Feuerkatastrophe an US-Westküste«Teufelshauch»: Was sind eigentlich die Santa-Ana-Winde? Und welche Faktoren spielen noch mit?
In Kalifornien liess enormer Regen Unmengen Pflanzen wachsen. Das begünstigt die Brände. Neben Klimaaspekten spielt auch das Bevölkerungswachstum eine Rolle.

Die katastrophalen Brände in Los Angeles an der US-Westküste werden von heftigen Winden immer wieder angefacht. Verantwortlich sind die berühmt-berüchtigten Santa-Ana-Winde, die bei den Menschen in Kalifornien auch als «Teufelshauch» (auf Englisch «Devil’s breath») bekannt sind. Was hat es damit auf sich?
Meteorologen bezeichnen die Santa Anas als «trocken-warmen Föhnwind», der vor allem im Spätherbst und Winter regelmässig in Erscheinung tritt. Dann ströme die Luft vom Hochplateau zwischen den Rocky Mountains und der Sierra Nevada in Richtung Pazifik, erwärme sich durch den Höhenabfall und die Durchquerung der Mojave-Wüste erheblich und erreiche dann als extrem trockener und heisser Wind die Küsten Kaliforniens, so die Wetterexperten.
Was zeichnet die Santa-Ana-Winde aus?
Weil er sich dabei durch enge Pässe und Canyons zwänge, erreiche er sehr hohe Geschwindigkeiten. «Wenn Sie einen Gartenschlauch nehmen, durch den Wasser fliesst, und die Öffnung verengen, erhöhen Sie die Wassergeschwindigkeit und beobachten einen ähnlichen Effekt», schreibt die University of California dazu.
Wenn die Santa Anas wehen, können in Los Angeles die Temperaturen selbst im Winter auf 30 Grad steigen. Gepaart mit ihren hohen Windgeschwindigkeiten von teilweise 100 Kilometer pro Stunde, dem Entzug von Luftfeuchtigkeit und längeren Trockenperioden machen sie die Region sehr anfällig für Waldbrände.
Woher kommt der Name?
Die häufigste Erklärung ist, dass der Wind nach dem Santa Ana Canyon im Orange County im Süden Kaliforniens benannt wurde. Er hat aber noch weitere Spitznamen, wie Teufelswind oder auch Roter Wind. Die Santa-Ana-Winde wurden zudem schon häufiger in der Literatur sowie in Filmen und Musik erwähnt. Die Beach Boys brachten 1980 einen Song mit dem Titel «Santa Ana Winds» heraus, in dem sie das Phänomen treffend als «Feuerwind» bezeichnen.
Welche Faktoren spielen sonst noch mit?
Der Süden Kaliforniens erlebt gerade die schwersten Brände in einem Winter seit mehr als 40 Jahren. Normalerweise lodern zu dieser Jahreszeit keine Feuer, aber in diesem Jahr kommen neben den ungewöhnlich stark peitschenden Santa-Ana-Winde weitere Faktoren zusammen:
Zum einen ist die extreme Dürre vergangener Jahre zurückgekehrt. Zum anderen kamen in der jüngsten Zeit Wetterkapriolen dazu – mit enormen Regenmengen, die Unmengen Pflanzen wachsen liessen, gefolgt von Rekordtemperaturen, bei denen diese Pflanzen vertrocknet sind und jetzt wie Zunder wirken. Dazu ist der Jetstream ungewöhnlich stark und erfasst viele überirdische Stromleitungen.

Experten zufolge führt all dies dazu, dass sich die Wald- und Buschbrände gerade in einen tödlichen urbanen Flächenbrand verwandeln. In den Vergangenen Jahrzehnten seien im Zuge der globalen Erwärmung im Westen der USA «winzige, mächtige und schnelle» Brände ausgebrochen, sagt die Brandforscherin Jennifer Balch von der University of Colorado. Sie veröffentlichte im vergangenen Oktober eine Studie in der Fachzeitschrift «Science», in der 60’000 Brände seit 2001 untersucht wurden.
Die Studie ergab, dass sich die Häufigkeit der am schnellsten wachsenden Brände seit 2001 mehr als verdoppelt hat und diese weitaus mehr Zerstörung anrichteten als langsamere, grössere Brände. Normalerweise sind Brände im Sommer grösser, aber sie kommen nicht annähernd so schnell voran. Winterbrände «sind viel zerstörerischer, weil sie viel schneller entstehen» sagt der Brandforscher Jon Keeley von der wissenschaftlichen US-Bundesbehörde Geological Survey. «Die Feuer sind schneller geworden», sagte Balch. «Als Hauptursache vermuten wir eine Klimaerwärmung, die das Brennen von brennbarem Material erleichtert, wenn die Bedingungen stimmen.»
Ist der Klimawandel Schuld?
Es gebe keinen sicheren Zusammenhang zwischen den Santa-Ana-Winden – Böen aus dem Osten, die die Berge herunterkommen, an Geschwindigkeit gewinnen und auf die Küste treffen – und dem vom Menschen verursachten Klimawandel, sagt der Klimawissenschaftler Daniel Swain vom California Institute for Water Resources. Aber eine Bedingung, die zu diesen Winden geführt habe, sei ein grosser Temperatursturz beim Jetstream – dem Luftstrom, der Wettersysteme über den Globus bewegt. Dieser habe dazu beigetragen, kalte Luft in die östlichen zwei Drittel der USA zu bringen, sagt der Klima- und Brandwissenschaftler John Abatzoglou von der University of California Merced. Andere Wissenschaftler haben solche Einbrüche des Jetstreams vorläufig mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht.

Die Santa-Ana-Winde träten immer später im Jahr auf und verlagerten sich vom trockeneren Herbst in den feuchteren Winter, sagt Experte Keeley. Normalerweise würde das die Brandgefahr verringern, aber die Zeiten seien nicht normal. Nach zwei nassen Wintern, in denen ein «atmosphärischer Fluss» genanntes Wetterphänomen der Region mehrfach riesige Wassermengen brachte und das Pflanzenwachstum anregte, trocknete eine schnell einsetzende Dürre die Pflanzen aus und schuf damit laut Swain und Abatzoglou perfektes Brennmaterial. Laut Swain treten diese Wetterkapriolen immer häufiger auf. Es bestehe ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den häufigeren trockenen Herbst- und Winterperioden, die Bränden Vorschub leisten, sagt Swain.
Diese verheerenden Brände könnten ohne die trockenen und heissen Bedingungen nicht entstehen, und ohne die extremen Windgeschwindigkeiten würden sie auch nicht lodern, sagen Abatzoglou und andere Experten.
«Es ist einfach die perfekte Anordnung aller Faktoren in der Atmosphäre, um dieses Muster und den starken Wind zu erzeugen», sagt Tim Brown, Direktor des Western Regional Climate Center. «Die Auswirkungen nehmen mit zunehmender Windgeschwindigkeit exponentiell zu», sagt der Brandforscher Mike Flannigan von der Thompson Rivers University in Kanada. Wenn die Feuerwehrleute die Flammen innerhalb von etwa zehn Minuten erreichten, könne die Ausbreitung eingedämmt werden, aber «nach 15 Minuten ist es zu spät, und es ist vorbei.»
Welche Rolle spielt das Bevölkerungswachstum?
«Ich denke, dass wir das Thema aus der Perspektive der globalen Veränderungen betrachten müssen», sagt Keeley. «Das Klima ist nur eine globale Veränderung. Eine der anderen wichtigen globalen Veränderungen ist sicherlich das Bevölkerungswachstum. Und Kalifornien ist in den vergangenen 20 Jahren mit einer phänomenalen Geschwindigkeit gewachsen. Wenn mehr Menschen hinzukommen, gibt es auch mehr Stromleitungen und damit mehr Möglichkeiten für Defekte.»

Die Auslöser für die jüngsten Brände müssen zwar noch ermittelt werden, aber Flannigan geht davon aus, dass es sich dabei um Stromleitungen handelt, die durch starke Winde zu Fall gebracht wurden. Das war der Auslöser für die verheerenden Brände in Kalifornien in den Jahren 2016 und 2017, was dazu führte, dass der Energieversorger Pacific Gas & Electric nach Klagen in Höhe von 30 Milliarden Dollar Konkurs anmelden musste.
Dazu steigt auch das Ausmass der Schäden. Die aktuellen Brände haben nach ersten vorsichtigen Berechnungen gewaltige Schäden hinterlassen. Laut einer vorläufigen Schätzung des privaten US-Wetterdienstes Accu-Weather, das auch die Auswirkungen von Unwettern bemisst, könnten sich die Kosten der Schäden auf 57 Milliarden Dollar belaufen und der Gesamtschaden und die wirtschaftlichen Verluste dürften bei 135 bis 150 Milliarden Dollar liegen.
Warum brechen Brände im Winter aus?
Eine Analyse von 423 kalifornischen Waldbränden seit 1984 mit einem Umfang von mindestens 39 Quadratkilometern, zeigt, dass nur vier von ihnen während des Winters loderten. Etwa zwei Drittel dieser grösseren Brände brachen im Juni, Juli oder August aus. Bundesdaten zeigen, dass in Kalifornien seit 1984 in einem Januar nur sechs Waldbrände mehr als fünf Quadratkilometer verwüstet haben. Bis zu den aktuellen Palisades- und Eaton-Bränden war der grösste Brand das Viejas-Feuer, das 2001 in den Bergen östlich von San Diego gut 44 Quadratkilometer verwüstete.
«Waldbrände im Winter sollten ein Widerspruch in sich sein», sagt Balch von der Universität von Colorado. «Weil die Temperaturen fallen und wir Niederschläge bekommen. – Wir sollten Niederschläge bekommen.» Früher hätten die Feuerwehrleute von Feuersaisons gesprochen, sagt David Acuña, Einsatzgruppenleiter bei der Feuerwehrbehörde Cal Fire: «Jetzt sprechen wir von Feuerjahren.»
DPA/oli
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