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Tüftler aus Leidenschaft
7 Löcher in der Sohle – ein Schweizer denkt den Laufschuh neu

Tobias Schumacher, Erfinder von Laufschuhen, am 26. August 2024 in Langenthal. Foto: Nicole Philipp/Tamedia AG
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Natürlich ist der Nachname von Tobias Schumacher bloss noch das Tüpfelchen auf dem i. Aber dass er, der Laufschuhtüftler, selbsterklärte Laufschuh-Nerd und Besitzer eines Laufschuhgeschäfts, auch noch Schumacher zum Nachnamen heisst: Treffender geht es nicht.

Dieser Tobias Schumacher steht in seinem Laden in Langenthal, an den Wänden glänzen die Laufschuhe. Man weiss darum gar nicht, wo man jetzt hinschauen soll. Dabei hält der in Japan geborene Basler, der seit über 25 Jahren Laufschuhe verkauft und damit einer der immer rareren Spezialisten in der Schweiz ist, einen speziellen Schuh in den Händen. Der 54-Jährige verkauft nicht nur Produkte der grossen Marken oder berät mit Ganganalysen und erstellt mit einer Partnerfirma orthopädische Einlagen, er entwickelt selber Laufschuhe.

Darum kann er lange und mit Begeisterung über den perfekten Sohlenabrieb parlieren, die ideale Mittelsohle oder die Elastizität des Obermaterials beschreiben. Klar wird: Das ist sein Element.

Gibt es den idealen Laufschuh?

Und weil er die Branche aus so vielen Perspektiven kennt, im Triathlon-Nationalkader war Schumacher in den 90er-Jahren auch noch, ist er die ideale Person gerade für die eine, grosse Läuferfrage: Gibt es den perfekten Schuh, der für alle geeignet ist – und wenn ja: Welcher ist es?

Schumacher muss nicht lange nachdenken, weil er die Frage von seinen Kundinnen und Kunden regelmässig gestellt bekommt. Und gerade auch aus Erfahrungen mit ihnen weiss er: Nein, den perfekten Laufschuh, der für alle passt, gibt es nicht. Dafür sind die Menschen nun einmal zu unterschiedlich gebaut. Was also für den Kurt stimmt, muss nicht zwingend der Beatrice passen.

Kommt hinzu: Unsere Körper sind (sehr) asymmetrisch. Immer wieder passt Laufschuh A der Kundin am linken Fuss ideal, nicht aber am rechten. Oder umgekehrt. Unterschiedliche Marken oder Modelle der gleichen Marke aber lassen sich nicht kombinieren, weil sie anders aufgebaut sind und nicht zusammenpassen. Und überhaupt: Die Hersteller produzieren stets identisch gefertigte Paare.

Darum fand Schuh-Nerd Schumacher mit seinem Kollegen und Orthopädietechnik-Meister Harald Beck irgendwann: Es ist an der Zeit, einen eigenen Laufschuh zu kreieren, der personalisiert werden kann. Viele Jahre sind seither vergangen, Hunderttausende Franken haben die beiden investiert. Nun ist der Schuh, dessen Technologie patentiert ist und unter der Marke Modularis verkauft wird, in einer Erstproduktion für 289 Franken erhältlich.

Da beginnt die Laufkundige bereits heftig zu zucken: Im Schnitt bezahlt sie in einem Fachgeschäft 180 bis 200 Franken für ein Paar. Will sie Hightech wie Superschuhe aus Carbon, springt der Preis auf oft über 300 Franken.

2000 Laufkilometer garantiert er

Ausgerechnet die vielgehypten Carbon-Schuhe verkauft Schumacher jedoch selten. Er hält sie für die allermeisten Läuferinnen und Läufer für weniger geeignet. Sie würden rasch zu Überlastungen führen. Auch auf bestimmte Marken verzichtet er, weil er findet, sie bieten weniger, als ihre Werbung verspricht.

Kurz: Tobias Schumacher ist ein Mann mit Prinzipien. Und darum würde er auch nie behaupten, sein Schuh sei nun der perfekte und für alle geeignet. Er lebt vor, was die Laufschuh-Branche zwar ständig verspricht, aber so gut wie nie umsetzt: eine gewisse Nachhaltigkeit. Bei einem Abrollmuster über die Ferse und/oder den Mittelfuss halte sein Schuh mindestens 2000 Kilometer, verspricht Schumacher – bei den grossen Marken sind es circa 600 bis 800 Kilometer.

Tobias Schumacher, Erfinder von Laufschuhen, am 26. August 2024 in Langenthal. Foto: Nicole Philipp/Tamedia AG

Natürlich könnten die Grossen länger haltende Schuhe herstellen. Aber das wollen sie auch darum nicht, weil sie mehr daran verdienen, wenn die Haltbarkeit kürzer ist. Der ganz grosse Unterschied zu den Schuhen der Big Player aber besteht bei Schumacher darin, dass in seine Sohlen 5 bis 7 Löcher hineingefräst sind (je nach Grösse) – und diese mit verschieden harten Stiften von circa drei Zentimetern Länge gefüllt werden. Damit kann die Mittelsohle präzise auf das individuelle Gangbild der Läuferin abgestimmt werden.

Das Kernstück des Schuhs: Die personalisierbare Sohle.

Auf diese Weise löst Schumacher das Problem der natürlichen Körper-Asymmetrien und kann Massenware personalisieren. Keine der grossen Laufschuhfirmen hat so kühn gedacht oder diesen individualisierten Ansatz hinbekommen. Es gab Versuche, sie aber sind gescheitert.

Auch bei ihm gilt: Made in Asia

Was Schumacher hingegen wie die Grossen tun muss: Auch seine Schuhe werden in Asien produziert, in seinem Fall ist es China. In Europa – oder gar der Schweiz – existieren keine entsprechenden Firmen, die solch relativ komplexe Schuhe herstellen können. Selbst in Asien brauchte es vier Monate, bis sich eine Firma aufspüren liess, die Schumachers Fertigung hinbekam.

Aufs grosse Geld schielt er mit seiner Kreation nicht. Darum hält er auch nicht jeder Kundin und jedem Kunden das Modell subito vors Gesicht. Wer beschwerdefrei laufe, solle behalten, was ihr oder ihm offensichtlich passe. Wäre er wiederum glücklich, wenn er in dieser Nische, in der er sich bewegt, zum Erfolg käme? Natürlich. Schumacher ist durchaus Geschäftsmann.

Letztlich aber kann er auch durchs Herstellen eigener Schuhe ausleben, was ihn so fasziniert: das Universum Laufschuhe – «Schuhbändel vielleicht ausgenommen», sagt er mit einem Augenzwinkern.