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Der Boyband-Macher
Wie Lou Pearlman die ganze Welt an der Nase herumführte

Lou Perlman during Otown. (Photo by Jeff Kravitz/FilmMagic, Inc)
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Die neue Netflix-Minidokureihe «Dirty Pop: The Boy Band Scam» beleuchtet den grössten und am längsten andauernden Ponzi-Betrug in der Geschichte Amerikas. Während über dreissig Jahren hat Lou Pearlman knapp 2000 Menschen um insgesamt schätzungsweise 500 Millionen Dollar betrogen. Im Zentrum stehen der verurteilte Pearlman und seine Boybands. In der Serie kommen ehemalige Bandmitglieder, Pearlmans Freunde und Geschäftspartner zu Wort. Und jene, die seine millionenschwere Masche damals auffliegen liessen.

Alle kannten und feierten ihn: Lou Pearlman, der von seinen Boyband-Schützlingen liebevoll Big Poppa genannt wurde. Die Investoren standen bei ihm ebenso Schlange wie Teenager, die gross rauskommen wollten. Sie alle einte der Wunsch nach ebenjenem Reichtum, den Pearlman ihnen vorlebte.

Wie alles seinen Anfang nahm

Zu Beginn der 80er stieg Pearlman in das Luftschiff-Business ein. Danach begann er, Flugzeuge zu chartern und nach eigenen Angaben an Promis wie Madonna und Michael Jackson weiterzuvermieten. Als er von der Boyband New Kids on the Block einen Auftrag erhielt, konnte er nicht glauben, dass sich Jungs in diesem Alter ein Flugzeug leisten konnten, und fand, dass er «im falschen Business» sei. Da stand fest: Er musste seine eigene Boyband gründen.

Er castete in Orlando Nick Carter, AJ McLean und Howie Dorough. Kurz darauf kamen Kevin Richardson und sein Cousin Brian Littrel hinzu, und die berüchtigten Backstreet Boys waren geboren. Er investierte Geld in ihr Gesangstraining, engagierte Choreografen und liess sie an seinem Luxus teilhaben. In grossen Tourbussen wurden die Jungs von Schule zu Schule gefahren, um dort aufzutreten, lange bevor die Backstreet Boys zum Markennamen wurden.

NEW YORK - MARCH 6:  Record impresario Lou Perlman and singer Aaron Carter attend the 6th Annual T.J. Martell 'Family' Day' Indoor Carnival Benefit at Cipriani's Fifth Avenue March 6, 2005 in New York City.
(Photo by Evan Agostini/Getty Images)

Wo Cola ist, muss auch Pepsi folgen

Als die Backstreet Boys nach ihrem Erfolg in Deutschland auch in den USA an Bekanntheit gewannen, blieb Pearlman berechnend pragmatisch: «Ich dachte mir: Wo es McDonald’s gibt, gibt es Burger King, wo es Coca-Cola gibt, gibt es Pepsi. Und wo es die Backstreet Boys gibt, wird es jemand anderen geben. Irgendwer wird dafür sorgen. Warum nicht wir selbst?» Und so castete er die nächste Boygroup, die weltweit Mädchen im Teenager-Alter zu Kreischanfällen anstiftete: *Nsync. Auch diesen jungen Männern zeigte er, was sie mit harter Arbeit erreichen können: ein Leben in Saus und Braus. Die Backstreet Boys fühlten sich indessen wie ein Einzelkind, das sein gigantisches Zimmer plötzlich mit seinem jüngeren Geschwister teilen muss.

Die Schützlinge wenden sich gegen ihn

Als die Backstreet Boys nach 10 Millionen verkauften Platten ihren ersten Zahltag erhielten, staunten sie nicht schlecht über die mickrige Summe von ungefähr 10’000 Dollar pro Person. Als Pearlman ihnen nicht mehr bezahlen wollte, taten sie sich mit den Mitgliedern von Rivale *Nsync zusammen und zogen vor Gericht. Für 64 Millionen Dollar konnten sich die Bandmitglieder aus dem Vertrag mit Pearlman «herauskaufen», wie er selbst in seinem Buch «Bands, Brands, and Billions» schrieb und sein damaliger Anwalt vor laufender Kamera erzählte.

MIAMI - JUNE 06:  Lou Pearlman poses with N'Sync Chris Kirkpatrick,  JC Chasez,  Lance Bass,  Joey Fatone and Justin Timberlake seen at N.Y.P.D. pizza in Miami, circa 1996. (Photo by Mark Weiss/WireImage)

Pearlman legt sich mit dem Falschen an

Derselbe Anwalt, der ihm zum 64-Millionen-Deal verhalf, wird wenig später einer derjenigen, die seinen Untergang besiegeln. Die 16 Millionen Dollar, die er als Entschädigung für seine Arbeit hätte bekommen sollen, erhielt er nie. Und so beschloss auch er, über ein Gericht an sein Geld zu kommen. Ungefähr zur gleichen Zeit werden zudem andere Personen, unter anderem eine Angestellte des Florida Office of Financial Regulation, auf die überhöhten Versprechen aufmerksam, die Pearlmans Firma Transcontinental ihren Investoren, zu denen auch viele seiner eigenen Freunde und deren Familien gehörten, machte. 2006 zieht sich die Schlinge um Lou Pearlmans Hals langsam zu. Betrogene Investoren gehen mit ihrer Geschichte an die Medien, erzählen ihren Bekannten davon, und immer mehr Menschen wollen ihr Geld zurück.

Die Flucht vor den Behörden

Pearlman begab sich auf die Flucht. Seinen Freunden erzählte er, er sei eine Weile in den Ferien. Wenige Wochen später durchsuchte das FBI sein Büro an der Church Street Station in Orlando und sein Zuhause. Er reiste nach Dublin, Berlin, Spanien und Panama und checkte schliesslich in Bali in ein Hotel ein, wo er gesichtet und schlussendlich festgenommen wurde. Die Behörden stellten unter anderem fest, dass er mit seiner Flugzeugvermietungsfirma gar keine Geschäfte tätigte, sondern sie nur für seinen Ponzi-Betrug nutzte. Er fälschte Kontoauszüge und Steuererklärungen und schuf eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, um seine krummen Geschäfte zu verstecken. Er ging ausserdem von Bank zu Bank, um sich neue Kredite einzuholen, mit denen er die alten Kredite abbezahlen konnte.

Sein einsames Ende

Im Mai 2008 wurde er zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Richter garantierte ihm einen Straferlass von einem Monat für jede Million, die er dem Staat zurückbezahlen kann. Eine Operation wegen seiner entzündeten Herzklappen überlebte er nicht. Und so wurde der grosse Lou Pearlman im Beisein von nur fünf Personen beerdigt – in einem Grab ohne Grabstein.