Wikileaks-Gründer bleibt in London«Keine Assange-Auslieferung ohne US-Garantien»
Der High Court verlangt spezielle Zusicherungen von Washington, bevor er einer Auslieferung Julian Assanges an die USA zustimmt. Damit zieht sich die Saga um den 52-Jährigen weiter in die Länge.
Der seit fünf Jahren in einem Londoner Gefängnis festgehaltene Wikileaks-Gründer Julian Assange muss weiter auf eine Entscheidung über seine Auslieferung an die USA warten, nachdem der Londoner High Court am Dienstag «Zusicherungen» der Vereinigten Staaten zur Bedingung für eine Übergabe Assanges an die US-Justiz gemacht hat.
Zunächst einmal bedeutet das Urteil der beiden High-Court-Richter, dass Assange noch nicht ausgeliefert werden darf. Aber das kann immer noch geschehen. Für den High Court ist jetzt erst einmal Washington am Zug.
Sollten nämlich in den nächsten drei Wochen keine der geforderten Zusicherungen aus den USA in London eingehen, will das Gericht es Assange unmittelbar erlauben, im Vereinigten Königreich neu gegen das amerikanische Auslieferungsbegehren in Berufung zu gehen.
Gehen andererseits entsprechende Garantien ein, würde das Gericht diese prüfen und für den 20. Mai eine weitere Anhörung im High Court ansetzen. In diesem Fall könnte es anschliessend immer noch grünes Licht geben für die Auslieferung.
Bei dem Auslieferungsbegehren geht es darum, dass die US-Justiz Assange der Spionage beschuldigt und ihn dafür verurteilt sehen will. Zur Last gelegt wird dem 52-jährigen Australier die berühmte Wikileaks-Veröffentlichung Hunderttausender von US-Geheimdokumenten, hauptsächlich zum Krieg im Irak und in Afghanistan, in den Jahren 2010 und 2011. Die Dokumente hatte der US-Militäranalyst und Armee-Angehörige Bradley Manning, heute Chelsea Manning, Wikileaks damals zugespielt. (Lesen Sie hier eine Chronologie der Ereignisse um Julian Assange.)
Die Auslieferung Assanges war 2019 von den USA beantragt worden. Ohne weiteres Abwägen stimmte seinerzeit erst der damalige britische Innenminister Sajid Javid und später ein zweites Mal dessen Nachfolgerin Priti Patel dem Begehren zu.
Der Einspruch Assanges führte aber zu langwierigen Prozessen. Assanges Anwälte argumentierten, dass sich ihr Klient bei einer Spionage-Anklage nicht mit dem Verweis aufs «öffentliche Interesse» an den Dokumenten verteidigen könnte und dass Assanges «Verfolgung» durch Washington «politisch motiviert» sei. Letzteres Argument wurde vom High Court am Dienstag zurückgewiesen. Aber in der Frage, welche Rechte ihm bei einer Spionage-Anklage in den USA zustünden, sahen die Richter Klärungsbedarf.
Die zentrale Zusicherung, die sie nun von der amerikanischen Seite bis Mitte April fordern, betrifft die Erlaubnis, dass sich Assange auf das «First Amendment», den ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung, soll berufen können – dass er also mit Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit argumentieren darf in seinem Prozess.
«Schickt uns einen Brief und sagt, dass alles okay ist»
Auch will der High Court bestätigt sehen, dass Assange wegen seiner australischen Staatsangehörigkeit keinen Nachteil hat: dass er vor Gericht nicht anders behandelt würde als ein US-Bürger. Und drittens müsse Assange sicher sein können, dass ihm keine Todesstrafe drohe. Das sei versprochen worden, bleibe aber «denkbar».
Assanges Frau Stella, die selbst Anwältin ist, fand das Gerichtsurteil vom Dienstag «einfach nur erstaunlich». Der High Court habe die USA zu einer «politischen Intervention» aufgefordert: «Schickt uns einen Brief und sagt, dass alles okay ist.» Das sei für die Richter offenbar genug.
In Wirklichkeit sei ihr Mann «ein politischer Gefangener» und das Auslieferungsbegehren «eine Vergeltungsaktion», meinte Stella Assange bitter. Die Biden-Administration solle sich ihre «Zusicherungen» schenken und stattdessen «diesen schändlichen Fall beenden, zu dem es nie hätte kommen sollen», fügte sie an.
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