Mamablog: Sexuelle AufklärungLasst uns invulviert sein!
Unsere Autorin fragt sich: Wie sollen Eltern mit der sexuellen Aufklärung ihrer Kinder umgehen, wenn Pornografie bereits im jungen Alter zugänglich ist?
Viele Eltern kommen ins Schwitzen, wenn sie das Wort Aufklärung hören. Kein Wunder, wenn sie die eigenen Eltern haben schwitzen sehen beim Versuch, den Begriff in die Tat umzusetzen. Meine waren nicht so unbeholfen, aber es hätte besser laufen können. Die zentrale Frage ist, wie wir es fertigbringen, unseren Kindern mitzugeben, was wir selbst im Nachhinein vermissen.
Kuriose Lektionen aus der Altpapiersammlung
Heute müssen Eltern damit rechnen, dass das 10-jährige Kind schon mit Pornografie in Berührung gekommen ist. Die einzigen «Pornos», die ich in dem Alter kannte, waren die Fotostorys aus der «BRAVO». In meinem Freundinnenkreis habe ich alle Arten elterlicher Aufklärung erlebt. Sexverbot und Vorträge darüber, warum man bis zur Ehe warten sollte, eisernes Schweigen und heimliches Deponieren von Broschüren und Kondomen auf dem Pult, aber auch Bombardierung mit detaillierten Tipps, neugierigen Fragen und Verhütungsmitteln, als würde die Tochter ab sofort nichts anderes mehr tun, als Sex haben. Viele wurden zur Gynäkologin geschickt, die mit der Pille auch gleich Antworten liefern sollte. Aber welche Vierzehnjährige will schon mit einer Wildfremden über die peinlichste Sache der Welt sprechen? Lieber die «BRAVO GiRL» fragen. Die fragt wenigstens nicht zurück.
Ein wiederkehrendes Highlight unserer sexuellen Bildung war die Altpapiersammlung. Zuerst wurden per Töffli die Hormone über das Dorf ausgeschüttet – Helm cool am Lenker. Wer sozialen Selbstmord begehen wollte, zog ihn an. Abends trafen sich alle im Papiercontainer, um die perfekt gebündelten Bündeli nach Pubertätsfutter zu durchforschen. Wir dachten, wir seien top informiert, aufgeschlossen und wüssten Bescheid. Wir hatten von Tuten und Blasen keine Ahnung. Aber danke, Dr.-Sommer-Team, dass ihr noch so blöde Fragen einfühlsam und ausführlich beantwortet habt.
Dos statt Don’ts: Aufklärung als Lebenssache
In der Fünften hatten wir Sexualkunde. Ich erinnere mich an das Durchackern eines Verhütungskoffers, an über Bananen gestreifte Kondome und unter den Wasserhahn gehaltene Tampons. Comics mit abgemagerten Aidskranken, die am Schluss sterben. An das Gefühl, dass am sichersten fährt, wer keinen Geschlechtsverkehr hat. Alles drehte sich um Gefahren und die verheerenden Folgen, die Sex haben kann, wenn nicht aufgepasst wird. Einmal wurde es spannend, als das Thema Selbstbefriedigung auf den Tisch kam. Die Erklärung fiel knapp aus: Das ist, wenn man Sex mit sich selbst hat. Igitt.
Wir haben uns vorgenommen, uns mehr auf Dos als auf Don’ts zu konzentrieren. Auf die Dinge, die man auf keinen Fall verpassen darf und für die es sich lohnt, zu kämpfen. Zum Beispiel Selbstliebe, Kommunikation, Respekt, gesunde Grenzen, Körperbewusstsein, Gefühle, Eigenverantwortung. Aufklärung ist keine Sexsache, sie ist eine Lebenssache. Sie ist auch kein Gespräch, sondern eine Familienkultur und fängt an dem Tag an, an dem ein Kind geboren wird. Sie sollte Selbstvertrauen, Mut und Lebensfreude fördern, nicht schmälern. Wir Eltern müssen mehr Angst haben vor denen, die wenig über Sex wissen, als vor denen, die viel wissen.
Unseren idealen Gehilfen für die Operation niederschwellige Aufklärung haben wir bereits gefunden. Er heisst Titeuf. Die Jungs verschlingen die Comics um den knollnasigen, federfrisurentragenden Schlingel, der sich tapfer durch den verwirrenden Dschungel der frühen Pubertät kämpft. Ich glaube, es geht ihnen wie mir, als ich anfing, psychologische Fachliteratur zu lesen, und realisierte, dass es Menschen wie mich offiziell gibt und ich nicht so durchgeknallt bin, wie ich dachte. Die Comics werfen wichtige Fragen auf und führen zu tollen Gesprächen und viel Gelächter. Mir haben sie geholfen, das Innenleben meiner Männer besser zu verstehen. Und mich selbst. Sie sind nämlich nicht nur für Jungs fantastisch. Am besten als ganze Familie den Film in Mundart schauen. Der ist zum Schiessen und gibt zu reden.
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