Arbeitsmarkt in der SchweizLohnerhöhungen reichen nicht aus, um die Teuerung auszugleichen
Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen mit einem durchschnittlichen Zuwachs der Einkommen von 2,3 Prozent im nächsten Jahr. Weil die Personalnot so gross sei, könne aber die traditionelle Zurückhaltung bald enden.

Selten wie zuvor haben Beschäftigte so gute Karten, um höhere Löhne durchzusetzen: Unternehmen fehlt an allen Ecken und Enden Personal, die wirtschaftliche Lage ist derzeit weiter robust, eine Rezession droht auch im kommenden Jahr nicht. Doch dennoch dürften sich die Lohnerhöhungen in Grenzen halten.
Auf Basis einer Firmenumfrage rechnen die Ökonomen der Credit Suisse mit einem durchschnittlichen Lohnplus von 2,3 Prozent im kommenden Jahr. Industrieunternehmen erwarten mehrheitlich Lohnzuschläge von zwei Prozent, im Dienstleistungssektor werden im Schnitt 2,5 Prozent erwartet.
Lohnplus von 2 Prozent für 2022 erwartet
«Diese Lohnsteigerungen werden nicht genügen, um den Rückgang der realen Löhne in den Jahren 2021 und 2022 vollständig zu kompensieren», sagt Emilie Gachet, Ökonomin der Credit Suisse. Sprich: Die Beschäftigten verlieren an Kaufkraft.
So erwarten die CS-Ökonomen für das laufende Jahr im Schnitt ein Lohnplus von durchschnittlich zwei Prozent. Das reicht nicht aus, um die Teuerung auszugleichen. Laut den CS-Prognosen dürften die Preise in diesem Jahr im Schnitt um 2,9 Prozent steigen.
Aus diesem Grund fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund bei den anstehenden Verhandlungen Lohnerhöhungen von 4 bis 5 Prozent. Laut den CS-Erhebungen haben immerhin 15 Prozent der Industrieunternehmen und 20 Prozent der Firmen im Dienstleistungssektor die Löhne in diesem Jahr bereits ausserplanmäsig angehoben.
Spielraum wird nicht ausgeschöpft
Doch stellen die CS-Ökonomen fest, dass der Spielraum für Lohnerhöhungen in der Schweiz in den vergangenen Jahren nicht voll ausgeschöpft wurde. Denn die Löhne stiegen in der Regel langsamer als die Produktivität.
«Die Beschäftigten in der Schweiz sind bereit, kurzfristig auf maximale Lohnsteigerungen zu verzichten, um das Risiko der Erwerbslosigkeit zu reduzieren.»
Steigt die Produktivität, kann ein Beschäftigter bei gleich hohem Arbeitseinsatz mehr Waren und Dienstleistungen produzieren und verschafft so seinem Arbeitgeber mehr Einnahmen. Und hat so eine Grundlage, mehr Lohn zu verlangen.
Wie ist diese Zurückhaltung bei den Löhnen zu erklären? «Man kann dies so interpretieren, dass die Beschäftigten in der Schweiz generell bereit sind, kurzfristig auf maximale Lohnsteigerungen zu verzichten, um das Risiko der Erwerbslosigkeit zu reduzieren», erklärt CS-Ökonomin Gachet.
Ausgetrockneter Arbeitsmarkt
Das hat funktioniert, denn die Jobsicherheit ist hoch, es herrscht Vollbeschäftigung. Vielerorts gibt es sogar eine Personalknappheit. Laut der CS ist das Verhältnis aus offenen Stellen zu Erwerbslosen auf einem Rekordniveau. Sprich, noch nie trafen so viele vakante Jobs auf so wenig Stellensuchende.
Sollte der Arbeitsmarkt in Zukunft grundsätzlich angespannt bleiben, könnte dies Folgen für die Lohnverhandlungen haben: So zweifelt Gachet daran, ob die «systematische Lohnzurückhaltung auch bei grösserer Arbeitskräfteknappheit – wie sie derzeit herrscht – Bestand haben wird».
Allerdings erwarten die CS-Ökonomen für die nächste Zeit zunächst eine leichte Abkühlung am Arbeitsmarkt, denn im Zuge des Ukraine-Kriegs und der damit ausgelösten wirtschaftlichen Verwerfungen dürfte die Schweiz zwar nicht in eine Rezession fallen, das Wachstum wird sich aber abschwächen und damit der Personalbedarf.
Was auch wieder die Ausgangslage der Beschäftigten bei den Lohnverhandlungen verschlechtern würde.
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