Kampagne statt InformationRüffel für Karin Keller-Sutter: Sie kämpfte zu heftig gegen die Konzernverantwortung
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats kritisiert, dass die Behörden teilweise zu offensiv kommunizieren vor Abstimmungen. Insbesondere die ehemalige Justizministerin kommt schlecht weg.
Ein engeres Rennen hat die Polit-Schweiz selten gesehen: Hauchdünn scheiterte die Konzernverantwortungsinitiative im November 2020 an der Urne. Zwar sagten 50,7 Prozent des Stimmvolks Ja – doch für das nötige Ständemehr reichte es nicht.
Für die Niederlage machten die Befürworterinnen und Befürworter auch die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter verantwortlich, die in zahlreichen öffentlichen Auftritten für ein Nein geworben hatte. Die linke «Wochenzeitung» (WOZ) schrieb bitter: «Die Justizministerin hat ihre Amtsgeschäfte quasi ruhen lassen, um landauf, landab gegen die Konzernverantwortungsinitiative Stimmung zu machen.»
Nun kommt auch die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats zum Schluss, dass Keller-Sutter in dem Abstimmungskampf teilweise zu weit gegangen sein dürfte. Zwar sieht die GPK in der reinen Zahl von Keller-Sutters Auftritten kein Problem – gezählt wurden rund 20 Interviews und sieben öffentliche Auftritte –, dies sei angesichts der intensiven Medienberichterstattung zum Thema verhältnismässig.
Allerdings sei die Kommunikation von Keller-Sutters Departement «mehr auf die Ablehnung der Initiative als auf die Information der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ausgerichtet» gewesen, heisst es in einem Bericht, der am Freitag veröffentlicht wurde. Die GPK stützt sich dabei auf eine Analyse der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK).
Umstrittenes Konzept
Das Bundesgesetz über die politischen Rechte hält fest, dass Bundesräte die Bevölkerung kontinuierlich über die Abstimmungsvorlagen informieren sollen, dabei aber «die Grundsätze der Vollständigkeit, der Sachlichkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit» beachten müssen. Das heisst: Sie sollen informieren, dürfen aber keine Kampagne führen.
«Dass das Kommunikationskonzept von Karin Keller-Sutters Departement so eindeutig Kampagnencharakter hatte, ist problematisch.»
Kritisch sieht die GPK vor allem ein Kommunikationskonzept, das im Justizdepartement für die Abstimmung ausgearbeitet worden war. Dieses habe darauf abgezielt, einen «Meinungsumschwung beim Zielpublikum zu erreichen», heisst es im Bericht. Ziel sei gewesen, dass Keller-Sutter ergänzend zur Gegenkampagne kommuniziere. Die Grenze zwischen Information und Kampagne sei dadurch überschritten worden.
Die GPK räumt allerdings ein, man habe nicht überprüfen können, inwiefern die Massnahmen des Konzepts tatsächlich umgesetzt worden seien.
Die PVK kritisiert in ihrer Evaluation weiter, die öffentlichen Äusserungen Keller-Sutters seien inhaltlich nicht immer genau gewesen. Sie habe in Interviews «teils sehr vereinfachte Aussagen getroffen».
Empfehlungen an den Bundesrat
Neben jenem zur Konzernverantwortungsinitiative hat die PVK noch drei weitere Abstimmungskämpfe ausgewertet. Auch dort stellte sie punktuell Defizite in der behördlichen Kommunikation fest. Beim Referendum über das Filmgesetz war etwa eine Grafik im Abstimmungsbüchlein zu stark vereinfacht. Bei der Pestizidinitiative konnte ein Video, das kurzzeitig online war, in einem Punkt falsch verstanden werden. Und beim Referendum zu den Kinderabzügen wurden die Erläuterungen im Abstimmungsbüchlein in einem Punkt als «eher argumentativ als faktenbasiert» wahrgenommen.
Zwar entsprach die Behördenkommunikation in den untersuchten Fällen «im Grossen und Ganzen» den Vorgaben. Allerdings sieht die GPK in mehreren Punkten Handlungsbedarf. Sie empfiehlt dem Bundesrat unter anderem, die Grenzen der zulässigen Information genauer festzulegen. Dies, da in den Departementen sehr unterschiedliche Auffassungen darüber bestünden, wie eine «verhältnismässige Kommunikation» aussehe.
Keller-Sutters Departement – inzwischen ist sie nicht mehr Justiz-, sondern Finanzministerin – nimmt auf Anfrage keine Stellung zum Bericht und verweist an die Bundeskanzlei. Bundesratssprecher André Simonazzi lässt ausrichten, der Bundesrat werde die Empfehlungen genau prüfen und fristgerecht bis Mitte Februar Stellung dazu nehmen.
Dominique de Buman, Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung, spricht von bedenklichen Befunden. «Dass das Kommunikationskonzept von Karin Keller-Sutters Departement so eindeutig Kampagnencharakter hatte, ist problematisch.» Er wolle nicht darüber spekulieren, wie die Abstimmung bei einer zurückhaltenderen Kommunikation durch den Bundesrat ausgegangen wäre. Aber es sei klar, dass das Wort von Karin Keller-Sutter in der Bevölkerung viel Gewicht habe.
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