Genussreiches BaskenlandLiebe geht durch den Magen
Zwischen Bilbao und Biarritz liegt – nicht nur – kulinarisch das grosse Glück. Ein satter Reisebericht.
Da steht man also, um einen herum nur Ruhe und Natur. Der Blick schweift über Bergkuppen, verliert sich in der grünen Weite, und es ist, als würde einem das Herz aufgehen. Im Urkiola-Nationalpark, südöstlich der nordspanischen Stadt Bilbao, am Aussichtspunkt des Mirador de las tres Cruces – vor sich wilde Natur und im Rücken drei grosse steinerne Kreuze – ahnt man plötzlich, dass es Liebe ist.
Schuld allein ist nicht die Landschaft: Da ist auch noch Bilbao, diese einst so dreckige Industriestadt, die sich Ende der 1980er langsam mauserte und die heute trotz des silberkühlen Guggenheim-Museums so viel Wärme ausstrahlt.
Wer seinen Fuss in den spanischen Teil des Baskenlandes setzt, muss sich verlieben, es kann gar nicht anders sein. So denken wir und haben den französischen Part dieser sich über eine Landesgrenze erstreckenden Region noch gar nicht gesehen.
Wir wissen noch nichts von berühmten Macarons, den bunten Riegelhäusern im Hinterland von Biarritz und wie es ist, wenn vor der französischen Küstenstadt der Atlantik seine Wellen wirft. Denn es lohnt sich, das Baskenland von Bilbao bis nach Biarritz zu bereisen.
Bilbao
Fangen wir also in Spanien an. Seit 1915 transportiert das Funicular Einheimische und Gäste auf den Hausberg Monte Artxanda (tx als tsch ausgesprochen). Früher lockte ein Casino die Leute hier hoch, heute kann man Golf spielen oder im Restaurant einkehren. Vor allem aber kann man sich einen guten Überblick über die Stadt verschaffen.
In Bilbao verewigt sich heute das Who’s who der internationalen Architekturszene.
Man sieht auf den Fluss Nervión, auf Häuser von gestern und heute und auf die geschwungenen Formen von Frank O. Gehrys Guggenheim-Museum, in denen sich, je nach Wetter und Tageszeit, das Licht unterschiedlich bricht. Von der industriellen Vergangenheit der Stadt ist nicht mehr viel sichtbar.
In Bilbao verewigt sich heute das Who’s who der internationalen Architekturszene. Über Santiago Calatravas Zubizuri-Brücke muss, wer den Fluss überqueren will – und rutscht bei Nässe auch nicht mehr aus, seit ein Gummiteppich ausgerollt wurde. Sir Norman Foster verantwortet die U-Bahn-Eingänge – von den Einheimischen liebevoll Fosteritos genannt. Gerade ist er damit beschäftigt, das Museo de Bellas Artes um das Dreifache zu vergrössern.
Seit hier all die Grossen bauen und die wichtigsten Kunstschaffenden der Welt ausstellen, zieht Bilbao rund eine Million Gäste pro Jahr an. Davon ist allerdings erfreulich wenig zu spüren. Bilbao hat etwas Unaufgeregtes. Was auch daran liegen mag, dass es hier durchschnittlich 170 Tage im Jahr regnet: Wo man gelernt hat, dass es nicht viel bringt, sich übers Wetter zu echauffieren, bleibt man vielleicht auch in anderen Lebensbereichen gelassen.
In Bilbao scheinen alle herzlich willkommen zu sein. Familien mit kleinen Kindern dürften ihre Freude haben, an jeder zweiten Ecke befindet sich ein Abenteuerspielplatz. «Es gibt hier mehr Hunde als Kinder», sagt Stadtführer Unai und lacht. «Aber auf den Spielplätzen sitzen die Leute, um zu socializen.»
Ein Ort der Begegnung ist auch das Kulturzentrum Azkuna Zentroa. Der Industriedesigner Philippe Starck – noch so ein grosser Name – hat den ehemaligen Getreidespeicher mitten in der Stadt zur Attraktion gemacht. Auch weil auf dem Dach der Halle eine grosse hölzerne Sonnenterrasse und ein geschlossenes Schwimmbad mit Guckfenstern im Boden – exklusiv für die Stadtbevölkerung – thront.
Wer unten in der Halle steht und nach oben blickt, sieht in einiger Höhe durch den Glasboden hindurch manchmal ein paar rudernde Beine.
Was essen?
Eigentlich könnte man in Bilbao den ganzen Tag essen. Das Frühstück ist kaum verdaut, da treffen sich Einheimische und Zugereiste auch schon auf der Plaza Nueva, um ein Glas Rioja oder weissen Txakoli zu trinken und Pintxos zu essen. Die baskischen Häppchen sind elaborierter als Tapas: Im über hundert Jahre alten Café Bar Bilbao verzücken uns Riesenaustern, Crevettenspiesse, gegrillter Oktopus, Canapés mit Bakalao (gesalzener Kabeljau) oder saftigem Pastrami.
Ein paar Strassen weiter findet man in der unscheinbaren Gorde Taberna die beste Tortilla. Das Gericht kommt nicht als trockene Kartoffel-Ei-Mischung daher, sondern als saftiges Omelett von wunderbar sämiger Konsistenz. Und wenns dann noch was Süsses sein darf: auf in die Pasteleria Suiza (ja, sie wurde einst von Schweizern gegründet)! Hier wartet traditionelles Süssgebäck, das man unbedingt probieren sollte, auch wenn der Magen bereits anderer Meinung ist.
Es mangelt in Bilbao und Umgebung nicht an Sternerestaurants, und doch können einen abends im Rio Oja in der Altstadt auch Fischsuppe oder butterweiche Bäckchen vom baskischen Schwein glücklich machen. Dazu eine knusprige Scheibe Brot und ein Glas Wein. Fertig. Das Glas vom teuersten offenen Roten kostet hier 2,20 Euro. Überhaupt scheint erschwinglicher Wein in Bilbao ein Menschenrecht zu sein.
Was unternehmen?
Wer viel isst, dem schadet ein wenig Bewegung nicht. Klar kann man sich die Kunst im Guggenheim-Museum erlaufen (wenn man hier alles gesehen haben will, grenzt auch das an Hochleistungssport) und sich in den charmanten Gassen der Altstadt die Füsse vertreten, aber würde man das Umland nicht erkunden, man würde viel verpassen. (Einen hervorragenden Mehrgänger im Restaurant Aboiz in Garai zum Beispiel. Aber lassen wir das mit dem Essen.)
Zum Beispiel würde man nicht sehen, was Picasso zu seinem Gemälde «Guernica» veranlasst hat. Es lohnt sich, die kleine Stadt Gernika, die während des Spanischen Bürgerkriegs fast völlig zerstört wurde, zu besuchen und sich die historischen Fotografien und die grosse Picasso-Replik anzuschauen.
Ebenfalls in Gernika liegt das Zentrum des Nationalsports Jai Alai. Das Ganze erinnert an Squash, doch statt mit einem Schläger wird die Spielhand mit einem sogenannten Spitzkorb verlängert, mit dem man versucht, den Ball elegant und kraftvoll an die Wand zu schleudern. Was übrigens schweisstreibender ist, als es aussieht. Nach vorheriger Buchung kann man sein Glück hier nämlich selbst versuchen.
Auch wer «Game of Thrones» nicht gesehen hat, versteht sofort, warum die Macher sich diesen Ort als Insel Drachenstein ausgesucht haben.
Fährt man mit dem Auto weiter Richtung Meer, erreicht man nach etwa einer Stunde die Insel Gaztelugatxe (wichtig: im Vorfeld online einen Slot buchen, der Zutritt ist gratis). Also nicht ganz. Steil gehts zu Fuss runter ans Meer und dann 237 Stufen über eine sich windende Steintreppe hinauf auf die Insel, auf deren höchstem Punkt eine Kirche steht. Der Lohn für den Aufstieg ist ein atemberaubender Blick aufs offene Meer.
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Auch wer «Game of Thrones» nicht gesehen hat, versteht sofort, warum die Macher sich diesen Ort ausgesucht und ihn mit kleinen animatorischen Eingriffen in die Insel Drachenstein verwandelt haben. Und während man eine Stufe nach der anderen nimmt und auf die Felsen im Meer und die grüne Steilküste blickt, scheint es plötzlich durchaus möglich, dass hier manchmal ein Drache vorbeischaut.
Im Norden Spaniens erinnert die Natur in einem Moment an Irland und sieht an anderer Stelle auch nicht anders aus als das Appenzell, bis plötzlich wieder die Vegetation das Bild stört. Und dann kann es im Biosphärenpark Urkiola, in dem Hunderte Kilometer Wanderwege zum Entdecken einladen, passieren, dass man zwischen Steineichen, Bergen und Tälern von der Liebe zum Baskenland überwältigt wird. Dann möchte man mehr: wissen, wie es drüben in Frankreich aussieht.
Biarritz
Die baskische Küste zieht sich über die französische Grenze bis nach Biarritz. Und auch wenn hier statt Baskisch Französisch gesprochen wird, versteht man sich doch als Einheit. Die Grenze gebe es nur auf dem Papier, das werden die Menschen hier nicht müde zu betonen. Auch unsere Stadtführerin Patricia. Und man glaubt es der gebürtigen Biarritzerin sofort, wenn sie da am Strand steht und Richtung Spanien deutet, bevor sie stolz von der Geschichte ihrer Stadt erzählt.
Das Hotel du Palais gehört zur südfranzösischen Stadt wie das Meer. Man könnte sogar sagen, dieses Haus sei der Ort, an dem alles begann. Biarritz war noch ein Dorf von Bauern und Walfängern, als Eugénie de Montijo ihren Ehemann Napoleon III. 1853 bat, ihr am Ende der Promenade ein Sommerhaus zu bauen. Gewünscht, getan. Nur wenig später kamen Adlige von überall her, verbrachten hier ebenfalls ihre Sommer und brachten Glamour in das französische Städtchen.
Nach einem Brand 1902 wurde Eugénies Sommerhaus originalgetreu auf- und zum Hotel ausgebaut. Schon der grosse halbrunde Speisesaal, beleuchtet von imposanten Kristalllüstern und mit freier Sicht aufs Meer, ist ein Erlebnis. Wer bei einer x-beliebigen Schlossbesichtigung schon mal davon geträumt hat, sich einfach auf einen der ausgestellten Stühle zu setzen oder sich ins Bett zu legen, hat hier quasi legal die Möglichkeit dazu. Und kann so lange bleiben, wie das Budget es zulässt.
Auch Gabrielle «Coco» Chanel hat in Biarritz ihre Spuren hinterlassen: In ihrem Haus in der Nähe der Promenade entwickelte sie ihr berühmtes Parfüm Chanel No. 5. Und wo Coco war, konnte es nicht schlecht sein, also liessen sich auch etliche andere Kreative im Städtchen nieder.
Heute hat Biarritz im Winter circa 26’000 Bewohnerinnen und Bewohner, im Sommer sechsmal so viele. Aber wer nicht gerade in der Hochsaison hier haltmacht, wird ihn immer noch spüren, diesen Mix aus geschichtsträchtigem Glamour und tiefenentspanntem Aloha-Gefühl, der Biarritz so charmant macht.
In den kleinen Gassen reihen sich Surfshops aneinander. In Strandnähe wimmelt es von Surferinnen und Surfern in Neoprenanzügen: ein unruhiger Haufen Ameisen auf der Suche nach der perfekten Welle. Erst 1956 stellten ein paar surfbegeisterte Jungs durch die Begegnung mit zwei Dudes aus Los Angeles, die hier gerade Hemingways «The Sun Also Rises» verfilmten, fest, dass das Geheimnis nicht das Brett, sondern die Finne an selbigem ist. Seitdem surft man auch hier auf der Erfolgswelle. Inzwischen ist die Surfindustrie für die Region extrem wichtig. Um die 20 Surfschulen gibt es hier.
In Biarritz ist für die Bedürfnisse des Heute genauso Platz wie für die Erinnerung ans Damals. Kaiserliche Bauten stehen neben Jugendstilhäusern und 70er-Jahre-Klötzen. Läuft man vom Hotel du Palais bis ans andere Ende der Bucht, kann man auch noch die bunten Fischerhäuschen sehen, von denen aus die Männer einst loszogen, um Wale zu fangen.
Was essen?
In der Markthalle im Zentrum sind nur kleine Fische im Angebot. Einheimische kaufen hier ihr Obst und Gemüse und andere Delikatessen, nippen am Weinstand vom Rosé und halten ein Schwätzchen mit dem Winzer aus der Region. Rund um Les Halles findet man problemlos einen Kaffee, ein Glas Cidre oder etwas Kleines zu essen.
Nur wenige Strassen weiter liegt die Brasserie Le Café Basque. Cédric Béchade, der mit einem «Michelin»-Stern ausgezeichnete Koch der Auberge Basque, verantwortet hier die Speisekarte mit modern interpretierter lokaler Küche. Als Auftakt ein zartes Carpaccio vom Felchen mit Schnittlauchöl und einer Sauce aus der typisch baskischen Espelette-Paprika, dazu ein unbezahlbarer Blick aufs Meer. Was will man mehr? Nun gut, wenn die Sonne untergegangen ist, vielleicht noch ein Dessert.
Wem der Sinn nach einem kleinen Ausflug steht, der plant ein Abendessen im Restaurant des Hotels Brindos ein. Das familiäre 5-Stern-Haus im Nachbarstädtchen Anglet serviert kunstvoll arrangierte und geschmacklich ausgeklügelte Gerichte wie Bœuf de Calice confit, dazu ein mit fermentiertem Joghurt und Artischocke gefülltes Raviolo. Ein Traum.
Auch im französischen Teil des Baskenlandes läuft man ständig Gefahr, sich zu überessen, so gut ist die Küche, so verlockend das kulinarische Angebot. Im Brindos hat man bei rechtzeitiger Buchung immerhin die Möglichkeit, mit vollem Magen in eines der Betten im cottageartigen Haupthaus zu schlüpfen. Oder besser noch, sich mit dem Ruderboot auf dem angrenzenden Teich in eines der schwimmenden Hotelzimmer bringen zu lassen.
Was unternehmen?
Apropos Anglet: An die Küste von Anglet, wo die grossen internationalen Surfwettbewerbe ausgetragen werden, kommt man von Biarritz aus am besten mit dem Velo. Dankbar ist man da über die Elektrobike-Flotte diverser Veloverleiher. Auf der hügeligen Strecke der Küste entlang und bei gelegentlichen Abstechern an den Strand erleichtert einem so ein Motörchen das Leben merklich. Zurück gehts durch die Forêt de Chiberta, einen kühlen Pinienwald, der zehn Prozent der Stadt bedeckt.
Macht man sich mit dem Auto auf den Weg von Bilbao nach Biarritz, lohnt es sich schon auf der Hinfahrt, in Saint-Jean-de-Luz einen Stopp einzulegen. (Von Biarritz aus ist der Ort in einer knappen halben Stunde zu erreichen.) Das Städtchen am Meer ist dank der angebotenen Thalasso-Therapie bekannt als Wellness-Destination.
Was kein Grund dafür sein darf, nicht durch die pittoreske Innenstadt zu flanieren. Hier kann man sich einen guten Überblick über das lokale baskische Handwerk verschaffen. Man findet Lederwaren, Espadrilles und – nach einer speziellen Aufbautechnik gefertigte – Riesentontöpfe. Im Laden der Firma Latique 1910 werden gewobene Textilien angeboten – längst nicht nur in den baskischen Farben Rot, Grün und Weiss.
Neben Apfelschnaps und prämierten Würsten vom baskischen Schwein lohnt es sich, die Macarons der Maison Adam zu kosten. Schon Ludwig XIV. soll sie für seine Hochzeit geordert haben. Anders als Luxemburgerli sind die Macarons nicht gefüllt, sondern bestehen komplett aus Mandelmasse. Um das Rezept werde sogar innerhalb des Unternehmens ein grosses Geheimnis gemacht, erzählt man uns im Geschäft.
Wer nach Biarritz den etwas kurvigen Weg durchs Hinterland wählt, kommt durch kleine Dörfer, vorbei an Riegelhäusern und idyllischer Natur. Und vielleicht geht es einem spätestens hier so wie der Autorin, und man weiss, dass dem Aufenthalt im Baskenland ein nächster folgen wird. Bald schon. Sehr bald!
Die Reise wurde unterstützt von Edelweiss Air.
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