Der gestörte Traum einer WeltreiseSie wollten für drei Jahre auf Kreuzfahrt – nun stecken sie seit Monaten fest
Hunderte Passagiere brachen zu einer dreijährigen Reise rund um den Globus auf. Es kam anders als geplant.
Sie waren angereist, um «ein Abenteuer» wie kein anderes zu erleben. Drei Jahre Kreuzfahrt über die Weltmeere und zu fernen Küsten auf einem Luxus-Liner standen ihnen bevor. Ein Vermögen hatten viele Passagiere ausgegeben für dieses Vergnügen. Mindestens einer hatte, um es sich leisten zu können, vor der Abreise sein Haus verkauft.
Aber seit sie im Mai ihre Kabinen auf dem Kreuzfahrtschiff Odyssey belegten, haben Hunderte der Fahrgäste an Deck nichts anderes zu sehen bekommen als einen Kai im Hafen der nordirischen Stadt Belfast, mit Kränen und Lagerhäusern – und nicht selten in strömendem Regen. Denn ihr Schiff hat sich in den letzten drei Monaten keinen Zentimeter weit bewegt.
In Belfast befand sich die Odyssey, weil sie vor der auf den 30. Mai festgesetzten Abfahrt im Titanic-Viertel der Stadt noch generalüberholt werden sollte. Aber hartnäckige Probleme mit dem Steuersystem und den Schaltungsapparaturen verzögerten den Start.
Seither ist die Fahrt immer neu aufgeschoben worden. Zuletzt hat die Eignerfirma, die US-Reederei Villa Vie Residences, erklärt, dass es nun im September wohl endlich losgehen könne. Aber eine Garantie dafür gibt es natürlich nicht.
Tagsüber auf dem Schiff, nachts im Hotel
Mittlerweile haben die schon vor der Abfahrt gestrandeten Kreuzfahrtgäste versucht, sich die Zeit nach Kräften zu vertreiben. Tagsüber dürfen sie das Schiff benutzen, in seinen Restaurants essen, das Unterhaltungsprogramm verfolgen, sich in ihren Kabinen aufhalten. Abends werden sie, für die Nacht, in anliegende Hotels gebracht.
«Das Ganze ist fast wie bei einer Kreuzfahrt, nur dass wir halt im Hafen liegen», hat eine Passagierin, Holly Hennessey aus Florida, BBC-Reportern die Situation beschrieben. Mit ihrer Katze Captain bewohnt Hennessey eine geräumige Kabine mit Doppelbett und Balkon an Bord.
Leider, klagt Hennessey, sei das Wetter vor Ort nicht ganz das, was man sich von einer Kreuzfahrt erwarten würde: «Mein ganzes Leben lang hab ich noch nie einen Schirm so nötig gehabt wie heute. Und meinen Regenmantel nehme ich überall hin mit.»
«In jedem Pub ein Guinness getrunken»
Immerhin ist es Holly Hennessey gelungen, bei ihrem Zwangsaufenthalt in Belfast eine Menge örtlicher Attraktionen kennen zu lernen – vom Titanic-Museum bis hin zur Kathedrale der Stadt. Ihr Mitreisender Stephen Theriac berichtete, er und seine Frau Angela hätten in der Umgebung des Hafens inzwischen schon «in jedem Pub ein Guinness getrunken». Aber was könne man machen? «Das gehört einfach zu unserem Abenteuer dazu.»
Manche der Passagiere – 80 Prozent von ihnen sind Amerikaner – haben die jeweils angekündigten neuen Verzögerungen zu weitläufigeren Ausflügen genutzt. Einige haben sich schnell mal England oder Spanien angeschaut oder Grönland besucht. «Wir sind schliesslich Weltreisende», hat es Angela Theriac erklärt. «Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, egal wo wir sind.»
Teuer genug kommt die Reise auf der Odyssey deren «Bewohner» ja auch zu stehen. Tausende Dollar kosten schon Teilabschnitte der gebuchten Fahrt.
Die Reederei verkauft einzelne Kabinen
Wer die ganzen drei Jahre auf dem Kreuzfahrtschiff verbringen will, kann unterdessen auch gleich eine Kabine käuflich erwerben. Immerhin sei der Kreuzer «das erste bezahlbare Wohnschiff» der Welt, hat man bei der Reederei verkündet. «Bezahlbar» jedenfalls, wenn man pro Kabine zwischen 100’000 und 900’000 Dollar aufzubringen bereit ist, plus Nebenkosten für die Dauer der Reise selbst.
Geboten wird dafür 929 Passagieren Raum auf acht Stockwerken. Über drei Restaurants, acht Bars, vier Salons, eine Bücherei, ein Geschäftszentrum, ein Fitnessstudio und ein Wellness-Bad verfügt das Schiff. Livemusik wird gespielt, Filmvorführungen gibt es und Vorträge zu allen möglichen Themen.
Für «Kreuzfahrts-Süchtige» wie sie, meint Holly Hennessey, werde so «ein Traum wahr», sobald es erst richtig losgehe – zunächst einmal nach Bremerhaven, Amsterdam, Lissabon und dann über den Atlantik in die Karibik hinein.
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