Ermittlungen wegen KartellverdachtLohnabsprachen unter Banken – «Da muss eine ‹Smoking Gun› sein»
34 Deutschschweizer Banken könnten sich bei den Löhnen ihrer Angestellten abgesprochen haben. Nun ermittelt die Wettbewerbskommission – aufgrund eines heissen Tipps. Die wichtigsten Antworten.

Um welche Banken geht es?
Die Vorabklärung betrifft 34 Bankinstitute in sechs Deutschschweizer Regionen – bis jetzt jedenfalls. Die Weko sagt, sie könne die Ermittlungen auf weitere Regionen und Banken ausdehnen. Welche Banken unter Verdacht stehen, gibt die Kommission nicht bekannt. Gemäss Direktor Patrik Ducrey sind es Banken aller Kategorien, «von grossen bis kleinen über Privatbanken».
Sie hätten mutmasslich insbesondere Löhne abgesprochen, welche für Lehr- und Studienabgänger gelten sowie für Angestellte mit gewissen Weiterbildungen. Das Verfahren wurde von einer Bank ausgelöst, die sich selbst angezeigt hat. Offenbar wurden die Banken von der Weko sehr kurzfristig kontaktiert. Sie haben am Freitag den Fragenkatalog erhalten, schon am Montag ging die Behörde an die Öffentlichkeit. Für die Banken kam das überraschend.
Wie hat die Weko Verdacht geschöpft?
Wie Ducrey auf Anfrage sagt, hat das Sekretariat der Weko von einer der involvierten Banken eine Selbstanzeige erhalten. «Deren Namen nennen wir nicht», sagt Ducrey. Noch geht es «nur» um eine Vorabklärung. Diese dauere voraussichtlich bis zu ein Jahr. Erst dann soll entschieden werden, ob eine offizielle Untersuchung eröffnet wird.

Gemäss Andreas Kellerhals, Rechtsprofessor an der Universität Zürich, ist die Chance hierfür gegeben. Kellerhals war selber bis 2020 Mitglied der Weko und sagt: «Das Sekretariat ist bei der Eröffnung von Voruntersuchungen generell eher zurückhaltend. Erst recht bei Fallgruppen, die noch nie aufgetreten sind.» Es ist das erste Mal, dass die Weko mögliche Abreden auf dem Arbeitsmarkt untersucht, die kartellrechtlich relevant sein könnten. Kellerhals: «Da dürfte eine ‹Smoking Gun› vorliegen.»
Warum sind Absprachen bei Löhnen problematisch?
Verhandeln Sozialpartner über Löhne, also in kollektiven Verhandlungen, ist dies kartellrechtlich irrelevant. Anders sieht es aus, wenn Unternehmen ausserhalb solcher Verhandlungen Absprachen treffen, die Einfluss auf den Wettbewerb haben könnten. Problematisch sind gemäss Kartellgesetz Abmachungen, die den Wettbewerb «erheblich beeinträchtigen» oder gar beseitigen.
«Wenn alle Banken die gleichen Löhne bezahlen, dürfte das die Banken billiger kommen», sagt Andreas Kellerhals. «Denn dann wissen sie: ‹Meine Angestellten kriegen nirgends mehr.› Also müssen sie auch selber keine höheren Löhne zahlen.» Dies könnte zu einer erheblichen Begrenzung wenn nicht gar einer Beseitigung des Wettbewerbs führen. Insbesondere wenn über 30 Banken involviert sind.
Dass die Banken mit den mutmasslichen Absprachen Mindestlöhne für ihre Mitarbeitenden setzen wollten, hält Kellerhals für wenig wahrscheinlich. «Bei Lohnabsprachen dürfte es Arbeitgebern eher darum gegangen sein, die Löhne nach oben zu begrenzen.»
Auch Weko-Präsident Andreas Heinemann sagt, die Leidtragenden seien die Angestellten: «Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind Anbieter von Arbeit. Sie sollten die Möglichkeit haben, nach Arbeitgebern Ausschau halten zu können, die bessere Bedingungen bieten.» Bei Absprachen, die ohne Sozialpartner und damit ohne Arbeitnehmerinnen stattfinden, werde dieser Mechanismus ausgeschaltet. «Die Arbeitnehmer können sich folglich nicht verbessern.»
Wie reagieren die Banken darauf?
Der Verband Arbeitgeber Banken – er vertritt die Arbeitgeberinteressen der Banken und Finanzdienstleister in der Schweiz – hat von der Weko-Untersuchung aus den Medien erfahren. «Es gibt auf Verbandsebene keine Absprachen zu Löhnen», sagt Geschäftsführer Balz Stückelberger. Zu diesen Themen fänden keine Sitzungen statt, auch gebe es keine Gremien dazu, sagt er.

Der einzige festgesetzte Lohn sei derjenige für Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger. Dieser werde mit den Sozialpartnern verhandelt und liegt momentan bei 56’000 Franken pro Jahr, nächstes Jahr steigt er auf 58’000 Franken. Früher war das anders: Bis 1994 bestand eine mit Sozialpartnern ausgehandelte Lohntabelle, darin waren die Löhne in der Branche festgelegt, wie auch bei den Beamten.
Was droht den Banken, sollte sich der Kartellverdacht erhärten?
Das hängt zuerst einmal von der Beweislage ab. Gemäss Rechtsprofessor Kellerhals wird es «sicher keine einfache Aufgabe» für die Weko, Belege für die bislang mutmasslichen Absprachen zu finden. Ausser die Bank, die Selbstanzeige erstattet hat, kooperiert und liefert beispielsweise schriftliche Vereinbarungen. Da sie bei Kooperation teilweise oder gar gänzlich straffrei bleibt, dürfte die Motivation hoch sein.
Ergeben die Voruntersuchungen der Weko, dass die Banken unzulässige Abmachungen gemäss Kartellgesetz getroffen haben, käme sie das teuer zu stehen. Sie müssten als Strafe bis zu 10 Prozent des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes zahlen.
Sind Löhne auch im Ausland im Fokus von Wettbewerbskommissionen?
«Das ist ein internationaler Trend, der nun auch in die Schweiz überschwappt», sagt Andreas Heinemann. Ausgehend aus den USA, namentlich dem Silicon Valley. Dort sorgten die Justizbehörden 2011 erstmals für grosse Aufmerksamkeit, als sie gegen grosse Techkonzerne wie Adobe, Apple oder Google ermittelten. Im Zentrum standen Vereinbarungen, sich nicht gegenseitig die Mitarbeitenden auszuspannen. 2016 verabschiedeten die US-Bundeskartellbehörden Leitlinien zur Anstellungspraxis, die Gehaltsabsprachen und Abwerbeverbote zwischen Unternehmen für illegal erklären. Und bei Verstössen mit Freiheitsstrafen drohten.
Auch in der Europäischen Union gewann das Thema zuletzt an Gewicht. Dass der erste Verdachtsfall in der Schweiz nun den Bankensektor trifft, ist für Heinemann «reiner Zufall»: «Das könnte genauso gut in einer anderen Branche sein.»
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