aquafit bringen soll. Seine penetrante Fröhlichkeit wirkt latent aggressiv, dass selbst diejenigen, die in bester Absicht ihr Badeoutfit zum Frühstück mitnahmen, trotzig zu einem weiteren Croissant greifen.

So ähnlich geht es mir gerade mit dem Cursor, der mir mit jedem einzelnen Blinken hämisch ins Ohr zischt: «Nun aber dalli, dalli, gell. Morgen ist Abgabetermin und du hockst da und hast keinen blassen Schimmer, was du schreiben sollst. Jetzt reiss dich mal zusammen und schreib, das kann ja nicht so schwer sein!»

Natürlich hat er recht, der Cursor. Schliesslich ist er darauf programmiert, immer wieder ein neues Pferd zu satteln. Doch während ich nervös mein Notizbuch durchblättere, und nach einem passenden Thema für den Mamablog suche, bleibt die Seite leer. Und der Cursor blinkt weiter. Himmelherrgott, was soll das? Doch eigentlich weiss ich es nur zu gut.

Wenn die Farben verschwimmen

In den letzten Monaten ist in meinem Leben unglaublich viel passiert. Ich habe beruflich Neues gewagt, was sich als Sackgasse erwiesen hat, sodass im Moment offen ist, wie ich weitergehe. Der Vater meiner Kinder und ich haben uns getrennt und unsere Familie übt sich nun im Nestmodell – und in all den Herausforderungen, die solch eine Umwälzung mit sich bringt. Vor drei Wochen ist meine Mutter gestorben und ich versuche gerade, das seltsame Konstrukt Tod wenigstens an seinem Rand zu erfassen. Und immer wieder zucke ich zusammen, wenn mich der Gedanke überkommt, nun keine Mutter mehr zu haben, nun niemandes Kind mehr zu sein.

Über die Aquarellzeichnung meines Lebens – die über viele, viele Jahre sehr klar strukturiert und sauber eingerahmt war – ergoss sich ein Glas Wasser und liess seine Farben verschwimmen. Es gäbe sicherlich wahnsinnig viel darüber zu schreiben, und die Themen würden auch bestens hierher passen.

Doch noch ist mir alles zu nah. Noch sind die Farben nicht trocken. Und damit haben der Cursor und ich ein echtes Beziehungsproblem. Denn leider kann ich nur über Dinge schreiben, die mich beschäftigen. Und da ich genau das nun bewusst nicht tun will, beisst sich die Schreibkatze in ihren ohnehin nur wenig wedelnden Schwanz. So verfasse ich wohl gerade meine längste Mamablog-Einleitung ever – ohne zu wissen, zu welchem Thema sie führen soll.

Aber wahrscheinlich ist das genau das Thema: der Stillstand. Das Ausschnaufen vor dem Einatmen. Das Komma vor dem nächsten Satz. Die leicht angefrorene Erde, bevor die ersten Knospen von Frühlingsblumen durchdringen. Ein Akt der Geduld mir selbst gegenüber. Etwas, das ich so noch nie gelebt habe.

Mit dem Leben gehen

Denn schon früh in meinem Leben habe ich gelernt, die Dinge in die Hand zu nehmen. Zu handeln. Zu formen. Zu übernehmen. Gerne auch über meine Grenzen hinaus. Und auch die Welt schätzt solche Qualitäten. Gibt es ein Problem, braucht es eine Lösung. Läuft es nicht ideal, gilt es zu optimieren. Und die Teenie-Mädchen vor meinem Fenster legen einen Filter auf ihr Insta-Bild, sollte dieses sie nicht als Topmodel zeigen.

Hinfallen, aufstehen, Krone richten. So wird uns gesagt. Was uns kaum beigebracht wird, ist mit dem Leben zu gehen, wenn es andere Pläne mit uns hat. Leerstellen sind marktwirtschaftlich uninteressant, ein Minusposten. Doch ich sehe das gerade etwas anders. Ich hadere mit nichts von all dem, das in mein Leben gebrochen ist. Und etwas Grossartiges hat der Stillstand bereits zu Tage geführt: Mut. Immer mehr davon, von Tag zu Tag.

Und deshalb traue ich mich, Ihnen zuzumuten, dass ich gerade nichts zu sagen habe. Weil ehrliches Weniger manchmal einfach Mehr ist.