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Luxusschiffe im Visier
Können Kreuzfahrten klimaneutral werden?

MSC Euribia, Atmosphere Pool
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Ein Hauch Glamour muss sein: Filmikone Sophia Loren persönlich liess als Taufpatin die Champagnerflasche am Bug der neuen MSC Euribia zerschellen. Das hat Tradition, taufte sie doch schon die letzten 19 Schiffe der in Genf beheimateten Reederei MSC Cruises. Denn die italienischen Wurzeln verbinden: Loren wuchs wie Firmengründer Gianluigi Aponte in der Region von Neapel auf.

Maximal 6390 Passagiere passen auf den spektakulären neuen Vergnügungsdampfer, der so manches Ferienresort an Land in den Schatten stellt. Doch bei der Reederei ist man vor allem auf etwas anderes stolz: «Mit der Euribia packen wir die Zukunft der modernen Kreuzfahrt an», erklärte Pierfrancesco Vago, Executive Chairman von MSC Cruises, am Tauf-Event in Kopenhagen euphorisch.

Ambitionierte Ziele

Dabei bezog er sich auf die Rolle des Schiffsverkehrs als Klimasünder. «Rund 3 Prozent trägt er zu den globalen CO2-Emissionen bei», bestätigt Vago. Dabei stehen vor allem die weltweit rund 400 Kreuzfahrtschiffe am Pranger, die gerade mal einen Anteil von 0,4 Prozent sämtlicher 90'000 Schiffe ausmachen.

Allerdings gefällt sich die Cruise-Industrie zunehmend in der Rolle der Musterschülerin: Während die IMO (International Maritime Organization) für die gesamte Schifffahrt bis 2050 eine Halbierung der Treibhausgasemissionen anstrebt, will der Cruise-Verband CLIA (Cruise Lines International Association), dem fast alle relevanten Kreuzfahrtreedereien angehören, bis 2050 gar klimaneutral unterwegs sein.

Wie soll das gehen?

Fakt ist: Die Seereise dahin wird gewiss keine einfache. Die Regulierung des maximalen Schwefelgehalts im Schiffstreibstoff bindet zwar die Luftverschmutzung zurück, doch dies hat kaum Einfluss auf die Treibhausgasemissionen. Statt schwefelarmem Marinediesel oder weiterhin «schmutzigem» Schweröl, bei dem die Abgase gereinigt werden müssen, kommt deshalb seit wenigen Jahren Erdgas (LNG, Liquefied Natural Gas) zur Anwendung. Dieser Treibstoff reduziert die gesundheitsschädlichen Emissionen massiv bis gänzlich und mindert den CO2-Ausstoss um gut 20 Prozent.

Tugboats escort the MSC Orchestra cruise ship across the basin past the Bell Tower and the Doge's palace as it leaves Venice on June 05, 2021. The cruise ship, which arrived in Venice on June 03, 2021 for the first time in 17 months, signalling the return of tourists after the coronavirus pandemic but enraging those who decry the impact of the giant floating hotels on the world heritage site, picked up about 650 passengers on June 05, before heading south to sample the delights of Bari, Corfu, Mykonos and Dubrovnik. (Photo by Miguel MEDINA / AFP)

Der technische Aufwand ist freilich gross. LNG muss zur Verflüssigung auf minus 162 Grad runtergekühlt werden, erfordert grössere Tanks und sogenannte Dual-Fuel-Motoren, die sowohl LNG wie Marinediesel verbrennen. Erdgas kommt aus diesen Gründen nur bei Neubauten zum Einsatz. Die MSC Euribia ist nach der MSC World Europa der zweite LNG-Liner von insgesamt 22 MSC-Schiffen. Weltweit gibt es erst ein gutes Dutzend solcher Einheiten – aber immerhin: Tendenz steigend.

Die Kehrseiten von LNG: Beim Verbrennen wird Methan freigesetzt, das wesentlich klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Dieses Problem reduziere sich mit stets verbesserten Motoren, versichern Reedereien wie Werften. In der Kritik steht aber auch die umweltschädliche Fracking-Methode der Erdgasgewinnung. Letztlich handelt es sich weiterhin um einen fossilen Treibstoff, weshalb LNG auf dem Weg zur Klimaneutralität als «Übergangslösung» bezeichnet wird. 

Bio-Kraftstoff aus Schlachtabfällen

Doch der CO2-Ausstoss wird heute noch durch eine Reihe weiterer Massnahmen reduziert. Ein Ansatz ist etwa die Beimischung von Biokraftstoff, der aus Altöl, Lebensmittel-, Holz- oder Schlachtabfällen gewonnen wird. Keine gültige Alternative ist Bio-Fuel aus dem Anbau nachwachsender Pflanzenbestände, weil dies in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. Medienwirksam führte die MSC Euribia vor ihrer Taufe eine viertägige «erste klimaneutrale Kreuzfahrt» mit Bio-LNG durch; das Potenzial von Biokraftstoffen ist jedoch zu gering, um dereinst als Haupttreibstoff zu dienen, und dürfte nur als Zusatz eine Rolle spielen. 

Ein anderer Ansatz, der bereits auf einigen Schiffen zum Einsatz kommt, ist die Nutzung elektrischer Energie von Batteriespeichern (Akkus). Solche Systeme sind allerdings noch viel zu gross, zu schwer und zu leistungsschwach, um dem Energiebedarf grosser Schiffe zu genügen, und sie müssen «grün» aufgeladen werden. Akkus kommen deshalb erst auf kleineren Schiffen zum Einsatz, wo sie für einige Stunden Lastspitzen abdecken. «Batterien werden auch in Zukunft nur hybrid zur Anwendung kommen», ist Cruise-Experte Sönke Diesener vom Nabu (Naturschutzbund Deutschland) überzeugt, der die Kreuzfahrt seit Jahren kritisch beobachtet. 

Mit kürzeren Routen, geringerer Geschwindigkeit und einem clever geformten Schiffsrumpf lässt sich Energie einsparen.

Grundsätzlich vielversprechend ist das Thema Landstrom, bei dem die Schiffe während eines Hafenaufenthalts ans Stromnetz angeschlossen werden und so die Motoren für den Hotel-Verbrauch abstellen und Batterien aufladen können. Gemäss CLIA sind bereits über 40 Prozent der weltweiten Cruiseliner damit ausgerüstet, bei MSC sind es 67 Prozent – laufend kommen mehr dazu. Allerdings bieten noch viel zu wenig Häfen diese Möglichkeit an. Aktuell sind es in Europa erst deren 12, bis 2026 sollen es 26 Häfen sein. Und Voraussetzung ist natürlich, dass der bezogene Strom «grün» ist.  

«Die sauberste Energie ist die, die wir gar nicht erst verbrauchen, und die MSC Euribia wurde nach diesem Prinzip gebaut», sagt MSC-Chef Vago. Einsparungen werden baulich mit der Form des Schiffsrumpfes oder dem Unterwasseranstrich erzielt. An Bord sorgen LED-Beleuchtung, smarte Klimaanlagen und weitere Systeme für mehr Effizienz. Die Abwärme der Motoren wiederum wird zur Energiegewinnung genutzt. Gross ist das Potenzial bei der Routenplanung: Bis zu 20 Prozent Energie lässt sich mit kürzeren Strecken und geringerer Geschwindigkeit einsparen. 

Viele dieser Ansätze werden heute auf neuen Schiffen umgesetzt, so auch auf der MSC Euribia. «Die Euribia stösst 44 Prozent weniger Treibhausgas pro Tag und Passagier aus als Schiffe, die vor zehn Jahren gebaut wurden», erklärt Vago.

Doch das Dilemma ist ein anderes: Die grosse Zahl der älteren Kreuzfahrtschiffe kann mit wenigen Ausnahmen baulich nicht nachgerüstet werden; dies wäre auch ökonomisch viel zu aufwendig. Deshalb gilt generell – auch für LNG-Schiffe: Erst neue, klimaneutrale Treibstoffe werden den entscheidenden Schritt in die angestrebte Klimaneutralität ermöglichen. 

Wundermittel Wasserstoff?

«Es ist wichtig, dass Schiffe, die heute gebaut werden, für die neuen Kraftstoffe bereit sind», sagte MSC-Chef Vago. Im Fokus stehen synthetische, auf Wasserstoff basierende Treibstoffe, die unter dem Einsatz von erneuerbarem Strom gewonnen werden und sowohl klimaneutral wie emissionsfrei sind.

Doch die geringe Dichte von Wasserstoff im gasförmigen Zustand verlangt viel zu grosse Tanks, und zur Verflüssigung müsste er auf minus 263 Grad hinuntergekühlt werden – ein Riesenproblem. Als Träger für Wasserstoff wird deshalb grünes Methanol gehandelt, das wesentlich einfacher zu handhaben ist. Methanol kann sowohl für moderne Verbrennungsmotoren eingesetzt wie über einen Reformer in Wasserstoff für Brennstoffzellen umgewandelt werden. Solche Brennstoffzellen werden heute bereits auf ersten neuen Schiffen getestet. 

Der Durchbruch neuer Treibstoffe dürfte noch lange Jahre dauern – und sehr teuer werden.

Bei dieser Technologie wird in einem elektrolytischen Prozess mit Wasserstoff und Sauerstoff klimaneutraler Strom gewonnen. Bloss sind Brennstoffzellen noch weit davon entfernt, in grossem Massstab die geforderten Leistungen zu liefern. Vorerst sind erst gewisse Energieanteile an den Stromverbrauch möglich. Ob sie je für den Antrieb eines Schiffes infrage kommen, hängt von der weiteren Entwicklung ab. 

Auch Ammoniak wird vereinzelt als Alternative diskutiert, wobei diese stark riechende und äusserst giftige Chemikalie für Kreuzfahrtschiffe kaum als Treibstoff infrage kommen dürfte. Und was die Produktion und globale Verfügbarkeit zu marktfähigen Preisen von grünem Methanol angeht, ist man noch weit von den Zielvorstellungen entfernt. Sönke Diesener vom Nabu gibt zu bedenken: «Um die nötige Menge herzustellen, ist sehr viel regenerativer Strom erforderlich.» Und an diesem mangelt es weltweit.

Der Durchbruch neuer Treibstoffe dürfte deshalb noch lange Jahre dauern und hohe Kosten binden – bis dahin kann Sophia Loren noch einige neue Schiffe taufen. Gleichwohl: Auch die Kreuzfahrt hat auf dem Weg zur Klimaneutralität Fahrt aufgenommen.