Analyse zum M-Electronics-Verkauf Die Migros nimmt sich selbst auseinander
Das meistgeliebte Unternehmen der Schweiz stösst seine Fachmärkte ab. Das ist einerseits schmerzlich – anderseits eine Chance. Denn die Migros braucht dringend neue Strukturen.
1500 Stellen fallen weg. Die Fachmärkte stehen zum Verkauf. Der Industriesektor schrumpft: So lautet das bisherige Fazit des Migros-Umbaus in diesem Jahr, dessen neueste Phase das Unternehmen am Dienstag eingeläutet hat. Ein schmerzlicher Einschnitt, auch wenn lediglich 1,5 Prozent aller Arbeitsplätze im Konzern direkt betroffen sind.
Die Migros mag zwar in der Krise stecken. Sie verfolgt aber unverdrossen «den Weg zurück an die Spitze», wie es in einem internen Dokument heisst. Was dafür spricht, dass sie wieder in die Gänge kommt: Noch immer ist sie die beliebteste Marke der Schweizer. Ihr zugegebenermassen schwerfälliges Konstrukt basiert auf über 2 Millionen Genossenschaftsmitgliedern. Das orangene M ist und bleibt omnipräsent im Land.
Die linke Hand wusste oft nicht, was die rechte tat
Nun macht sich die Migros also daran, wirtschaftlich und finanziell wieder auf gesünderen Beinen zu stehen. Mit dem Ziel, effizienter zu werden und verlorene Marktanteile zurückzugewinnen, verkauft sie Firmenteile und strafft ihr Sortiment. Das ist im Grunde ein Armutszeugnis für ein Unternehmen, das der Konkurrenz jahrzehntelang mit grossen Schritten davonrannte und eine untrügliche Nase für wirtschaftliche Trends hatte.
Die Industriebetriebe sollen nun im Gesamtunternehmen «integrierte Produzenten» werden, schreibt die Migros. Was sie längst sein müssten. Zu lange werkelten die einzelnen Teile der M-Industrie in ihrem eigenen Garten, ohne über den Zaun zum Nachbarn zu blicken – geschweige denn, sich mit diesem auszutauschen. Ähnliche Produkteentwicklungen fanden parallel statt. Die linke Hand wusste oft nicht, was die rechte tat – und wie viele Hände da waren, überraschte sogar manchen Migros-Intimus.
Die Fachmärkte der Gruppe wiederum fristeten ein marginales Dasein. Über sie herrschte nominell die Zürcher Zentrale des Migros-Genossenschafts-Bundes. Doch vor Ort sprachen – wie meistens, wenn es um die Umsetzung innerhalb des Konzerns ging – die Regionalgenossenschaften das letzte Wort. Die für den schärfer werdenden Konkurrenzkampf nötige Eigendynamik war weder gefragt noch möglich. Man verschlief den wachsenden Onlinehandel, der den zu kleinen Migros-Einheiten den Rest gab.
Ein Elefant im Raum
Sowohl die Betriebe der Migros Industrie als auch die Fachmärkte litten (und leiden noch immer) unter einem Hauptproblem: der verschachtelten Struktur des Kolosses, die von unzähligen «Stakeholdern» bewohnt wird – Interessengruppen von regionalen Delegierten mit ihren kleinen Anliegen bis zu grossen Regionalfürsten, denen das eigene Genossenschaftsgebiet, ja die ganze Schweiz gerne mal zu klein ist. Und die deshalb ohne Hemmungen Millionen Franken im Ausland verbraten.
Dieser Elefant bleibt weiterhin im Raum, scheinbar unverrückbar. Die Migros hat letztes Jahr umgebaut – um ihre Entscheidungsfindung erneut zu verzetteln und den Regionen mehr statt weniger Macht in die Hände zu legen. Ob die nun angekündigten Reformen zu schlankeren Strukturen und besserer Steuerbarkeit führen, wie sie in den strategischen Zielen ihrer «Mission 2030» angepeilt werden, muss sich erst zeigen.
Mindestens ein Punkt spricht für ein Gelingen: Der (für Migros-Verhältnisse) eiserne Besen, der zurzeit fegt, stellt vieles infrage. Es liegt nun in der Hand der Migros-Chefs, diese Fragen offen zu diskutieren und die weiter anstehenden Probleme transparent zu machen.
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