Mamablog: Familienleben mit TeenagernWann sind sie denn mal «aus dem Gröbsten raus»?
Wenn Kinder grösser sind, wird es einfacher, heisst es. Doch Elternschaft bedeutet vielleicht auch, den Kopf nie mehr so frei zu haben wie zuvor.
«Das Gute ist, es wird besser. Nicht wahr?» Die Frau hält ihr Baby im Arm und blickt durch Tränen ihre Freundinnen an. Gerade hat sie erzählt, wie überfordert, erschöpft und in zig Richtungen gezogen sie sich als Neo-Mutter fühlt. Da prusten die Freundinnen, alles Mütter grösserer Kinder, los. Die Szene aus der kanadischen Serie «Workin’ Moms» sitzt: Nach einem langen Tag wirkte sie auf mich kürzlich wie eine therapeutische Kurzintervention.
Wenn sie dann mal …
Zwei unserer drei Kinder sind Teenager. Weit aus dem Gröbsten raus, wie man so sagt. Wahrscheinlich müsste man sich aber erst einig werden, was es ist, dieses «Gröbste». Am Anfang dürften es etwa die Nächte sein. Und die Milchstaus. Dann vielleicht die Tränen beim Kita-Abschied. Oder undichte Windeln. Und nicht zu vergessen die Filzstiftspuren am weissen Sofa von Freunden, obwohl ich nur kurz nicht hingeschaut hatte.
Jetzt müsste sie doch kommen, die Zeit, in der sich auch mal zwei aufeinander folgende Wochen abspulen wie geplant.
Später hörte ich Leute sagen: Wenn sie mal im Kindergarten sind … und war bald überrascht, wie wenig in 3.5 Stunden hineinpasst. Also Schuleintritt, revidierte ich, und merkte: Die Unterrichtszeiten werden länger, doch die Zettel im Thek, die Hausaufgaben, Anforderungen, Hobbys, Termine und Logistik mehr. (Nicht selten auch die Sorgen. Hat das Kind Freunde? Kommt es mit dem Stoff mit, und dem Druck? Sollten wir daheim mehr rechnen?)
Und ehe man gespürt hätte, dass das «Gröbste» überstanden wäre, naht die Oberstufe. Jetzt bestimmt. Jetzt müsste sie kommen, die Zeit, in der sich das Familienleben in gepflegten Tischdiskussionen äussert und die Selbständigkeit der Kinder für einen freieren Kopf der Eltern sorgt. In der sich auch mal zwei aufeinander folgende Wochen abspulen wie geplant. Und in der das Thema Vereinbarkeit nur noch nostalgische Seufzer auslöst. Nicht wahr?
Kein 24/7-Betreuungsimperativ mehr
Hier könnte ich nun losprusten wie die Mütter aus «Workin’ Moms» – wäre ich nicht selbst immer wieder überrascht, dass es nicht so ist. Ja, die Zeiten des 24/7-Betreuungsimperativs sind vorbei. Doch weiterhin geht nichts ohne Organisation und Mental Load. Die Schulwahl will die richtige sein, die Entscheidungsfindung für den weiteren Weg begleitet. Auch diesen Sprachaufenthalt sollten wir langsam einfädeln. Und morgen haben wir den Termin beim Rektorat, gell. GELL? (Nimm mal die Kopfhörer raus!) Ach, und hast du schon einen Lernplan aufgestellt?
Zusätzlich zum Organisatorischen sind neu öfters ausgewiesene Skills in Motivationscoaching gefragt. Gern auch Nerven, um eine manchmal ausdauernd schlechte Laune an sich abperlen zu lassen. Und damit wären wir erst beim wohl klassischsten Thema, das das Alter zu bieten hat: dem handlichen Motivationstief, in einer Zeit, in der doch Weichen zu stellen wären.
Pubertät, ein finsterer Abgrund
Oft zwar hübsch humoristisch beschrieben, ist Pubertät ja auch ein Schlammbad aus Suche, Sinnkrise und Selbstwertmanko. Ein «finsterer Abgrund», wie es die Schriftstellerin Juli Zeh kürzlich in einem Interview nannte. An ihm müssen sich Teens vorbeihangeln. Und an all den möglichen Sturzgefahren: Schulprobleme, harzige Lehrstellensuche, zwiespältige Freundschaften, Liebeskummer, Depri-Stimmungen, Alkohol und mehr.
Kita, Hort oder Grosseltern, die entlasten? Das war früher. Wird es brenzlig, sind die Eltern gefragt. Wenn auch selten explizit: Ob die geschlossene Zimmertür ein altersgerechtes Autonomiebestreben ausdrückt oder eine stille Klage, müssen sie jedes Mal neu interpretieren.
Einfacher wäre es, sich von der Idee zu befreien, dass es immer einfacher werden müsste.
Wäre das Begleiten von Kindern eine Skipiste, befände man sich hier also womöglich im schwärzesten aller Pistenabschnitte. Doch genau jetzt glauben alle, die Kids seien «aus dem Gröbsten raus». Auch ich, manchmal. («Sie essen ja nun mittags in der Schule.»)
Langfristig den Kopf nicht frei
Zu gerne sähe ich zu Berichten über Vereinbarkeit daher auch mal Stockfotos von Vätern, die nicht mit Baby auf dem Schoss vor dem Laptop sitzen. Sondern mit Laptop auf den Knien und Halbwüchsigen daneben im Wartezimmer der Jugendberatung. Oder von Müttern, die nicht das Kleinkind zufriedenstellen, während sie telefonieren. Sondern aufgelösten Teens vom Büro aus telefonisch aus dem Gefühl akuter existenzieller Bedrohung helfen. (Ob nun wegen vergessener Schlüssel, Druckerstaus oder Abschiffern an wirklich entscheidenden Prüfungen.)
Nein, es wird nicht immer einfacher. Jedenfalls nicht unbedingt. Und nicht linear. Einfacher wäre es aber, sich von der Idee zu befreien, dass es immer einfacher werden müsste. Denn Elternschaft bedeutet vielleicht auch, den Kopf langfristig nie mehr so frei zu haben, wie je zuvor. Und an immer noch vielen Tagen auch die Agenda nicht.
Dennoch werden die Abende immer länger. Besser also, ich würde mich nicht noch nach 23 Uhr in Serien tummeln. Doch dieses eine Mal bei «Workin’ Moms» hat sich gelohnt. Nachdem ich den Druckerstau behoben, die Ausweiskopie für den Sprachaufenthalt organisiert, den Schulfrust besprochen und die Bettgehzeit durchgesetzt hatte, hörte ich auf dem Screen die Babymutter nun fragen: «Meint ihr, es wird immer anstrengend bleiben?» Synchrones Nicken in der Runde: «Ja, zu 100 Prozent.» Und ein wenig kam es mir vor, als lächelte mir das (Netflix)-Universum zu.
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