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Interview über Flusskreuzfahrten
«Wir wurden anfangs belächelt, aber der Erfolg gibt uns recht»

Lächelnder Mann steht in einem Büro neben einer Europakarte und buntem Gemälde im Hintergrund.
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In Kürze:
  • Die Twerenbold-Reisen-Gruppe feiert den 130. Geburtstag mit dem neuen Flussschiff Excellence Crown.
  • Karim Twerenbold, Patron des Unternehmens, spricht im Interview über Innovationen, Nachhaltigkeit, Qualität und Arbeitsbedingungen.

Herr Twerenbold, worauf freuen Sie sich besonders im neuen Jahr?

Auf viel Spannendes. Die Twerenbold-Reisen-Gruppe feiert den 130. Geburtstag. Sicherlich einer der Höhepunkte wird am 2. Mai in Basel die Taufe unseres zehnten Flusskreuzfahrtschiffs sein, der Excellence Crown.

Warum expandiert Excellence weiter?

Den letzten Neubau, die Excellence Empress, nahmen wir im Coronajahr 2020 in Betrieb. In der Zwischenzeit hat sich die Marke sehr positiv nach vorne bewegt. Unser Team in Weinfelden entwickelt Excellence immer weiter – mit neuen Reiseformaten, Destinationen und dem gesamten Leistungspaket. Der Markt nimmt das so gut an, dass wir nun in ein zehntes Schiff investieren. Die Excellence Crown wird einzigartig sein.

Weshalb?

Das Schiff für 170 Passagiere wird aktuell das umweltfreundlichste Flusskreuzfahrtschiff sein. Es fährt mit Hybridmotoren, mit Diesel und Strom. Der elektrische Antrieb, der aus Batterien stammt, kommt vornehmlich beim Ein- und Auslaufen zum Einsatz. Das Energiesystem ist so smart, dass nichts verschwendet wird. Dank gerade mal 1,35 Meter Tiefgang wird die Excellence Crown bei Niedrigwasser Vorteile haben. Wegen der Bauweise und der Motoren, aber auch Solarpanels und Wärmerückgewinnung verkörpert unser Neubau Spitze im Bereich Nachhaltigkeit. Wie bei allen Excellence-Schiffen zeichnet meine Mutter Nazly fürs Design verantwortlich. Sie arbeitet auch in der Crown mit spannenden Farbkombinationen.

Was darf man sonst noch von der Excellence Crown erwarten?

Das neue Flaggschiff unserer Familienreederei ist, abgesehen vom Sonnendeck, unser erstes Schiff mit drei statt zweieinhalb durchgehenden Decks. So gibt es mehr Platz, den wir zum Beispiel für eine kleine Wellnessoase mit Massageraum und ein Open-Air-Bistro auf dem Oberdeck nutzen.

Wie stemmen Sie die Finanzierung?

Wir finanzieren die etwa 26 Millionen Franken für den Neubau mit Eigenmitteln. Mein verstorbener Vater Werner hat immer nach der Devise, der ich gern folge, gehandelt: Alles, was Twerenbold verdient, bleibt im Unternehmen. Die Twerenbold-Reisen-Gruppe gehört meiner Mutter und mir. Das gibt uns Entscheidungsfreiheit, und wir werden unter dem Strich nie mehr ausgeben, als wir einnehmen.

«Ich kenne das Geschäft von der Pike auf.»

Wie viel investieren Sie pro Jahr?

Grob geschätzt sind es über zehn Jahre hinweg im Schnitt zehn Millionen Franken pro Jahr, in einigen Jahren etwas mehr, in anderen etwas weniger – etwa in Schiffe, die Busflotte, in Immobilien, IT und natürlich unsere 750 Mitarbeitenden. Diese profitieren seit letztem Jahr von einer sechsten Ferienwoche.

Warum wird die beim breiten Publikum sehr bekannte Marke Mittelthurgau im Vergleich zu Excellence geradezu versteckt?

Wir verstecken gar nichts. Unsere eigenen Schiffe, bald werden es zehn sein, laufen unter dem Markennamen Excellence, der Rest unserer Schiffsprodukte unter dem Brand Mittelthurgau. Die Excellence-Flussreisen haben sich so stark entwickelt, dass sie einfach immer mehr Platz einnehmen.

Haben Sie das Unternehmertum im Blut?

Kann man so sagen. Als ich ein Bub war, kam mein Vater oft über Mittag nach Hause, und wir sprachen beim Essen über die Firma. So bin ich hineingewachsen. Schon als Teenager jobbte ich in den Ferien in verschiedenen Bereichen des Unternehmens. Ich kenne das Geschäft von der Pike auf. Ich bin passionierter Unternehmer und als Verwaltungsratspräsident und CEO der Gruppe strategisch und operativ tätig.

Lieben Sie das Risiko?

Risiko muss man eingehen, aber Risiko soll kalkulierbar sein. Ich denke grundsätzlich langfristig, in Generationenschritten. Es steht zwar noch in den Sternen, aber ich arbeite darauf hin, irgendwann die Gruppe an die fünfte Generation zu übergeben. Meine Tochter ist erst viereinhalb Jahre alt; da lässt sich natürlich noch nichts über die Zukunft sagen.

Ein Flusskreuzfahrtschiff fährt auf einem Fluss zwischen bewaldeten Hügeln, mit zwei Reisebussen im Vordergrund auf der Strasse geparkt.

Im Aargau haben Sie einen ziemlich exklusiven Beruf!

Woran denken Sie?

Sie sind Reeder.

Ja, mein Vater hatte die Reederei Excellence 2005 gegründet, 2006 nahmen wir mit der Excellence Rhône unser erstes Schiff in Betrieb. Ich leitete die Reederei selber sieben Jahre. Um den kapitalintensiven Schiffsbau kümmere ich mich immer noch, das ist mein Baby.

Vor bald 23 Jahren übernahm Twerenbold das Reisebüro Mittelthurgau und stieg ins Kreuzfahrtgeschäft ein: Lohnte sich der Aufwand?

In Flussreisen zu investieren, hat unsern Weg geprägt. Anfangs wurden wir in der Branche belächelt. Viele verstanden nicht, weshalb ein Schweizer Unternehmen in Schweizer Schiffe für ein Schweizer Publikum investieren sollte. Aber der Erfolg gibt uns recht. Wir hatten immer den Anspruch des besten Produktes auf europäischen Flüssen. Dank der eigenen Schiffe können wir es von A bis Z selber bestimmen.

Bleiben Flussreisen immer noch ein Format für ein älteres Publikum?

Vor einigen Jahren haben wir die Strategie formuliert, relevant zu sein für die Generation Babyboomer. Dabei fokussieren wir uns auch auf Gäste um die 60 Jahre oder leicht darunter. Viele Stammgäste sind natürlich älter. Aber heute korrespondiert das biologische Alter nicht mehr mit dem gefühlten. Die Kunden nehmen die Weiterentwicklung unseres Produktes sehr positiv an.

Lächelnder Mann in einem Büro, gekleidet in einen dunkelblauen Pullover. Im Hintergrund sind eine Landkarte und bunte abstrakte Kunst zu sehen.

Wie richten Sie das Produkt auf die Bedürfnisse aus?

Oberstes Gebot ist immer die Qualität. Wir haben neue Formen wie Slow Cruises und eine Fülle von Themenkreuzfahrten kreiert – die Bandbreite reicht von Kulinarik über Fotografie, Literatur, Mode bis zu Street-Art. Wir holen ausgewiesene Experten an Bord. Ausserdem geniessen die Passagiere grosse Flexibilität, etwa bei individueller Anreise, bei den Essenszeiten und der Auswahl der Gerichte oder der Wahl der Ausflüge – und wir bringen einen weiteren Vorteil ins Spiel.

Welchen?

Ich bin überzeugt, dass wir mit unseren Bemühungen um Nachhaltigkeit sehr gut ankommen. Wir können mit der Twerenbold-Gruppe zwar nicht die Welt retten, aber unseren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. So ist etwa ein Klimaschutzbeitrag in allen Arrangements eingeschlossen. Um auf den Schiffsbau zurückzukommen: Wir hatten die entsprechenden Massnahmen schon getroffen, bevor die EU ihre Regularien festsetzte. Wir lassen nur noch Motoren mit integrierter Abgasreinigung bauen und rüsten wenn immer möglich, als fast einzige Reederei, die älteren Schiffe um. Das bedeutet pro Schiff bis zu 900’000 Franken Investition. Ich bin überzeugt, dass wir da in der Branche ziemlich führend sind.

Die Crew von Flusskreuzfahrtschiffen stammt vornehmlich aus Osteuropa, Asien oder Nordafrika: Setzen Sie auf billige Arbeitskräfte?

Da muss ich energisch widersprechen. Unsere Partner, welche die Crews rekrutieren, sind verpflichtet, alle Mitarbeitenden mit Schweizer Arbeitsverträgen auszustatten, unter Berücksichtigung von gewerkschaftlichen Richtlinien. Es gibt auf unseren Schiffen kein Lohndumping. Zu den Herkunftsländern der Crewmitglieder: In Schweizer Hotels finden Sie auch Angestellte aus aller Welt und vergleichsweise wenige Schweizerinnen und Schweizer. Auf den Excellence-Schiffen sind sehr viele langjährige Mitarbeitende tätig, das spricht sicher nicht gegen uns.

Was haben Sie in über einem Dutzend Jahren in der Twerenbold-Reisen-Gruppe gelernt?

Auch in schwierigen Zeiten einen kühlen Kopf zu bewahren. Und es gibt für jedes Problem eine Lösung. Die menschliche Komponente ist in unserer Branche besonders wichtig, im Umgang mit Mitarbeitenden oder Gästen.

Und worauf sind Sie besonders stolz?

Auf unsere Firmenkultur. In der grössten Krise, als mein Vater Ende 2015 tödlich verunglückte, rückten alle zusammen; auch als Familie fühlten wir uns wunderbar getragen. Die starke Kultur hat sich auch in der für uns sehr schwierigen Coronazeit als sehr wichtig erwiesen.