Lebensmittel ohne LandwirtschaftStart-up stellt Essen aus Luft und Sonnenenergie her
Mittels eines neuen, CO₂-effizienten Herstellungsverfahrens will eine finnische Firma die Lebensmittelindustrie revolutionieren – und die Rückgabe von Landwirtschaftsflächen an die Natur ermöglichen.

Wenn wir durch den Supermarkt gehen und aus den Regalen und Kühlschränken Esswaren in unseren Einkaufskorb legen, so sind diese in aller Regel zuvor auf einem Acker oder einer Plantage gewachsen oder gezüchtet worden. Die so hergestellten Produkte der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie sind für rund ein Viertel aller CO₂-Emissionen verantwortlich, die unseren Planeten erwärmen.
Das finnische Start-up Solar Foods will mit einem biotechnologischen Ansatz die Lebensmittelindustrie revolutionieren: Durch die Fütterung von Mikroben mit Kohlendioxid, Wasserstoff und Mineralien und der Versorgung des Prozesses mit Strom aus erneuerbaren Quellen stellt das Unternehmen ein proteinreiches Pulver, genannt Solein, her.

Das Start-up plant, dass das Solein in Fleischalternativen, Käse und anderen Milchprodukten sowie als Ei-Ersatz in Pasta und Mayonnaise verwendet werden soll.
Verwendete Mikroben leben von Wasserstoff
Anders als wir Menschen, deren Stoffwechsel aus der Umsetzung von Glukose abhängt, leben die vom Start-up verwendeten Mikroben aus der Verarbeitung von Wasserstoff. Die Mikroben fanden die Gründer der Firma an der Küste des Baltischen Meeres.

In der gängigen Landwirtschaft wird die Fotosynthese verwendet, um mittels Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser das Wachstum der Pflanzen zu ermöglichen. Solar Foods nutzt stattdessen Sonnenenergie, um Wasser zu Wasserstoff aufzuspalten, der den Mikroben dann in einem Braugefäss zugeführt wird. Hinzu kommt das Kohlendioxid, das aus der Luft der Bürobelüftungsanlage des Unternehmens abgeschieden wird.
Nachdem die Mikroben lange genug gewachsen sind, werden sie pasteurisiert und dann in einer Zentrifuge mit Heissluft getrocknet. Zurück bleibt das proteinhaltige Pulver, das in Lebensmitteln verwendet werden kann.
Landwirtschaftsflächen der Natur zurückgeben
Die Motivation der Start-up-Gründer zielt vor allem darauf ab, eine deutlich bessere CO₂-Bilanz von Lebensmitteln zu erreichen und der Natur Flächen, die zurzeit für die Landwirtschaft benötigt werden, zurückgeben zu können. Heute werden 44 Prozent des bewohnbaren Landes der Erde für die Landwirtschaft genutzt, das ist eine Fläche von 48 Millionen Quadratkilometern oder etwa fünfmal die Ausmasse der Vereinigten Staaten.
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«Ein Grossteil des heutigen tierischen Proteins kann durch zelluläre Landwirtschaft produziert werden, und wir könnten landwirtschaftliche Flächen wieder verwildern lassen und so Kohlenstoffvorräte aufbauen», erklärte der CEO von Solar Foods, Pasi Vainikka, gegenüber der «South China Morning Post».
Wissenschaftler haben in Studien darauf hingewiesen, dass durch die Verwilderung von Landwirtschaftsflächen und mit der Wiederherstellung von natürlichen Kohlenstoffsenken wie Wäldern, Steppen und Mooren und grossen Wildtierpopulationen ein Grossteil der Pariser Klimaziele auf natürliche Weise erreicht werden könnte.

Gemäss dem Start-up werden bei der Herstellung eines Kilogramms Solein 130-mal weniger Treibhausgase freigesetzt als bei der Produktion der gleichen Menge an Rindfleisch in der Europäischen Union.
«Die Zukunft ist kein Pulver»
Mit der bestehenden Fabrik in Finnland, in der rund 40 Personen beschäftigt sind, muss nun zuerst bewiesen werden, dass sich die Technologie skalieren lässt, sodass die erforderlichen Investitionen getätigt werden können. Die Zulassung in der EU und den USA ist noch ausstehend.
Solar-Foods-CEO Pasi Vainikka sieht die Befürchtungen, dass die biotechnologische Lebensmittelproduktion die traditionelle ganz verdrängen wird, als unbegründet: «Die Zukunft ist kein Pulver: Der Hauptteil der Nahrung wird weiterhin aus Pflanzen kommen», wie er gegenüber dem «Guardian» betont.
Hingegen müsse man weg von der Massenproduktion von Fleisch hin zu einem Fokus auf Qualität kommen: Die gelegentliche «Salami mit dem kulturellen Erbe, das kann bleiben. Das Fleisch in der Lasagne zum Mittagessen hingegen wird durch Zellkulturen erzeugt werden.»
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