Kolumne OmbudsmannMedien als Notfall
Mit Fake News ist es offenbar wie mit Wetterexzessen: Alles schon mal da gewesen. Doch im Gegensatz zum Wetter lässt sich die Schieflage der Presse beeinflussen.
- «Legacy-Medien» verlieren Einfluss an soziale Medien und digitale Plattformen.
- 46 Prozent der Schweizer Bevölkerung vermeiden aktiven Nachrichtenkonsum.
- Experten empfehlen Medienkunde in Schulen zur Stärkung der Medienkompetenz.
- Historische Fake News wie der «Great Moon Hoax» beeinflussten das Pressevertrauen.
Nicht nur in den USA sind 2024 angesichts des klaren Wahlsiegs von Donald Trump die etablierten Medien noch stärker in Bedrängnis geraten. Pessimisten haben die sogenannten «legacy media» gar für tot erklärt, weil es ihnen nicht mehr gelingt, grosse Teile der Bevölkerung zu erreichen.
Die traditionellen Medien, heisst es, hätten das Privileg eingebüsst, das öffentliche Narrativ zu bestimmen. Soziale Medien wie X, digitale Plattformen wie Tiktok oder neue Gefässe wie Podcasts seien heute einflussreicher, wenn auch nicht ausgewogener oder glaubwürdiger.
«46 Prozent des Schreckens»
Auch hierzulande gibt es einen alarmierenden Befund: Laut einer Studie des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) der Universität Zürich vermeiden es 46 Prozent der Schweizer Bevölkerung, aktiv Nachrichten zu konsumieren. Der Verlegerverband spricht von «46 Prozent des Schreckens». Als ein Rezept, das zu ändern, empfehlen Expertinnen und Experten den Ausbau des Fachs Medienkunde an Schulen.
Medien-Ombudsstellen sind ebenfalls nicht unumstritten. So bescheinigt ein Leser dem News Ombud der Tamedia, wie der Nachrichten-Ombudsmann neu politisch korrekt auch heisst, ein «Non-Valeur» zu sein. Währenddessen folgert die New Yorker Website «Observer», die Institution sei eh nur eine Modeerscheinung: «Niemand kontrolliert die Qualität der Polizisten der Qualitätskontrolle.» Deshalb fordert sie: «Eine Ombudsperson für Ombudsleute.»
Spektakuläre Fake News
Apropos Modeerscheinung: Der «Observer» vergisst, dass die weltweit erste Medien-Ombudsstelle vor 111 Jahren in New York etabliert wurde. Es war das «Bureau of Accuracy and Fairness» der «New York World», ein dreiköpfiges Gremium, dessen Aufgabe es war, «Genauigkeit und Fairness zu garantieren, Sorglosigkeit zu korrigieren sowie Fälschungen und Fälscher auszuradieren». Oder wie es im ersten Rechenschaftsbericht des Büros heisst: «to stomp out fakes and fakers». Schon 1913 mangelte es nicht an Fake News.
Spektakuläre Fake News aber hatte «The New York Sun» bereits 1835 verbreitet. Die Zeitung veröffentlichte eine Artikelserie, die als «Great Moon Hoax» in die Pressegeschichte einging. Und die erst Wochen später als Schwindel entlarvt wurde, ohne dass sich das Blatt dafür entschuldigt hätte. Was etwa nach Urteilen des Schweizer Presserats heute noch vorkommt.
Dank «eines riesigen Teleskops nach einem völlig neuen Prinzip» beschrieb «The Sun» Tiere auf dem Mond, unter ihnen Bisons, Einhörner, Minizebras, zweibeinige schwanzlose Biber und fledermausähnliche geflügelte Humanoide, die Tempel bauten. Auch von Bäumen, Ozeanen und Stränden auf dem Mond war in den Artikeln die Rede.
Erfolgreicher Schwindel
Will einer der populären Legende glauben, stieg die Auflage der Zeitung nach 1835 aufgrund des Schwindels dramatisch an und blieb in der Folge höher als zuvor, wodurch sich «The Sun» als erfolgreiches Blatt etablieren konnte. Auch soll die Artikelserie der Zeitung damals zu internationalem Ruhm verholfen haben.
Mit Fake News ist es offenbar wie mit Wetterexzessen. Alles schon mal da gewesen, pflegen Meteorologen zu sagen. Doch im Gegensatz zum Wetter lässt sich die Schieflage der Presse beeinflussen. Auf dass nicht stimmt, was der Münchner Komiker Karl Valentin sagt: «Früher war selbst die Zukunft besser.»
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