Arbeiten und leben auf dem SchiffDrei Jahre Kreuzfahrt – Gefängnis und Leichenschauhaus inklusive
135 Länder, 375 Häfen – und das für 27’800 Franken im Jahr: Ein Unternehmen bietet digitalen Nomaden ein Abenteuer auf hoher See mit Steuervorteilen an. Die Details haben es in sich.
Die Welt, das darf man ausnahmsweise pauschal sagen, teilt sich in zwei Arten Menschen: Solche, die Kreuzfahrten ablehnen. Über Wochen die gleichen Menschen, das gleiche Essen, die gleichen Wege, Hölle. Und die anderen: gleicher Pool, gleiches Bett, gleiches Personal, Himmel. Letztere sind, wissend grinsend, der Überzeugung, dass Erstere es «nur mal probieren müssten», um bekehrt zu werden.
Diesen Graben könnte nun ein Angebot überbrücken, das Skeptiker zumindest in Versuchung führen dürfte. Drei Jahre Kreuzfahrt lautet es, 135 Länder, 375 Häfen, in der günstigsten Variante mit Innenkabine für 27’800 Franken pro Jahr. «Life at Sea Cruises» heisst das türkische Unternehmen, das in einem luftigen Video einen Alltag mit Meer, Pool und Büro bewirbt.
Steuervorteile auf hoher See
Mit dem Angebot reagiert die Firma nicht nur auf sehr aktuelle Wünsche, Märzgrau und Krankheitlangeweile, kurz: mitteleuropäischen Winter. Sondern auch auf sehr zeitgeistige Bedürfnisse: in der Welt unterwegs sein und arbeiten, keinen schnöden ÖV-Mensa-Supermarkt-Alltag, jeden Abend Instagram-taugliche Sonnenuntergänge.
Was könnte das Herz in Zeiten von Krisen, Krieg und Pandemie mehr erfreuen als Schiff gewordene Wirklichkeitsflucht. Fast schon teuflisch mutet die Ausstattung an: Reinigung, Wäsche, Getränke, Internet, Fitnessstudio und Pool sind inklusive. Da scheinen selbst 168’000 Franken für drei Jahre als Paar nicht teuer.
Auch weil man, so der Anbieter, Steuervorteile hat, wenn man nicht fest in einem Land lebt. Noch günstiger wirkt es, wenn man bedenkt, dass niemand weiss, wie teuer Butter kommendes Jahr sein wird und in mancher Schweizer Stadt die Mieten so hoch sind, dass am Ende des Monats kaum Geld übrig bleibt. Zumal zum Schiff eine Bibliothek, Tanzkurse und Single-Events gehören, für diejenigen, die auf dem Meer auch den perfekten Partner finden wollen.
Es gibt auch ein Gefängnis an Bord
Doch schon dieses Detail wirft Fragen auf: Was, wenn man sich an Bord verliebt, entliebt und hasst in wenigen Wochen?
Die schönsten Fragen aber – und die gruseligsten Antworten – stehen im Bereich der häufigst gestellten Fragen auf der Website des Anbieters: Gibt es einen Dresscode? Ja, «was auch immer die Gäste für bequem und passend halten für die jeweilige Aktivität». Was Menschen für angemessen halten bei Videokonferenzen, weiss man nach drei Jahren Pandemie leider zu gut.
Gibt es einen Geldautomaten? Nein, nur eine vorab zu ladende Karte. Wie lang dauert die Reise? «Die Kreuzfahrt dauert drei Jahre.» Kein Verweis auf frühere Ausstiegsoptionen oder besondere Umstände, unter denen man früher runter darf.
Wem das noch nicht unheimlich ist, der sollte die Frage «Was, wenn ich an Bord sterbe?» anklicken. Man habe bei «Life at Sea» Leichenschauhäuser an Bord, mehrere. Immerhin: «Wir werden mit ihrer Verwandtschaft die Erfüllung ihrer letzten Wünsche organisieren», so der Anbieter.
Wer nun Sorge hat, dass er 1095 Tage an Bord doch nicht aushält, kann beruhigt sein. Zum einen gibt es ein medizinisches Team, auch wenn die Behandlung extra kostet. Zum anderen ist für möglicherweise durchdrehende Gäste vorgesorgt. Nachzulesen auf die Frage «Was, wenn jemand an Bord ein Verbrechen begeht?» ist nämlich: «Wir haben unseren eigenen Sicherheitsdienst und sogar ein eigenes Gefängnis.»
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