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Verhandlungen wieder im Gang
Kommt die Offensive auf Rafah – oder der Geisel-Deal?

TOPSHOT - A protester with a zipper over her mouth, holds a placard showing pictures of Israeli hostages taken captive by Palestinian militants in Gaza during the October 7 attacks, during a demonstration calling for their release in the Israeli coastal city of Tel Aviv on April 27, 2024, amid the ongoing conflict between Israel and the militant Hamas group. (Photo by JACK GUEZ / AFP)
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Rafah-Offensive oder Geiselabkommen, weitere Eskalation oder Hoffnung auf Entspannung – der seit fast sieben Monaten andauernde Gazakrieg steht wieder an einem Scheideweg.

In Israel wurde am Wochenende verkündet, dass die nach längerem Stillstand wieder in Gang gekommenen Verhandlungen die «letzte Chance» seien vor einem Sturm auf die Hamas-Hochburg im südlichen Gazastreifen. Der internationalen Gemeinschaft, die auf ein Ende oder zumindest eine Pause des Kriegs dringt, bleibt zu hoffen, dass diese Mischung aus militärischer Drohung und Gesprächsangeboten zum Erfolg führt. (Lesen Sie hier die aktuelle Entwicklung im Krieg in Nahost.)

In den Geiselverhandlungen soll Israel neue Flexibilität gezeigt haben. Gespräche mit hochrangigen ägyptischen Vermittlern, die nach Israel gereist waren, werden von beiden Seiten als positiv und konstruktiv beschrieben. An diesem Montag werden Hamas-Vertreter in Kairo erwartet. Im Kern geht es nun um ein begrenztes Abkommen auf humanitärer Basis. Berichten zufolge könnten dabei bis zu 33 israelische Geiseln freikommen – Frauen, Kranke und Männer über 50 Jahre. Im Gegenzug würde eine noch offene Anzahl palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen.

epa11303565 Palestinians walk next to a sewage spill near tents for internally displaced people at a temporary camp in Rafah camp, southern Gaza Strip, 26 April 2024. Since 07 October 2023, up to 1.7 million people, or more than 75 percent of the population, have been displaced throughout the Gaza Strip, some more than once, in search of safety, according to the United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA), which added that the Palestinian enclave is 'on the brink of famine', with 1.1 million people (half of its population) 'experiencing catastrophic food insecurity' due to the conflict and restrictions on humanitarian access.  EPA/HAITHAM IMAD

Die Länge einer Waffenruhe hängt dabei von der Anzahl der freigelassenen Geiseln ab. Nach israelischer Zählung befinden sich noch 131 Geiseln in Gaza. Offiziell für tot erklärt wurden davon bereits 34. Inoffiziell wird davon ausgegangen, dass eine höhere Anzahl inzwischen nicht mehr am Leben ist. In früheren Verhandlungsrunden war für die erste Austauschphase stets von 40 freizulassenden Geiseln die Rede gewesen. Die Hamas hatte jedoch zu erkennen gegeben, dass in dieser humanitären Kategorie nicht genügend Lebende zu finden seien.

Hamas fordert Komplettabzug, Israel spricht von «Wahnidee»

Die von Israel nun vorgeschlagene Konzentration auf ein solches humanitäres Abkommen klammert die Hauptstreitpunkte aus. Die Hamas hat bislang für die Freilassung aller Geiseln stets ein Ende des Kriegs und einen kompletten Abzug der israelischen Truppen gefordert. Israels Premierminister Benjamin Netanyahu hat dies beharrlich als «Wahnidee» abgetan und das Kriegsziel einer kompletten Zerstörung der Hamas bekräftigt.

Die Drohung mit einer unmittelbar bevorstehenden Offensive in Rafah muss nun auch vor dem Hintergrund gesehen werden, den Druck auf die Hamas in den Verhandlungen zu erhöhen. In einem Tunnelversteck in Rafah wird Hamas-Führer Jahia Sinwar vermutet. Es ist davon auszugehen, dass er sich mit israelischen Geiseln als lebenden Schutzschilden umgeben hat.

Bekämpft werden sollen in Rafah auch die letzten vier intakten Bataillone der Hamas. Die vermutlich 6000 bis 8000 Kämpfer sind jedoch umgeben von rund 1,3 Millionen Zivilisten, die sich zum Grossteil aus anderen Gebieten des Gazastreifens dorthin geflüchtet hatten.

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu deliverers a statement at the airport city in Lod Israel, Friday, Dec. 27, 2019. Netanyahu shored up his base with a landslide primary victory announced early Friday, but he will need a big win in national elections in March if he hopes to stay in office and gain immunity from prosecution on corruption charges. (AP Photo/Ariel Schalit)
Benjamin Netanyahu

Ein direktes Angebot in Richtung Hamas kam nun von Aussenminister Israel Katz, der in einem TV-Interview eine Geiselfreilassung als «höchste Priorität» bezeichnete. Wenn es ein Abkommen gebe, werde Israel die Rafah-Operation aussetzen, versprach er. Katz allerdings kann höchstens für einen Teil der israelischen Führung sprechen. Der rechtsradikale Flügel um Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir erteilt allen Zugeständnissen an die Hamas eine harsche Absage und fordert einen kompromisslosen Militäreinsatz in Rafah.

Auch Premier Netanyahu hat in den vergangenen Monaten wenig Bereitschaft zu Kompromissen erkennen lassen, zumal er bei einem Ende des Kriegs mit einer Neuwahl und dem Machtverlust rechnen muss. Zugleich jedoch steht er unter Druck vom engsten Verbündeten in Washington und Teilen der eigenen Bevölkerung. Um diesen Druck zu vergrössern, hat die Hamas nun wieder zum Mittel der psychologischen Kriegsführung gegriffen.

Neues Video mit flehenden Geiseln veröffentlicht

Am Samstagabend wurde ein neues Video veröffentlicht, in dem zwei männliche israelische Geiseln verzweifelt an die eigene Regierung appellieren, schnellstens ein Abkommen zu ihrer Freilassung zu schliessen. Erwartungsgemäss hat das sogleich die Proteste befeuert, die am Samstag in Tel Aviv, aber auch andernorts wie zum Beispiel vor Netanyahus privater Villa im Küstenort Caesarea stattfanden.

Die internationalen Bemühungen um eine Lösung sollen an diesem Montag in der saudischen Hauptstadt Riad vorangetrieben werden. Dort treffen sich US-Aussenminister Antony Blinken und andere westliche Chefdiplomaten mit Vertretern arabischer Staaten zu Gesprächen über Gaza. Die israelische Armee hat unterdessen ihre Luftangriffe auf den palästinensischen Küstenstreifen wieder intensiviert. So ist die Region gefangen zwischen Hoffen und Bangen.