SüdfrankreichNizza – fast wie zu Coco Chanels Zeiten
Die Côte d’Azur wurde in den 1930er-Jahren von den Reichen und Schönen entdeckt. Eine von ihnen war Gabrielle «Coco» Chanel. Ein Versuch, das glamouröse Gestern im Heute wiederzufinden.
Mademoiselle Chanel, an was denken Sie, wenn Sie sich an all die Sommer an der Côte d’Azur erinnern? «An das Azurblau des Meeres, das warme Licht der Sonne und unsere gebräunten Körper. Es waren Jahre, in denen wir uns und das Leben feierten.»
So oder ähnlich würde Gabrielle «Coco» Chanel vielleicht antworten, könnte man sie heute noch befragen. Tatsächlich war die Mode-Ikone (1883–1971) eine der ersten Celebrities, die um 1930, nachdem die wärmebedürftigen Engländer bereits den Winter hier verbracht hatten, die langen Sommer an der Côte d’Azur für sich entdeckte.
Der Ort, dem das Modehaus Chanel sein Logo verdankt
Coco hatte sich in die französische Riviera verliebt. Auch rund um Nizza finden sich die Spuren der Modeschöpferin. Etwa 25 Kilometer östlich der Küstenstadt, oberhalb des Dorfs Roquebrune, liess sie ihr Sommerhaus La Pausa bauen.
Fährt man von Nizza aus in die andere Richtung, zwanzig Autominuten ins Landesinnere, erreicht man das 1906 erbaute Weingut Château de Crémat. Das heute vielleicht ein wenig zu leuchtend rot gestrichene Schlösschen, von dem man sowohl ins hügelige Hinterland als auch aufs Meer blickt, kam etwa zwanzig Jahre nach seiner Erbauung in den Besitz einer reichen Amerikanerin, die gern exzessive Partys feierte.
Der Erzählung nach hat Coco Chanel bei einem Besuch das Markenzeichen ihrer Modelinie gefunden. Die zwei ineinander verschlungenen Cs, die die Glasfenster und die Eingangstür des Châteaus zieren, sehen tatsächlich exakt so aus wie das Logo des berühmten Modehauses.
Man sagt, Chanel habe von ihrer Freundin die Erlaubnis bekommen, die Lettern zu verwenden. Für heutige Gäste bedeutet das, dass man nicht nur exquisite Weine degustieren und ausgestellte Möbel aus dem Pariser Ritz bewundern kann, in dem die Modedesignerin lange lebte und später starb, sondern auch Weingläser mit vermeintlichem Chanel-Logo erwerben kann.
Strandanzüge mit XL-Taschen – für Casino-Jetons
Aber auf ans Meer, wo sich in den 1930er-Jahren das Jetset-Leben abzuspielen begann. Die Côte d’Azur wurde zu dieser Zeit gerade erst von den Murphys, Fitzgeralds und Hemingways entdeckt. Und «abends schwärmten die Reichen und Schönen aus, die Küste entlang nach Antibes, Nizza und Cannes, um in einem kleinen Fischrestaurant zu speisen, oder, noch ein wenig vornehmer, im Hinterland», schreibt Anne de Courcy in ihrem Buch «Coco Chanels Riviera».
Es ist dieser Glamour vergangener Tage, der einem bis heute an Nizzas berühmter Promenade des Anglais entgegenweht. Er hat sich eingebrannt in diese Stadt an der Côte d’Azur, die, so elegant und überschaubar sie von hier aus erscheint, sich weit ins Hinterland hineinzieht und längst eine der grössten Städte Frankreichs ist.
Hier, wo die einst von den Engländern importierten Palmen Spalier stehen, reicht die Sicht bei schönem Wetter bis nach Korsika. An der Promenade des Anglais stehen noch immer die Grandhotels wie der Palais de la Méditerranée mit weisser Art-déco-Fassade und das Negresco mit seiner riesigen Gemäldesammlung, wo die Menschen damals abstiegen, um ihr Geld im Casino zu verspielen.
Die Frau des Immobilienunternehmers Frank Gould – ihm hat Nizza den Palais de la Méditerranée zu verdanken – soll bei Coco Chanel Strandanzüge mit extra grossen Taschen für die Spielmarken in Auftrag gegeben haben, schreibt Anne de Courcy in ihrem Buch.
Überquert man die Promenade und läuft durch den Jardin Albert 1er, den Ende des 19. Jahrhunderts angelegten Stadtpark, vorbei an Palmen, Orangenbäumen und Kunst, trifft man auf ein anderes Wahrzeichen aus der Belle Époque.
Im grossen Gebäude am Rand der Grünanlage ist heute das Hotel Anantara Plaza Nice beheimatet. Vielleicht standen früher schon, so stellt man sich vor, gut betuchte Sommergäste auf den kleinen Balkonen, die die gelbe Fassade zieren, und blinzelten in die Sonne.
Vorbei an edlen Boutiquen und der Place Masséna, die in elegantem Schachbrettmuster gepflastert ist, sind es von hier aus nur wenige Minuten bis in die Altstadt, wo die Geschäfte kleiner, die Häuser niedriger und die Gassen enger werden.
Vor der alteingesessenen Confiserie Auer sinniert man darüber, ob auch in den Goldenen Zwanzigern hier haltgemacht wurde, um ein paar Fruits confits – Erdbeeren, Feigen oder Zitrusfrüchte, konserviert in Zuckerwasser – zu kaufen, bevor man auf dem Markt das passende Blumenbouquet für die Sommerresidenz besorgte.
Traditionelles Fast Food, das bereits vor Chanel und Co. da war
Auf dem lichtdurchfluteten Cours Saleya locken heutzutage die gestreift überdachten Stände dienstags bis sonntags mit Blumen, Fisch und Käse, mit Zucchiniblüten, Zitronen, Trüffeln und Artischocken. Dazwischen versuchen Socca-Verkäufer den stadttypischen Snack unter die Leute zu bringen.
Der scharf angebratene Fladen, der ein bisschen wie eine Rösti aussieht, besteht aus Kichererbsenmehl und wird auf dem Feuer zubereitet – Fast Food, das bereits vor Chanel und Co. da war. Eines der historischen Fotos aus dem wunderschönen Bildband «Light on the Riviera» zeigt eine Socca-Verkäuferin um 1900 mit ihrem Wagen auf der Promenade des Anglais auf Kundschaft warten.
Doch essen, trinken, bummeln und baden ist in Nizza nicht alles. Zwischen Markt und Meer verläuft die Rue des Ponchettes. Am Ende führen circa 400 Stufen (aber auch ein Lift) auf die Colline du Château. Wer den Hügel, auf dem einst ein Kastell thronte, hinaufsteigt, wird auf jedem Treppenabsatz mit einer noch besseren Aussicht belohnt. Oben warten ein malerischer, künstlich angelegter Wasserfall und eine grosszügige Parkanlage.
In einem Halbrund liegen einem hier das Meer, die Promenade, die Stadt und auch die Geschichten von Geld, Glamour und Hedonismus zu Füssen: die Erlebnisse derer, die an der Côte d’Azur ihre Sommer verbrachten, nahezu unbehelligt von dem, was den Rest der Welt damals erschütterte. 1944, so steht es bei Anne de Courcy, verliess Chanel ihr Sommerhaus bei Roquebrune endgültig und zog in die neutrale Schweiz.
Ob sie wohl je auf dem Hügel gewesen ist, fragt man sich. Und spätestens jetzt, während die Augen über das azurblaue Wasser in die Ferne wandern, ahnt man, warum die Reichen und Schönen, wenn auch nicht genau hier, so doch in der Nähe waren. Und es ist, als flüstere Mademoiselle Chanel einem ins Ohr: «Sehen Sie doch, wie hübsch es hier ist!»
Die Reise wurde unterstützt von Anantara Plaza Nice.
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