«Those About to Die» mit Anthony HopkinsEin alternder Kaiser als Sinnbild für Joe Biden
In Roland Emmerichs «Those About to Die» muss sich Anthony Hopkins als alternder Kaiser dringend um seine Nachfolge kümmern. Parallelen zur Gegenwart: nicht ausgeschlossen.

Anthony Hopkins gehört zur Sorte der Schauspiellegenden, die nur kurz auftauchen müssen, um einen Film oder eine Serie zu prägen. Mal davon abgesehen, dass er ein «Marquee Name» ist, also einer, dessen Name dafür sorgt, dass Projekte finanziert werden, weil das Publikum automatisch kommt, wenn sie oder er dabei ist. Und so ist Roland Emmerichs Serie «Those About to Die» von dem Moment an ein Anthony-Hopkins-Vehikel, in dem er als römischer Kaiser Vespasian ins Bild tritt.
Er ruht da ganz in sich inmitten der Dramen, die im alten Rom schon ihren Lauf genommen haben. Nicht nur das, seine Präsenz adelt in ihrer Zurückgenommenheit die Schauspielarbeit des gesamten eher unprominenten Ensembles, das nun auf Augenhöhe mit einem zweifachen Oscarpreisträger mit einer Film- und auch ein wenig Fernseherfahrung von über sechzig Jahren ist.
Hopkins taucht gar nicht so oft auf, aber ihn als Anker der Geschichte auf dem Kaiserthron zu installieren, ist nur einer der Kunstgriffe, die Regisseur Roland Emmerich und der Drehbuchautor und Showrunner Robert Rodat (der für «Der Soldat James Ryan» ebenfalls einen Oscar bekam) anwenden, um das Sandalen-Epos aus dem ersten Jahrhundert für die flatternden Aufmerksamkeitsspannen der Gegenwart fit zu machen.
«Those About to Die» hat zahlreiche Handlungsstränge
Immerhin wagen sie sich an ein Genre, das in Hollywood mal als Synonym für Langatmigkeit galt. «Ben Hur», «Cleopatra», «Spartacus» – dauern alle drei bis vier Stunden. Nun kommt «Those About to Die» auf rund zehn (in zehn Folgen), aber da funktioniert die Dramaturgie nicht als Basis für den Monumentalismus der Technicolor-Jahre, sondern als Beschleuniger fürs Fernsehen.
Noch so ein Kunstgriff ist das Knäuel aus Handlungssträngen, von denen jeder für sich schon eine Serie tragen würde. In den Katastrophenfilmen von Roland Emmerich sind die Standard und ziehen einen durch sämtliche Emotionen, die so ein Weltuntergang so mit sich bringt. In seinem alten Rom hingegen sind das Geschichten, die auch in der Moderne spielen könnten.
Cala zum Beispiel, alleinerziehende Mutter in der afrikanischen Kolonie. Ihr Sohn ist der sehr kämpferisch erwachsene Kwame, der für die römischen Händler wilde Tiere für den Zirkus jagt. Seine halbwüchsigen Schwestern wehren sich gleich in der ersten Folge gegen einen übergriffigen Legionär, und als der gewalttätig wird, erstechen sie ihn. Woraufhin sie von einer Patrouille aufgegriffen und in die Sklaverei verbannt werden. Ihr Bruder entdeckt sie, will sie befreien, wird selbst versklavt. Die Mutter fasst einen Plan. Sie plant, ihre Kinder zurückzukaufen.

Auch Kwame landet in der Sklaverei, wird an das Gladiatorencamp des Kaisersohns Domitian verkauft. Und von da an nimmt die Handlung einen solch steilen Verlauf, dass man sofort in der Spoiler-Kurve landen würde. Eines sei aber verraten: Eine Schlüsselfigur, die da in den Handlungsstrang tritt, ist Tenax, Chef eines Wettbüros im Kolosseum.
Roland Emmerichs Rom ist kein Turbo-Rom
Der wiederum sieht sein Geschäft vor allem als Mittel zur Macht. Ein eigenes Team für die Wagenrennen möchte er aufstellen, denn dort sind jeweils die einflussreichsten Machtgruppen vertreten. Tenax wiederum verbündet sich mit Domitian, der mit seinem Bruder Titus um die Nachfolge ihres Vaters auf dem Kaiserthron konkurriert.
Der wiederum Brotaufstände und Intriganten niederschlagen muss. Noch dabei? In der Serie nimmt das alles ziemlich Tempo auf. Wobei Schnittfolge und Dialoge sich von den modernen Geschwindigkeiten nicht beirren lassen. Emmerichs Rom ist kein Turbo-Rom, ein Rest antiker Würde und Gemächlichkeit bleibt.
Gedreht wurde das alles in Roms Cinecittà. Das Monumentale, also die Stadt, die Paläste, das Kolosseum, kommen aus dem Computer. Weil Roland Emmerich aber nicht nur einer der erfolgreichsten Blockbuster-Regisseure, sondern auch ein Pionier der CGI-Effekte ist. Deswegen ist in den Totalen eine panoramische Pracht, die er dann wieder mit der beklemmenden Enge in den Stadtschluchten konterkariert.
Joe Biden als Vorbild von Vespasians Kämpfen gegen Gier und Machtgeilheit?
Warum aber, das sollte man noch fragen, spielt Anthony Hopkins den Vespasian? Der gilt als einer der vernünftigsten, umsichtigsten und deswegen nicht zwingend aufregendsten Kaiser. Und ist nicht jede Geschichte der Antike automatisch eine Metapher? Angesichts der drohenden zweiten Ära Trump denkt man erst einmal an Nero, Commodus oder Caligula. Die Serie entstand aber in der Erholungsphase, als mit Joe Biden ein Mann der Vernunft und Besonnenheit an die Macht kam. Da sind Vespasians Kämpfe durchaus eine historische Parallele: der alternde Kaiser, der sich gegen Gier, Machtgeilheit und Unruhen wehren muss und nach einer Nachfolge sucht.
Vespasian folgte auf die Wahnsinnsherrschaft von Nero und das Chaos des Jahres 69. Das ging als «Vierkaiserjahr» in die Geschichte ein, weil auf den Bürgerkriegstumult nach der Flucht und dem Tod Neros erst einmal drei Machtwechsel folgten. Bis Vespasian die wichtigsten Legionen auf seine Seite brachte und den Thron eroberte. Schuldenabbau, Steuerreform und fürs Volk die «Brot und Spiele»-Politik waren die Heldentaten des neuen Kaisers. Weswegen die Geschichten von «Those About to Die» dann vor allem um das neu erbaute Kolosseum rotieren. Dort spielen sich die Actiondramen ab, die Kämpfe, Rennen und Grausamkeiten. Da hält sich die Serie an die Vorlage des gleichnamigen Sachbuchs, das schon Ridley Scotts «Gladiator» inspirierte.
Das Spektakel entwickelt genügend Zentrifugalkräfte, um die Intrigen und Verwicklungen unter Strom zu setzen. Auch, weil die Aufmerksamkeit auch im Qualitätsfernsehen für Erwachsene im Jahre 2024 a. D. doch anders gekitzelt werden muss als die der Menschen in den Kinosälen jener Zeit, als Anthony Hopkins seine ersten Rollen spielte.
«Those About to Die» läuft auf Amazon Prime.
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