Skistar Lindsey VonnAngriff mit 40 und künstlichem Kniegelenk? Das steckt hinter Vonns Sensations-Comeback
Die Amerikanerin macht das Unmögliche möglich und kehrt in den Skizirkus zurück. Wie kam es dazu?
Es waren dramatische Worte von Lindsey Vonn im Februar 2019: «Mein Körper ist gebrochen und nicht mehr zu reparieren. Er brüllt mich an zu stoppen.» Es war die WM in Are, der letzte grosse Auftritt der Speed-Queen, der Abgang der Grande Dame des Skisports. Bronze gewann sie noch in der Abfahrt, ziemlich aus dem Nichts, eine letzte Krönung einer einzigartigen Karriere. Dann war Schluss.
Fünfeinhalb Jahre später lautet die Schlagzeile: «Vonn ist zurück!» Das nächste Sensationscomeback steht dem Skisport bevor. Vonns Körper scheint doch reparierbar gewesen zu sein. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Rückkehr der US-Amerikanerin.
Wie kam es zur Comeback-Ankündigung?
Die Gerüchte um Vonns Rückkehr kamen im letzten Monat auf. Die 40-Jährige veröffentlichte in den sozialen Medien ein Video, das sie beim freien Skifahren zeigt. Das war noch ziemlich unverfänglich.
Später allerdings erschienen Aufnahmen, wie sie wieder durch Tore hetzt, zuerst in Neuseeland, kurz vor dem Saisonauftakt in Sölden auch auf dem Rettenbachgletscher, auf dem die Weltcupathletinnen und -athleten ihren ersten Riesenslalom austrugen. Und als dort auch noch Rainer Salzgeber, der Rennchef von Skiproduzent Head, bekannt gab, die Firma habe extra einen Servicemann für die Amerikanerin abgestellt, war klar, dass der Plan konkreter ist, als viele dachten. Chris Krause, der einst die Ski von Didier Cuche, Bode Miller, Lara Gut-Behrami oder Alexis Pinturault präparierte, wurde mit dieser speziellen Aufgabe betraut.
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Diesen Donnerstag nun gibt Vonn in einem Gespräch mit der «New York Times» bekannt, dass sie tatsächlich noch einmal im Weltcup antreten will – im besten Fall noch in diesem Jahr. Gerüchten zufolge plant sie vorerst, Mitte Dezember in Beaver Creek als Vorfahrerin zu starten, ehe sie auch wieder als Weltcupathletin antreten soll – frühestens eine Woche später in St. Moritz. Ab diesem Freitag trainiert sie deshalb wieder im US-Team.
Welche Startmöglichkeiten hat Vonn?
Von der Wildcard, auf diesen Winter hin für Marcel Hirscher eingeführt, könnte auch Vonn profitieren. Gemäss dieser Regelung dürfen Zurückgetretene, die entweder den Gesamt-, einen Disziplinenweltcup beziehungsweise Gold an Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften gewonnen haben, wieder mitfahren – sofern sie mindestens zwei und maximal zehn Jahre inaktiv waren. Vonn erfüllt gleich sämtliche Vorgaben – und das mehrfach. Sie hat 4-mal den Gesamtweltcup, 8-mal die Abfahrts-, 5-mal die Super-G- und 3-mal die Kombinationswertung gewonnen sowie zweimal WM- und einmal Olympiagold.
Allerdings gibt es noch eine entscheidende Hürde: Vonn verfügt derzeit wegen ihrer langen Pause noch über zu viele FIS-Punkte. Diese kann sie reduzieren, indem sie erfolgreich Rennen auf unterer Stufe bestreitet. Schafft sie das, wird sie in ihren bevorzugten Disziplinen Abfahrt und Super-G wie Hirscher direkt hinter den ersten 30 starten dürfen.
Warum hat Vonn aufgehört?
Eigentlich war es ja noch das grösste all ihrer Ziele: Den Rekord von Ingemar Stenmark wollte Vonn knacken, die schier unheimlichen 86 Weltcupsiege, die der Schwede zwischen 1974 und 1989 herausfuhr. Bestmarken waren immer das, was Vonn antrieb in ihrer Karriere, in ihrer Heimat werden Skifahrerinnen und -fahrer nur wahrgenommen, wenn sie Dinge leisten wie sonst niemand. Und Vonn kämpfte zeit ihres Athletinnenlebens um Aufmerksamkeit inner- und ausserhalb der Skiszene.
Als sie dann bei 82 Triumphen stand, machte ihr Körper aber nicht mehr mit, geschunden von vielen Stürzen und Verletzungen, vorab im rechten Knie, gezeichnet von den vielen Fahrten am Limit – und nicht selten darüber.
Als sie an der WM 2019 zurücktrat, konnte sie nicht ahnen, dass sie bald von einer Athletin überflügelt würde, die ausgerechnet ebenso in den USA beheimatet ist: Mikaela Shiffrin hat mittlerweile 60 Slaloms, 22 Riesenslaloms, 5 Super-G, 4 Abfahrten, 5 Parallelrennen und eine Kombination gewonnen und damit unfassbare 97 Mal im Weltcup.
Die Beziehung zwischen den beiden, die zeitweilig ziemlich eisig gewesen sein soll, hat sich in den letzten Jahren normalisiert. Als Shiffrin Stenmarks Rekord knackte, meldete sich Vonn mit den Worten: «Rekorde sind dafür da, gebrochen zu werden. Für sie ist der Himmel die Grenze. Sie wird den neuen Standard setzen.»
Wie geht es Vonn körperlich?
Bald nach ihrem Rücktritt wurde Vonn zweimal am rechten Knie operiert, um die Schmerzen zu minimieren. Diesen April nun wurde der obere Teil ihres Kniegelenks durch Teile aus Titan ersetzt. Mit dem künstlichen Gelenk kann sie sich offenbar wieder besser bewegen und sportlich betätigen. Zwar heisst es in der Skiszene, Vonn laufe nicht rund, sie selbst aber spricht davon, schmerzfrei zu sein. In ihren Videos, in denen sie auf Ski zu sehen ist, zieht sie jedenfalls wieder ganz ordentliche Schwünge.
Eine Prognose, wie erfolgreich ihre Rückkehr verläuft, ist aber kaum möglich. Was Vonn entgegenkommt, ist der Umstand, dass die Dichte an Spitzenfahrerinnen in den Speeddisziplinen derzeit nicht allzu hoch ist.
Wer unterstützt Vonn beim Comeback?
Wie bei Lucas Pinheiro Braathen, der seit dieser Saison für Brasilien an den Start geht, und Marcel Hirscher, der für die Niederlande fährt – also jeweils die Heimatländer ihrer Mütter –, ist auch bei Vonns Rückkehr Red Bull massgeblich beteiligt. Der Grosskonzern aus Österreich ist nach der Karriere an Vonns Seite geblieben und hat ihr etwa 2023 eine Abfahrt auf der berüchtigten Streif von Kitzbühel ermöglicht – und das bei Nacht. Es war ein lang gehegter Traum von Vonn, die lange vergeblich darum kämpfte, auch einmal gegen Männer antreten zu dürfen. Auch ist der Skiausrüster Head noch immer ihr Partner.
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