Kinderlieder aus der Hölle
Aramsamsam?! Kinder singen, und das ist gut so. Bis sie an die falschen Ohrwürmer geraten.
Mein Sohn ist jetzt sieben Jahre alt, und bis jetzt, wenn er mit Kaplas spielte, kams schon auch mal vor, dass er eine Zeile aus «Ahnma» der Beginner sang. Das ist vorbei.
Aber fangen wir von vorne an: Mein Bub geht nun in die 1. Klasse. Da wollte ich natürlich dabei sein. Herzerweichend, wie sich die Klasse in einer Zweierreihe aufstellte, vor der Schulzimmertür wartete und wie die Kinder dann ihren eigenen Platz suchten und sich gespannt hinsetzten. Als sie aber in den Kreis gerufen wurden, um das erste Lied des Tages zu singen, tja, da wars bei mir bald Ende mit Jö.
Wie ein Dreijähriger in einem Fass Rum
Man stimmte, in einer recht hohen Tonlage, «Guete Morge, guete Morge, Good Morning, Good Morning» an. Wirklich, gleich vorneweg: Nichts geht mir näher, als wenn Kinder singen. Da floss schon manche Träne bei mir. Etwa beim Weihnachtssingen. So albern man die Kostüme und den Baum, in welchem die Kinder stehen, auch finden kann: Noch jetzt, wenn ich daran denke, krieg ich vor Rührseligkeit einen fetten Kloss im Hals und Lust auf Orangenpunsch. Was mich also an dem Lied störte? Ich begann zu ahnen, dass das erst der Anfang war. Und es kam dann auch wirklich schlimmer: «Aramsamsam». Falls Sie es nicht kennen: Bitte hören Sie es sich an.
Ich verstehe, dass dieser Song aus der Hölle hochinteressante Aufschlüsse logopädischer Natur geben kann und er mit dazugehörigen Bewegungen auch die Koordination fördert. Aber ginge das nicht auch mit einem anderen Lied? Einem mit richtigen Worten? Einem, bei dem ich nicht das Gefühl habe, mein Sohn sei ein Dreijähriger, der in einem Fass Rum gelandet ist?
Also, nichts mehr mit Beginner. Nichts mehr mit «Denyo, ich komme rein. Halt ’ne Basspredigt, und die Sonne scheint.» Jetzt so: «A ram sam sam, a ram sam sam, Guli guli guli guli guli ram sam sam.» Nach dem gefühlten 30. Mal innerhalb von 10 Minuten aktiviert das bei mir Hirnregionen, die normalerweise für einen Kampf auf Leben und Tod angelegt sind.
«Nervts dich?» – «Jaaahaaa!»Ich fragte meinen Sohn, ob er denn zur Abwechslung nicht einmal «bisseguet» etwas anderes singen wolle. «Weil … ich … mein lieber Junge … dieses Lied … diese Worte … ich finds schön, wenn du singst, das weisst du … aber …»
«Nervts dich?» – «Jaaahaaa! Mega!»
Er erwiderte, dass ihm das Lied ja selber gehörig auf den Zeiger gehe, es aber nun mal ein Ohrwurm sei, von dem er sich nicht befreien könne. Sohnemann: Glaubst du denn, mir geht es anders?!
Jetzt sitze ich im Büro, und plötzlich fräst sich ein «aaarabi aaarabii» durch meine Schädeldecke. So etwas ist doch kein Leben! Ich erwarte nicht, dass mein Kind jene Musik hört, die ich höre. Ich will, dass es die Welt der Musik für sich entdeckt. Aber wäre es menschenmöglich, «Aramsamsam» auf einen Index zu setzen?
Teilen Sie uns mit, welche Kinderlieder Sie an den Rand der Verzweiflung bringen.
Dieser Artikel wurde erstmals am 30. August 2017 publiziert und am 31. Juli 2023 in dieses Redaktionssystem übertragen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.