Sanierung des Haushalts Der Bundesrat provoziert mit seinem Sparpaket ein linkes Referendum
60 Massnahmen sollen Entlastungen von über vier Milliarden Franken bringen. Doch nicht alle sind gleich betroffen. Die SP spricht von einem «Kahlschlag auf Kosten der Menschen».
Der Bundesrat hat am Freitag wichtige Entscheidungen getroffen, welche ihm helfen sollen, die Finanzen in den nächsten Jahren wieder ins Lot zu bringen. Er hat sich auf 60 Massnahmen geeinigt, die er Anfang nächsten Jahres in die Vernehmlassung schicken will. Denn aktuell droht in der Bundeskasse 2030 ein Loch von 4 bis 4,5 Milliarden. Die Entlastungsmassnahmen sollen dann jährlich 4,6 Milliarden einbringen.
Die Voraussetzung dafür ist, dass die Vorschläge nach der Vernehmlassung die parlamentarische Beratung überstehen. Gesetzt den Fall, dass das Gesamtpaket dann ähnlich aussieht wie heute vom Bundesrat vorgesehen, wäre ein linkes Referendum wahrscheinlich.
Die grössten Beiträge zum Sparpaket sollen nämlich Bereiche leisten, die der Linken am Herzen liegen:
Die Bundesbeiträge an die familienergänzende Kinderbetreuung (Kitas) sollen komplett gestrichen werden, weil das Sache der Kantone sei. Die Vorlage ist aktuell noch im Parlament. Die Kosten dafür würden ab 2030 knapp 900 Millionen Franken jährlich betragen.
400 Millionen Franken sollen bei der Unterstützung von Hauseigentümern eingespart werden, die ihre Gebäude klimafreundlich umbauen.
Der Bundesbeitrag für die AHV soll um knapp 300 Millionen pro Jahr sinken.
Die Einzahlungen des Bundes in den Bahninfrastrukturfonds sollen um 200 Millionen Franken sinken.
Weitere 300 Millionen will der Bundesrat beim Bundespersonal sparen.
Der Bundesrat möchte die zahlreichen Massnahmen in einer einzelnen Vorlage behandeln, einem sogenannten Mantelerlass. Die Hoffnung dabei ist, dass sich die politischen Lager auf einen Kompromiss einigen, bei dem keiner ganz zufrieden, aber auch niemand ganz unzufrieden ist.
Eine solche Opfersymmetrie ist aus Sicht der Linken im Moment nicht gegeben. Darauf angesprochen, widersprach Finanzministerin Karin Keller-Sutter an einer Medienkonferenz am Freitagnachmittag: Der vorliegende Plan belaste alle Departemente.
Um die Wichtigkeit des Anlasses zu unterstreichen, erklärte Keller-Sutter ihren Plan gemeinsam mit Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider. Diese verantworten mit den Dossiers Verkehrs- und Sozialpolitik jene Bereiche, für die der Bund mit am meisten ausgibt.
Keller-Sutters Partei, die FDP, lobte die Pläne in einer ersten Reaktion. «Bleiben Sie sparmutig, lieber Bundesrat!», schrieb sie in einer Mitteilung. Die SP bezeichnete das Vorhaben dagegen als «Kahlschlag auf Kosten der Menschen». Die anderen Bundesratsparteien Mitte und SVP, die in Budgetfragen flexibler sind, äusserten sich am Freitag noch nicht zum Paket.
Die SP stört nicht nur, wo der Bundesrat sparen will, sondern auch, dass überhaupt gespart werden soll. Das liegt unter anderem daran, dass sie den verschiedensten Staatsausgaben gegenüber grundsätzlich positiver eingestellt ist als andere Parteien. Sie hat in der Vergangenheit die Legitimität der Schweizer Schuldenbremse in der heutigen Form wiederholt infrage gestellt. Neue und höhere Steuern seien zudem Sparbemühungen vorzuziehen. Offiziell will die SP aber noch kein Referendum androhen, sondern erst die Entscheidungen des Parlaments abwarten.
Der Bundesrat erteilt den linken Forderungen eine Absage. Die Bevölkerung und die Unternehmen würden auf verschiedene Weise in nächster Zeit bereits stark belastet, sagte Keller-Sutter. Die Finanzministerin sprach damit insbesondere die verschiedenen Erhöhungsschritte bei der Mehrwertsteuer für die AHV und die OECD-Mindeststeuer an. Allein diese zwei Instrumente bringen der öffentlichen Hand künftig mindestens 6,5 Milliarden Franken ein; allerdings fällt ein Teil davon bei den Kantonen an.
Das Paket habe nicht zum Ziel, die Kosten des Bundes unter dem Strich zu reduzieren, sondern solle einzig das Kostenwachstum dämpfen. Selbst bei einer vollständigen Umsetzung würden die Bundesausgaben künftig pro Jahr um zwei Prozent wachsen, rechnet das Finanzdepartement vor.
Für das Wachstum zeichnen insbesondere die Bereiche Soziale Wohlfahrt und Verkehr sowie Finanzen und Steuern verantwortlich, wobei letzterer insbesondere finanzielle Transfers an die Kantone beinhaltet. In den nächsten Jahren wird jedoch auch die Armee ein Kostentreiber sein; erst am Donnerstag hat das Parlament weitere vier Milliarden für deren Ausbau gesprochen.
Bei seinen Entscheidungen stützte sich der Bundesrat grösstenteils auf Vorschläge einer Expertengruppe, die in den letzten Monaten Sparvorschläge erarbeitet hatte. Von einigen der Vorschläge hat der Bundesrat nun Abstand genommen: Unter anderem will er Beiträge an die Kantone in der Höhe von rund 300 Millionen weiterhin zahlen.
Er trägt damit dem Umstand Rechnung, dass gerade ein Projekt zur Aufgabenentflechtung zwischen Bund und Kantonen läuft. Mit der jetzigen Planung beabsichtigt der Bundesrat noch, Zahlungen im Umfang von jährlich 140 Millionen Franken an die Kantone zu streichen.
Ebenso wenig will er in laufende Arbeiten des Parlaments eingreifen. Deswegen verzichtet er auf das Vorhaben, die Förderung des Güterverkehrs mit gegen 150 Millionen Franken zu streichen. Allerdings ist der Bundesrat mit seiner Rücksichtnahme auf die Gewaltenteilung nicht konsequent: Die erwähnte Vorlage zur Kita-Unterstützung möchte er trotzdem verhindern, obwohl das Parlament noch darüber diskutiert.
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