Mahnwache zum GedenkenJüdische Gemeinschaft in Zürich gedenkt ihrer Opfer
Vor 85 Jahren starben Hunderte Jüdinnen und Juden in der Reichspogromnacht. Mit leeren Stühlen und Kerzen hat Zürich an die Toten von damals und heute erinnert.
Mit einer Gedenkveranstaltung haben gut 600 Personen gestern Abend in der Synagoge an der Nüschelerstrasse an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 erinnert.
In dieser Nacht starben in Deutschland und Österreich Hunderte Jüdinnen und Juden. Tausende wurden verhaftet und in Konzentrationslager transportiert; Geschäfte, Wohnungen und Synagogen der jüdischen Gemeinschaft wurden zerstört.
In der Synagoge wurden gestern Abend sechs Kerzen angezündet. Sie sollen an die sechs Millionen Jüdinnen und Juden erinnern, die während des Zweiten Weltkriegs ihr Leben liessen. Eine siebte Kerze soll zudem der 1300 Opfer des schrecklichen Überfalls der Hamas vom 7. Oktober gedenken. In ihrer Rede sagte die israelische Botschafterin Ifat Reshef, dass sie Gänsehaut bekomme, wenn sie die Kerzen anschaue.
Klare Worte zur Hamas
Neben Regierungsrätin Jacqueline Fehr und Stadtpräsidentin Corine Mauch sind in der Synagoge auch Kirchenvertreter und Parlamentarier aus Stadt und Kanton anwesend. Mauch erwähnt in ihrer Rede den Antisemitismus in Zürich, den von früher und jenen von heute. Der jüdischen Gemeinschaft spricht die Stadtpräsidentin ihre Anteilnahme aus.
Zur Hamas redet Mauch Klartext: «Die Hamas kämpft nicht für Freiheit, nicht für Gerechtigkeit und nicht für Solidarität.» Sie sei zutiefst rassistisch, totalitär und sexistisch. Israels militärische Stärke und seine Antwort auf den Terroranschlag dürften nicht missbraucht werden, um die Gewalttaten und die Hamas selbst zu verharmlosen.
240 leere Stühle
Bereits am Nachmittag machten Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft auf dem Zürcher Bürkliplatz auf die Opfer des Angriffs der Hamas aufmerksam. Sie bauten dafür einen Schabbat-Tisch mit 240 leeren Stühlen auf.
Die leeren Stühle sollten an die 240 israelischen Geiseln erinnern, die am 7. Oktober von der Hamas entführt wurden. An jedem der leeren Stühle war ein Vermissten-Plakat an der Lehne befestigt, mit Foto und Name der entführten Person. Neben dem langen Tisch für die Erwachsenen stand ein Kindertisch, ebenfalls mit Vermissten-Plakaten an den Stuhllehnen.
Initiiert wurde der Schabbat-Tisch von Privatpersonen aus der israelischen Gemeinde. Sie wollen an die Lücken erinnern, «die jede verschleppte Person am Familientisch hinterlässt». Mit einer Petition fordern sie den Bundesrat zudem dazu auf, alles zu unternehmen, um als Vermittler aktiv auf die Freilassung der Geiseln hinzuwirken. Die Polizei bewachte den Anlass. Dies ist offenbar weiterhin nötig. Immer wieder berichten Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Gemeinschaft von antisemitischen Vorfällen.
So wurden etwa an Pro-Palästina-Demos umstrittene Rufe wie «From the river to the sea, Palestine will be free» skandiert. Dieser wird von israelischer Seite als antisemitisch bezeichnet, da er Israel das Existenzrecht abspricht. Die Stadt Zürich bewilligt solche Demonstrationen bis jetzt nach wie vor. Die nächste Kundgebung ist bereits für Samstag angesetzt.
Die Stadt Bern entschied, vom 17. November bis an Weihnachten keine solchen Grossdemonstrationen in der Innenstadt mehr zu bewilligen. Nur noch kleinere Mahnwachen seien erlaubt. Wegen der angespannten Sicherheitslage hatten bereits im Oktober die Städte Zürich, Bern und Basel Demonstrationen verboten. Das Verbot galt jedoch nur für ein paar Tage.
lop/SDA/mae/hub
Fehler gefunden?Jetzt melden.