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Porträt einer Kreuzfahrtleiterin
Der einsamste Job auf dem Flusskreuzfahrtschiff

Frau in einem Büro, die an einem Schreibtisch mit Laptop sitzt, eine Blumenvase und Notizen vor sich.
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In Kürze:
  • Daniela Oitzinger arbeitet als Corporate Cruise Director bei Thurgau Travel.
  • Die Österreicherin hat schon viele Krisen gemeistert und überzeugt mit einer perfekten Mischung aus beruflicher Seriosität und Lockerheit.
  • Im Gespräch nennt Sie die Vor- und Nachteile ihres Jobs.

Wie im wahren Leben an Land begegnet man auch auf dem Flusskreuzfahrtschiff zuweilen schrägen Vögeln. Daniela Oitzinger schmunzelt bei den Erinnerungen an Othmar. «Er war 80 Jahre alt, an Bord ständig mit Trillerpfeife unterwegs und wild entschlossen, einen Ad-hoc-Chor zu gründen.» Grosse musikalische Ansprüche trieben Othmar kaum um; das «Vogellisi» aus Adelboden war sein Lieblingslied. Daniela erlaubte dem rüstigen Rentner schliesslich, während einer Pause zwischen Quizrunde und Preisverleihung die Mitpassagiere per Trillerpfeife zum «Vogellisi»-Chor zusammenzurufen.

Zum Glück ist die grosse Mehrheit der Passagiere, die eine Reise mit einem Flussschiff von Thurgau Travel unternimmt, völlig unkompliziert und checkt ohne Trillerpfeife ein. «Angenehme Leute, die etwas erleben wollen und die Zeit dafür haben», urteilt Oitzinger. Die allermeisten Passagiere stehen nicht mehr aktiv im Berufsleben und geniessen nun dieses komfortable Reiseformat, bei dem man nur einmal den Koffer auspacken muss.

Ein Flusskreuzfahrtschiff fährt auf einem breiten Fluss mit städtischer Skyline im Hintergrund und grüner Uferpromenade.

Daniela selber ist noch ein Vierteljahrhundert vom Rentenalter entfernt. Seit zwei Jahren führt sie als Corporate Cruise Director alle Kreuzfahrtleiterinnen und -leiter von Thurgau Travel. Diese fungieren an Bord als verlängerter Arm des Weinfelder Flussreiseveranstalters. Die nautische Crew und die Hotelangestellten dagegen arbeiten für einen Dienstleister, der die von Thurgau Travel gecharterten Schiffe betreibt.

Tage einer Kreuzfahrtleiterin sind sehr lang

Daniela Oitzinger ist ein Energiebündel mit Nasenpiercing und einem steten Strahlen im Gesicht. Sie verkörpert eine perfekte Mischung aus beruflicher Seriosität und Lockerheit. In ihrer Heimat Kärnten absolvierte sie eine Tourismusschule und arbeitete für eine Privatklinik. «Als wir eine Onkologie-Station eröffneten, lernte ich viele Krebspatienten kennen. Einigen blieb nicht mehr viel Zeit zu leben», erzählt Oitzinger. «Ich begriff, dass auch ich ein Ablaufdatum habe, und entschloss mich, nur noch das zu tun, worauf ich wirklich Lust hatte.» So wurde sie Kreuzfahrtleiterin.

Nach der ersten Sommersaison auf einem Donau-Katamaran fühlte sich die weltoffene Frau angekommen: «Das ist mein Leben, ich kann mir zukünftig nichts Schöneres vorstellen.» 2016 heuerte Oitzinger bei Thurgau Travel an und lernte die Schiffe wie Thurgau Prestige, Edelweiss, Antonio Bellucci oder Thurgau Gold kennen und lieben: «Jedes Schiff hat seine eigene Seele und sein eigenes Publikum.»

Ein Flusskreuzfahrtschiff fährt entlang einer malerischen Flusslandschaft mit grünen Hügeln und einer Burg auf einem Hügel im Hintergrund.

Kreuzfahrtleiterin oder Cruise Director – ein Traumjob? Oitzinger zögert: «Ja und nein.» Grundsätzlich sei es toll, durch Europa zu schippern. Heute Paris, nächste Woche Amsterdam, übernächste Woche Wien und Budapest. Aber die Tage einer Kreuzfahrtleiterin sind sehr lang, man ist ständig für die Passagiere da und muss die richtigen Entscheide treffen. «Und du bist zwar dauernd von Menschen umgeben, aber du bist doch allein.» Dieses Alleinsein, sagt die Österreicherin, müsse man ertragen können. Das vermittle sie auch in Bewerbungsgesprächen. «Manche fragen mich dann: ‹Willst du mir den Job nun ausreden oder mich einstellen?›»

Natürlich, an Bord gebe es die enge Zusammenarbeit mit den Ranggleichen, dem Kapitän und dem Hotelmanager. Aber die hätten eine andere Rolle, und ausserdem gebe es auf dem Schiff häufig Personalwechsel, weil die Crewmitglieder die verdienten Ferien einziehen würden. «Nach einigen Wochen ununterbrochener Arbeit sinkt die Leistungsfähigkeit», sagt Oitzinger, «es ist nur sinnvoll, dass die Besatzung nicht mehr acht Monate durcharbeitet, sondern Auszeiten einziehen kann.»

Die Thurgau-Travel-Managerin nennt eine weitere Gefahr, die auf Cruise Directors lauern: «Viele Kreuzfahrtleitende schaffen den Absprung ins Leben an Land nicht mehr. Sie haben kein Nest mehr zu Hause, die sozialen Kontakte gehen verloren.»

In diese Falle wollte Oitzinger nicht tappen. Seit sie die Führungsposition bekleidet, arbeitet sie entweder im Thurgau-Travel-Hauptquartier in Weinfelden oder im Homeoffice in Kärnten. «Ich habe wieder Anschluss im Privatleben gefunden und kann mich um meine Pferde kümmern.» Sie besucht regelmässig die Schiffe des Veranstalters, überprüft die Standards und hat stets ein offenes Ohr für ihre Leute. «Damit ich den Kontakt zur Front nicht verliere, arbeite ich regelmässig als Kreuzfahrtleiterin – vorzugsweise auf meinem Lieblingsfluss, der Seine.»

Ohne offene Kommunikation geht es nicht

Was ihr, die auch gut Französisch spricht, bei den Einsätzen immer wieder auffällt: «Kein Tag ist in diesem Job wie der andere – und auf einem Fluss kann immer mal was passieren. Umso wichtiger, dass wir die Passagiere offen informieren und uns dabei stets auf Fakten, nie auf Gerüchte stützen.» Hochwasser, Niedrigwasser, Streiks, Pannen und Pleiten: Die Liste möglicher Widerwärtigkeiten ist lange. «Unser Krisenteam weiss solche Situationen zu vermeiden, und über allem steht das Wohl der Passagiere.»

Eine Frau mit dunkelrotem Haar sitzt an einer Rezeption mit einem Laptop und einer Schreibunterlage, daneben eine Orchidee.

Vor ihrer Thurgau-Travel-Zeit hatte Daniela Oitzinger eine veritable Katastrophe auf dem Schiff eines anderen Veranstalters erlebt: Ihr Flusskreuzer rammte in Frankreich einen Brückenpfeiler. Es gab viele Verletzte, die Passagiere mussten eilends evakuiert werden. «Es war beeindruckend, wie effizient und professionell die Crew arbeitete», erinnert sich Oitzinger. «Obwohl es keine Todesopfer gab, dauerte es lange, bis ich das Geschehene verkraftet habe. Monatelang evakuierte ich im Traum Passagiere.»

Dass die Kreuzfahrtleiterin des Unglücksschiffs viele Angebote von anderen Veranstaltern erhielt, weil sie sich als Krisenmanagerin bewährt hatte, erwähnt sie nur in einem Nebensatz. Die letzte kleine Krise gabs im Herbst zu bewältigen, als die Passagiere eines Thurgau-Travel-Schiffes in Wien nicht von Bord gehen konnte. Der Anleger war beim Jahrhunderthochwasser überschwemmt worden.

«Mit einer Kollegin aus dem Büro reiste ich sofort nach Wien», erzählt die Chef-Kreuzfahrtleiterin. «Zum Glück fehlte es den Gästen auf dem Schiff an nichts. Und als sie an Land durften, staunten wir.» Weshalb? Daniela Oitzinger: «Sie wären gern noch länger geblieben, denn sie hatten es sich gemütlich eingerichtet, tanzten Squaredance und hatten einen Chor gegründet.» Wetten, dass in den Fluten auf dem Donaukanal auch das «Vogellisi» ertönte?