Mauro Poggia im DilemmaZur Mitte darf er nicht, zur SVP will er nicht: Kuriosum um Genfer Ständerat
Weil sich seine Parteikollegen der SVP-Fraktion anschliessen, könnte der Genfer Politiker ohne Fraktion dastehen. Nun muss er eine schwierige Entscheidung treffen.
So etwas kommt «höchst selten» vor, wie die Parlamentsdienste sagen. Ein gewählter Ständerat findet bei keiner Partei Unterschlupf.
Mauro Poggia vom rechtsbürgerlichen Mouvement Citoyens Genevois (MCG) setzte sich am Sonntag im zweiten Wahlgang durch und eroberte mit 55’317 Stimmen einen Ständeratssitz. Poggia war früher Staatsrat und ist in Genf sehr beliebt. Doch nun hat er ein Problem: Er weiss nicht, welcher Fraktion im Parlament er sich anschliessen könnte.
Er passt nicht zur SVP, weil er in zentralen Fragen anders politisiert. So hatte sich Poggia während der Pandemie als Genfer Gesundheitsdirektor vehement für strikte Massnahmen eingesetzt. Auch beim Kernthema der SVP – der Zuwanderung – hat Poggia grosse Differenzen zur Parteilinie. «Die Zuwanderung ist nötig, um dem Fachkräftemangel hierzulande beizukommen», sagt er, dessen Eltern als italienische Gastarbeiter in die Schweiz kamen. Auch sonst sei er «ziemlich weit weg von der SVP», sagt der 64-Jährige, der eine Sufistin geheiratet hat und zum muslimischen Glauben konvertiert ist.
Aus diesen Gründen möchte sich Poggia am liebsten zur Mitte-Partei gesellen. Dort fühle er sich am besten aufgehoben. Stets betont er, dass seine politische Laufbahn ihren Anfang in der damaligen CVP nahm. Er wechselte erst im Jahr 2009 zum MCG. Doch die Mitte-Partei möchte vom verlorenen Sohn nichts mehr wissen. Wie Mitte-Präsident Gerhard Pfister twittert, soll seine Gruppe die stärkste im Ständerat bleiben, und zwar «ohne Poggia». Auch Fraktionschef Philipp Bregy sagt: «Es ist unwahrscheinlich, dass Poggia zur Mitte stösst.»
«Ich werde den MCG nie verlassen, ich verdanke ihm sehr viel.»
Der Grund: Die beiden Parteifreunde von Poggia, Roger Golay und Daniel Sormanni vom MCG, wurden in den Nationalrat gewählt und haben sich bei der SVP-Fraktion positioniert. Wie das Parlamentsgesetz vorschreibt, müssen sämtliche Mitglieder der gleichen Partei auch der gleichen Fraktion angehören. Konkret heisst das: Poggia dürfte demnach als MCG-Mitglied nicht der Mitte angehören, während seine MCG-Kollegen im Nationalrat bei der SVP sitzen. Poggia müsste aus seiner Partei austreten, wenn er trotzdem zur Mitte gehen möchte. Und das kommt nicht infrage, wie der Neugewählte sagt: «Ich werde den MCG nie verlassen, ich verdanke ihm sehr viel.»
Welche Optionen bleiben Poggia jetzt? Er muss sich zwischen der SVP und dem parlamentarischen Exil entscheiden. Geht er zur SVP, politisiert er an der Seite einer Partei, deren Kernanliegen er – anders als seine Parteifreunde – nicht teilt. Entscheidet er sich für den Alleingang, verschwindet er in der Bedeutungslosigkeit. Seinen Kanton könnte er so kaum richtig vertreten. Denn wer nicht einer Fraktion angehört, hat keinen Anspruch auf Kommissionssitze. Und in den Kommissionen findet die wichtigste politische Arbeit statt. Als gewählter Ständerat mit Fraktionsanschluss würde er gemäss Parlamentsgesetz drei Kommissionssitze erhalten.
Mit anderen Worten: Poggia steht vor einem Dilemma. Er will sich bis Ende Woche entscheiden.
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