Knapper Wahlausgang in ZürichZürcher SVP zittert bis zum Schluss – umsonst
Zuerst wurde gejubelt. Erst ganz spät wird klar: Die SVP holt in Zürich keinen zusätzlichen Sitz.

Sonntag, 18 Uhr, an der SVP-Wahlfeier im Rössli in Illnau. Auf der Leinwand wird die SRF-«Tagesschau» übertragen. Als die Moderatorin die nationale Hochrechnung präsentiert – «SVP, 61 Sitze, plus 8 Sitze» – brandet im grossen Rössli-Saal lauter Jubel auf. Dann kommen die Grünen dran: minus 6 Sitze. Jetzt ist der Jubel ohrenbetäubend.
«Geiler, steiler und no viel me! Hey, das isch d SVP», heisst es im viel diskutierten Wahlsong der Volkspartei. Es ging also tatsächlich steil bergauf für die SVP. Ganz so «geil» kam es für die Zürcher Kantonalpartei dann doch nicht. Sie legt um 0,65 Prozent zu, holt haarscharf aber keinen zusätzlichen Sitz.
Die Zürcher SVP, die bisher zehn Vertreter in Bern stellte, hatte sich gemäss Prognosen Chancen auf zwei zusätzliche Sitze ausrechnen können. Und da der wohl bekannteste und lauteste Zürcher SVP-Nationalrat, Roger Köppel, nicht mehr antrat, wäre somit Platz für drei neue SVP-Frauen oder -Männer gewesen.
Die beiden Parteiführer im Duell
Die Wahlliste versprach ein Duell der Partei-Alphas im Kampf um die Sitze. Auf den Listenplätzen 10 und 11 hofften Martin Hübscher, Fraktionschef im Zürcher Kantonsrat, und sein Parteipräsident Domenik Ledergerber auf einen Einzug in den Nationalrat. Gleich dahinter: Kantonsrätin Nina Fehr Düsel.
Natürlich waren Hübscher wie Ledergerber am Wahlsonntag bemüht, betont kollegial aufzutreten. Hübscher: «Die SVP funktioniert wie eine Fussballmannschaft. Wir kämpfen als Team dafür, dass wir ein Tor schiessen. Wem das gelingt, ist zweitrangig.»
Als zur Mittagszeit erste Medien einen «Erdrutschsieg» der nationalen SVP prognostizieren, sitzen die beiden in der Cafeteria des Zürcher Wahlzentrums Walche und wollen noch nichts verschreien. Man sei «verhalten optimistisch», sagt Ledergerber nach der ersten Hochrechnung, die von plus 3,3 Prozent ausgeht. Sein Vertrauen in frühe Hochrechnungen ist mässig.
90 Parkplätze und Ghackets mit Hörnli
Kurze Zeit später im Rössli. Während die anderen grossen Parteien in der Stadt Zürich feiern (oder, je nach Ausgang, trauern), trifft sich die Volkspartei im Restaurant in Illnau. Hier gibt es 300 Sitzplätze und – nicht unwichtig – 90 Parkplätze. Auf dem Menü stehen Bratwurst mit Pommes, Ghackets mit Hörnli, Chäs-Hörnli oder Fleischkäse mit Kartoffelsalat.

Inzwischen ist der Vorsprung laut Hochrechnung auf 1,4 Prozent geschrumpft. Im Rössli beglückwünscht man sich zum Resultat der Partei, und zum guten Abschneiden von Ständeratskandidat Gregor Rutz. Auch Alt- Regierungsrätin Rita Fuhrer ist gekommen. «Wir dürfen zufrieden sein», sagt sie. Der Partei komme es zugute, dass sie sich an ihre Werte und Themen gehalten und nicht etwa alles dem Klima untergeordnet habe.
Auch Patrick Walder, Kantonsrat aus Dübendorf, sagt, die Partei habe mit der 10-Millionen-Schweiz auf ein Thema gesetzt, das die Leute wirklich beschäftige («und nicht auf den Genderwahn»). Gestiegene Energiepreise, hohe Krankenkassenprämien, Wohnungsnot, das hänge ja alles mit der Zuwanderung zusammen.
Ueli Maurer: Grüne Politik hat versagt
Dann herrscht kurz Aufregung im Rössli: Alt-Bundesrat Ueli Maurer ist da. Der rechte Arm hängt in einer Schlinge, ein Unfall beim Biken, Schulterbruch. «Wir haben einen guten Job gemacht», sagt Maurer. «Der Wahlausgang ist das Resultat einer unglücklichen grünen Politik, die unrealistische Träume hegte. Die Menschen wollen Resultate sehen und haben deshalb die SVP gewählt.«

Während im Rössli-Saal nach dem Znacht ausgelassene Stimmung herrscht, ziehen sich Domenik Ledergeber und sein Parteisekretär Marco Calzimiglia zurück. Sie brüten über den Zahlen, denn mit dem Sitzgewinn wird es knapp. National glänzt die SVP, im Kanton Zürich harzt es. Die Gründe sieht Ledergerber in den rot-grünen Städten Zürich und Winterthur sowie im sehr guten Resultat der Mitte-Partei. Ausserdem fehlen der Partei die Stimmen der EDU, mit der die SVP 2019 noch eine Listenverbindung eingegangen war. Erst um halb 10 ist klar: Es reicht nicht für den elften Sitz.
Im Duell der Parteichefs macht schliesslich Martin Hübscher das Rennen. Der 54-jährige Landwirt und Agrarökonom aus Bertschikon bei Winterthur ist ein politischer Spätzünder, übernahm 2018 aber schon nach kurzer Zeit das Präsidium der grössten Fraktion im Kantonsrat. Hübscher überholte Therese Schläpfer aus Hagenbuch, welche die Wiederwahl nicht schaffte.

Neu gewählt ist auch Nina Fehr Düsel, die gleich vier Listenplätze gutmachte. Die 42-jährige Juristin aus Küsnacht machte im Kantonsrat mit – für SVP-Verhältnisse – überraschenden Tierschutz-Vorstössen von sich reden, und während der Pandemie engagierte sie sich gegen die Maskenpflicht an Primarschulen.
Dem Parteipräsidenten Ledergerber dagegen ist die Wahl nicht gelungen. Er sei sehr zufrieden mit seinem persönlichen Resultat und gönne «dem Hübscher» die Wahl. «Wir haben ihm einen Pass zugespielt, und er hat den Ball versenkt.»
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