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Einfluss von Feinstaub
Schlechte Luft wirkt sich klar negativ auf die Marathonzeiten aus

Kelvin Kiptum überquert die Ziellinie und gewinnt das Elite-Rennen der Männer beim London Marathon 2023.
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In Kürze:
  • Pro Mikrogramm Feinstaub verlängert sich die Marathonlaufzeit bei Männern um 32 Sekunden.
  • Eliteläuferinnen und -läufer reagieren besonders empfindlich auf verschmutzte Luft bei Wettkämpfen.
  • Auch beim Zürich Marathon ist mit einem Einfluss der Luftbelastung auf die Laufzeiten zu rechnen.
  • Schweizer Grenzwerte für Feinstaub entsprechen nicht den aktuellen WHO-Empfehlungen.

Bei seinem Weltrekordlauf am 8. Oktober 2023 in Chicago blieb die Zeit für Kelvin Kiptum bei knapp über zwei Stunden stehen. Nur 35 Sekunden fehlten dem Kenianer, um seine Laufzeit unter die Schallmauer von zwei Stunden über die Marathondistanz zu drücken.

Gemäss einer aktuellen Studie hätte etwas bessere Luft am Tag des Marathons vielleicht genügt, und Kiptum hätte dieses grosse Ziel erreicht. Denn schon ein paar Millionstel Gramm weniger Feinstaub pro Kubikmeter Luft kann die Marathonzeit substanziell verbessern, berichten Forschende im Fachmagazin «Sports Medicine».

Die Studie von Forschenden der Brown University School of Public Health in den USA untersucht den Zusammenhang zwischen der Konzentration von Feinstaub in der Luft und den Zielzeiten von Marathonläufen. Konkret ging es um Feinstaub mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Millionstel Metern, genannt PM2,5. Diese winzigen Partikel sind für das blosse Auge unsichtbar und so klein, dass sie tief in die Lunge eindringen können. Sie entstehen unter anderem im Strassenverkehr, bei Verbrennungsvorgängen im Haushalt, bei Produktionsprozessen in der Industrie und durch die Landwirtschaft.

Laufzeiten der Männer um 32 Sekunden, der Frauen um 25 Sekunden langsamer

Die Forschenden analysierten mehr als 2,5 Millionen Zielzeiten von Männern und Frauen bei neun grossen US-Marathons über den Zeitraum von 2003 bis 2019. Die Zeiten verknüpften sie mit Feinstaubkonzentrationen. Dies gelang mit einem maschinellen Lernmodell, das die Feinstaubkonzentration anhand punktuell verfügbarer Messdaten für die gesamten Laufstrecken abgeschätzt hat.

Das Resultat: Für jedes zusätzliche Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft verlängerten sich die durchschnittlichen Laufzeiten um 32 Sekunden bei den Männern und um 25 Sekunden bei den Frauen. Besonders stark verlangsamten sich die Laufzeiten bei Läuferinnen und Läufern, die schneller waren als der Durchschnitt, also bei der Elite.

«Denken Sie an die Mühe, die Zeit und das Geld, die ein professioneller Läufer wie Eliud Kipchoge aufwendet, um den Weltrekord zu brechen und einen Marathon in weniger als zwei Stunden zu laufen», sagt Elvira Fleury, Co-Autorin der Studie, die mittlerweile an der Harvard University arbeitet. «Läufer auf diesem Niveau machen sich Gedanken über ihre Ausrüstung, ihre Ernährung, ihr Training, die Strecke und sogar das Wetter. Unsere Ergebnisse zeigen, dass diejenigen, die ihre sportliche Leistung optimieren wollen, auch die Auswirkungen der Luftverschmutzung berücksichtigen sollten.»

Schlechteste Luft beim Marathon in Los Angeles

Im Vergleich verschiedener Marathonläufe kann die Luftqualität um deutlich mehr schwanken als um ein Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft (μg/m³). Bei den Marathonläufen in Los Angeles war die geschätzte PM2,5-Konzentration mit 12,04 μg/m³ im Mittel am höchsten, während der Twin Cities Marathon in der Metropolregion Minneapolis-Saint Paul im Mittel die sauberste Luft aufwies (4,65 μg/m³).

Das bedeutet: Die stärker mit Feinstaub belastete Luft in Los Angeles könnte die Marathonlaufzeiten im Vergleich zum Wettkampf in den Twin Cities im Mittel um mehr als drei Minuten verlängert haben.

Bei rund 40 Prozent der untersuchten Wettkämpfe lag die PM2,5-Konzentration über dem in den USA geltenden Jahresmittelgrenzwert von 9 μg/m³. Die PM2,5-Werte lagen allerdings nie über dem in den USA als Tagesmittel definierten Grenzwert von 35 μg/m³. «Dies deutet darauf hin, dass die potenziellen Auswirkungen von PM2,5 auf die Leistung bei Marathonläufen schon bei Werten unterhalb der aktuellen gesundheitsbezogenen Normen auftreten können», heisst es in der Studie.

Feinstaub auch beim Zürich Marathon relevant

Zum Vergleich: Am Donnerstag dieser Woche lag die PM2,5-Konzentration in Zürich im Mittel bei rund 7 μg/m³ – unter dem Schweizer Jahresmittelgrenzwert von 10 μg/m³, aber über dem Wert beim Twin Cities Marathon. Die Luftqualität kann aber auch deutlich schlechter sein: Am 9. März 2025 erreichte sie in Zürich einen Maximalwert von 19 μg/m³. Der Einfluss der Feinstaubkonzentration auf die Laufzeiten beim Zürich Marathon könnte also durchaus signifikant sein.

«Die Studie ist insofern relevant, als dass sie aufzeigt, wie sich selbst kleine Effekte der Luftverschmutzung auf die Leistung von gesunden, fitten Personen bei einem Marathon auswirken können», sagt Meltem Kutlar Joss vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH), die nicht an der Studie beteiligt ist. «Ich sehe keinen Grund, warum das nicht auch auf den Zürich Marathon übertragbar sein sollte.»

Die längeren Laufzeiten bei schlechter Luft können gemäss der Studie auf eine Verengung von Blutgefässen, auf eine verringerte Lungenfunktion, auf Atemwegsbeschwerden oder möglicherweise sogar auf eine kurzfristige Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten aufgrund hoher Feinstaubwerte zurückzuführen sein. Dass der Effekt bei Männern stärker ist, dürfte damit zu tun haben, dass männliche Marathonläufer aufgrund ihres höheren Atemvolumens grössere Mengen an Feinstaub aufnehmen.

Keine stündliche Schätzung der Feinstaubkonzentration

Die Studie hat gewisse Einschränkungen, wie die Autorinnen und Autoren selbst schreiben. Zum Beispiel lieferte das verwendete Modell nur tägliche und nicht stündliche Schätzungen für die PM2,5-Konzentrationen entlang der Laufstrecken. Und laut Kutlar Joss vom Swiss TPH handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, die keine Kausalität zwischen Luftqualität und Laufzeit nachweisen kann.

«Die Wirkungsmechanismen und bekannte Effekte der Luftbelastung beispielsweise auf die Lungenfunktion lassen dieses Ergebnis aber als plausibel erscheinen», sagt Kutlar Joss. Auch würde die Studie andere für die Laufzeit relevante Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur berücksichtigen. Plausibel sei auch, dass der Effekt vor allem bei den Eliteläuferinnen und -läufern auftrete, da diese weniger stark von anderen Umständen beeinflusst sein dürften als die Amateure.

Für Kutlar Joss ist es auch nicht erstaunlich, dass selbst Luftbelastungen unterhalb der Grenzwerte Einfluss auf die Marathonzeiten haben. Das hat auch Relevanz für die Politik: «In der Schweiz entsprechen die Grenzwerte nicht mehr den aktuellen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO)», sagt Kutlar Joss.

Dennoch sollte man sich wegen der Luftschadstoffe nicht unbedingt von Sport abhalten lassen. Denn trotz reduzierter Laufzeiten durch Luftschadstoffe – Sport im Freien sei gesund, sagt Martin Röösli vom Swiss TPH: «Ausser bei extrem hoher Belastung der Luft mit Schadstoffen ist der gesundheitliche Benefit von Sport höher als das luftschadstoffbedingte Gesundheitsrisiko.»