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Sicherheit versus Privatsphäre
Kameras in der Nachbar­schaft: So wehren Sie sich gegen Video­überwachung

Überwachungskameras an einer Betonwand in der Wankdorffeldstrasse, Bern, am 08.02.2024. Foto von Raphael Moser / Tamedia AG.
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Vier Kameras hat der Abwart installiert, wie eine Leserin berichtet. Bei den Briefkästen, bei den Abfallcontainern, beim Grillplatz und bei der Aussentreppe, sodass der Zugang zum Haus von der Videokamera erfasst wird. Bei einem Besuch in seinem Büro stellte sie fest, dass der Abwart dort das Geschehen im Umfeld der Mieterinnen und Mieter über Monitore permanent überwachen kann. Das stört die Leserin, die nach den rechtlichen Grundlagen fragt.

Im vorliegenden Beispiel ist es ein Abwart, der Bereiche überwacht, die von mehreren Personen genutzt werden. In solchen Fällen müsste der Abwart oder die zuständige Liegenschaftsverwaltung vor der Installation der Kameras alle betroffenen Mieterinnen und Mieter informieren. Das gilt aber auch, wenn etwa ein Nachbar mit seiner Videokamera einen von Anwohnerinnen und Anwohnern genutzten Weg oder Platz erfasst. Eine Bewilligung für die Installation von Überwachungskameras durch die Gemeinde benötigt man hingegen nicht.

Bei der Konsultation von überwachten Personen geht es um eine Interessenabwägung: Das Interesse an mehr Sicherheit durch Überwachung steht dem Interesse von gefilmten Personen gegenüber, die ihre Privatsphäre schützen wollen. Heikel wird es, wenn die Kamera nicht nur privates Areal, sondern auch öffentliche Verkehrswege erfassen – das ist grundsätzlich nicht erlaubt.

Auskunftsgesuch gestützt aufs Datenschutzgesetz

Wer weiss, dass er von Videokameras gefilmt wird, oder wer einen entsprechenden Verdacht hat, sollte in einem ersten Schritt mit der verantwortlichen Partei das Gespräch suchen. Manchmal lassen sich Kameras so ausrichten oder einstellen, dass nicht alle Personen erfasst werden.

Es ist auch möglich, ein schriftliches Auskunftsgesuch gestützt auf das Datenschutzgesetz zu stellen. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte stellt dafür auf seiner Website einen Musterbrief zur Verfügung.

Wenn die Aufnahmen noch vorhanden sind, dürfen Betroffene Bilder oder Filmsequenzen anschauen, auf denen sie eindeutig zu erkennen sind. Wer zum Schluss kommt, dass eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt, kann verlangen, dass die Aufnahmen gelöscht und die Kamera umplatziert wird.

Was tun, wenn keine Einigung zustande kommt?

Wenn keine Einigung möglich ist, können Betroffene mit einer Zivilklage fordern, dass Daten gelöscht, die Überwachung angepasst und allenfalls Schadenersatz oder Genugtuung bezahlt wird.

In einem ersten Schritt muss man ein Schlichtungsgesuch einreichen. Die zuständige Schlichtungsbehörde versucht dann, gemeinsam mit beiden Parteien eine Lösung zu finden. Ist das nicht möglich, erhalten Betroffene eine Klagebewilligung, womit sie anschliessend beim Zivilgericht ein Verfahren einleiten können. Für Verfahren wegen Streitigkeiten nach dem Datenschutzgesetz werden keine Gerichtskosten erhoben. Anwaltskosten fallen aber an.

Für ein Strafverfahren liegt die Hürde höher. Einen Strafantrag können Betroffene stellen, wenn beispielsweise eine Kamera auch nicht öffentliche Gespräche aufzeichnet oder Aufnahmen aus dem «Geheimbereich» einer Person macht. Zum Geheimbereich zählen etwa das Schlaf- oder das Badezimmer.

Die Frage nach der Zulässigkeit einer Videoüberwachung stellt sich in vielen weiteren Bereichen. Dabei geht es stets um eine Abwägung verschiedener Interessen. So kann beispielsweise die klar signalisierte Videoüberwachung in einer Tiefgarage allfällige Autodiebe abschrecken und zu mehr Sicherheit führen. In diesem Fall überwiegt in der Regel das Interesse nach Sicherheit.

Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist heikel

«Nicht erlaubt ist eine Überwachung, deren einziger Zweck die Überwachung ist, ohne dass ein berechtigtes Interesse geltend gemacht werden kann», sagt die Zürcher Anwältin Martina Arioli, die sich seit Jahren mit dem Datenschutzrecht beschäftigt.

Am Arbeitsplatz ist es deutlich schwieriger, triftige Interessen für eine Videoüberwachung geltend zu machen. Denn gemäss der arbeitsrechtlichen Verordnung zum Gesundheitsschutz sind «Überwachungs- und Kontrollsysteme» am Arbeitsplatz grundsätzlich nicht erlaubt. «Das Verbot gilt aber nicht absolut», sagt Arioli. Ein Unternehmen könne die Videoüberwachung allenfalls mit Sicherheitsüberlegungen oder dem Vorbeugen von Straftaten begründen.

Daneben gibt es viele Bereiche, wo der Einsatz von Überwachungskameras umstritten ist. Als Orientierungshilfe nennt Arioli folgende Regel: Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, um den angestrebten Zweck zu erfüllen, muss ein Unternehmen stets jene Variante wählen, die am wenigsten stark in die Persönlichkeitsrechte von Konsumentinnen und Konsumenten eingreift. So darf beispielsweise ein Freizeit- oder Nachtclub die Garderobe nicht mit Videokameras überwachen, wenn die Jacken mit der Abgabe einer Garderobennummer durch Personal mindestens so gut vor Dieben geschützt werden können. «In diesem Fall wäre die Videoüberwachung nicht verhältnismässig», sagt Arioli.

Nicht relevante Daten sind sofort zu löschen

Ein längst gewohntes Bild ist hingegen die Videoüberwachung im Detailhandel, die nicht zuletzt dazu dient, Ladendiebe zu überführen. Das ist erlaubt, sofern die Kundschaft deutlich darauf hingewiesen wird.

Die Videodaten dürfen schliesslich nur so lange gespeichert werden, wie es zur Erfüllung des ursprünglichen Zwecks notwendig ist. Auch hier gibt es also Interpretationsspielraum. Falls die Bilder keine für den angestrebten Zweck relevanten Informationen enthalten, müssen sie umgehend und unwiederbringlich innerhalb von 24 bis 72 Stunden gelöscht werden, wie Arioli erläutert.