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US-Wahlkampf
Helfer in der Not

Barack Obama tourt seit vergangener Woche durch die sieben Swing-States, zuletzt mit Eminem. Nun stand er mit Kamala Harris auf der Bühne.
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In Kürze:
  • Barack Obama tourt derzeit durch die Swing-States.
  • Im Bundesstaat Georgia ist der ehemalige US-Präsident nun das erste Mal gemeinsam mit Kamala Harris aufgetreten.
  • Swing-States beeinflussen den Ausgang der US-Wahlen entscheidend.
  • Michelle Obama wird am Samstag an der Seite von Harris in Michigan auftreten, dem nächsten Swing-State.

Es betreten nacheinander die Bühne: Spike Lee, Samuel L. Jackson, Bruce Springsteen, Barack Obama – der oscarprämierte Regisseur, der grosse Schauspieler, der ewig junge Altrocker, der Popstar unter den Ex-Präsidenten – und dann, als Main-Act, schliesslich die Frau, die Amerika in wenigen Tagen von einer Schmach erlösen und vor Donald Trump bewahren könnte. Die Schmach ist die Tatsache, dass die älteste Demokratie der Welt seit ihrer Gründung ausschliesslich von Männern regiert wurde. Und diese Demokratie ein zweites Mal Donald Trump anzuvertrauen, wäre ein Fehler. «Wir werden gewinnen, oder wie ein gewisser ehemaliger Präsident sagen würde: Yes, we can», ruft Kamala Harris ihrem Publikum zu.

Dieser gewisse Ehemalige, Obama natürlich, ist mit Harris ins Hallford Stadium von Atlanta gekommen. Er war direkt vor ihr mit seiner Rede dran, in sehr verschiedenen Rollen als Einpeitscher, Oberlehrer und lebendige Heiligenstatue. Es ist das erste Mal, dass Obama und Harris in diesem Wahlkampf gemeinsam auftreten. Und die Ortswahl für diese Premiere des ersten schwarzen Präsidenten der USA und der vielleicht bald ersten schwarzen Präsidentin ist gewiss kein Zufall. Atlanta war ein Zentrum der Bürgerrechtsbewegung, hier befindet sich das Grab von Martin Luther King. Atlanta liegt aber natürlich auch im Swing-State Georgia.

Bruce Springsteen performs before Democratic presidential nominee Vice President Kamala Harris speaks at a campaign rally at James R. Hallford Stadium, Thursday, Oct. 24, 2024, in Clarkston, Ga. (AP Photo/Julia Demaree Nikhinson)

Und der schwingt jetzt auf ganz andere Weise, als Obama den rund 20’000 unter freiem Himmel Versammelten zuruft: «Kamala Harris ist bereit, den Job zu übernehmen.» Ist das der Enthusiasmus, den Harris so dringend braucht, um Donald Trump am 5. November doch noch zu besiegen? Und wenn ja, kommt er dann nicht zu spät? Oder doch genau zur richtigen Zeit?

Im US-Wahlkampf komme es nur auf die letzten beiden Wochen an, sagt Trumps Ex-Stratege

Der rechte Ideologe Steve Bannon mag nicht die vertrauenswürdigste Quelle sein, aber dass er als ehemaliger Stratege von Donald Trump etwas von Wahlkämpfen versteht, darf man ihm wohl unterstellen. Und Bannon gilt als Vertreter der These, dass es im US-Wahlkampf lediglich auf die letzten beiden Wochen ankomme. Alles, was davor passiere, sei im Grunde unerheblich. Wenn Bannon in diesen Fall recht haben sollte, dann kämen die Obamas zum perfekten Zeitpunkt.

Denn neben Barack Obama steigt nun auch die ehemalige First Lady Michelle Obama voll in den Wahlkampf ein. Auf der Zielgeraden, kurz vor dem allgemein erwarteten Fotofinish, tritt sie am Samstag an der Seite von Kamala Harris in Kalamazoo auf. Das liegt in Michigan, dem nächsten Swing-State.

Die Obamas sind immer noch die populärsten politischen Figuren im liberalen Amerika. Sie haben Harris im Juli ihre volle Unterstützung auf dem Weg ins Weisse Haus zugesichert und sind im August beim demokratischen Parteikongress in Chicago aufgetreten. Vor allem die Rede von Michelle Obama versetzte das Publikum in Verzückung, als sie von der «ansteckenden Macht der Hoffnung» sprach, aber auch von der Pflicht, nicht herumzusitzen und über das Unheil zu klagen, sondern etwas dagegen zu tun.

Die Umfragen sind für die Demokraten ungünstiger als erwartet

Es war ein denkwürdiges Beispiel der politischen Redekunst. Aber: Danach war von der vollen Unterstützung der Obamas nicht mehr allzu viel zu spüren. Sie hielten sich wochenlang vornehm zurück. Womöglich war das so abgesprochen, schliesslich ging es ja auch darum, der Kandidatin Harris in diesem extrem engen und beispiellos kurzen Wahlkampf nicht vollständig das Scheinwerferlicht zu nehmen.

Supporters arrive before Democratic presidential nominee Vice President Kamala Harris speaks at a campaign rally at James R. Hallford Stadium, Thursday, Oct. 24, 2024, in Clarkston, Ga. (AP Photo/Julia Demaree Nikhinson).Election 2024 Harris

Aber jetzt, da die Umfragen für die Demokraten viel ungünstiger sind, als sie das im August erwartet hätten, kann es keine Zurückhaltung mehr geben. Barack Obama tourt seit vergangener Woche durch die sieben Swing-States, er war in Pennsylvania, Wisconsin und Michigan. Bislang ohne Harris und Springsteen, dafür mit Eminem.

Während der Rapper in seiner Heimatstadt Detroit ganz ernsthaft darum bat, doch bitte, bitte Kamala Harris zu wählen, setzte Obama auf den Showeffekt: Er sagte, er sei eigentlich selten nervös, aber diesmal auf einer Bühne mit Eminem habe er schweissnasse Hände und weiche Knie, dann wechselte er in den Sprechgesang: «Arms are heavy, vomit on my sweater already, mum’s spaghetti» – schwere Arme, Erbrochenes auf dem Pulli, Mamas Spaghetti –, das Publikum brach in Begeisterung aus. Obama war mitten in seiner Rede zu einer Rap-Einlage von Eminems Song «Lose Yourself» übergegangen. Es war einer dieser Momente, die sich wieder ein bisschen wie 2008 anfühlten, als Obama mit einer – aus heutiger Sicht – spielerischen Leichtigkeit die Präsidentschaftswahl gewann und die Welt der Demokraten noch in Ordnung war.

Es stehe mehr auf dem Spiel als 2016 oder 2020, warnt Harris

Von 2008 redet heute niemand mehr, aber Kamala Harris sagt auch: «Das ist nicht 2016 oder 2020. Es steht mehr auf dem Spiel.» Sie meint die Demokratie, die Zukunft des Landes und damit der ganzen Welt, kurzum: eigentlich alles.

In diesem Kontext klingt das Wort Swing-State fast verniedlichend, ein wenig nach Jazz, aber es bedeutet erhöhte Trump-Gefahr. Obama sagt dazu in seiner Rede, er würde gern etwas erklären, und natürlich ist sofort allen klar, derjenige, der hier etwas erklärt bekommen muss, ist sein Nachfolger im Weissen Haus: «Eine gute Faustregel in der Politik ist: Sag nicht, dass du irgendetwas so wie Hitler machen willst.» Obama bezieht sich auf die jüngst veröffentlichten Aussagen von Trumps ehemaligem Stabschef John Kelly, wonach sich Trump mehrfach relativierend über Adolf Hitler geäussert habe.

Für Obamas Verhältnisse ist das dann doch ein recht düsterer Vortrag an einem Abend, der so enthusiastisch und bewegend begonnen hatte, unter anderem mit einer Akustik-Version von Springsteens «Dancing in the Dark». Und es ist dann die Hauptrednerin, die versucht, die Leute wieder mit etwas mehr Optimismus in die Nacht zu entlassen. «Versetzt euch einfach mal drei Monate in die Zukunft und stellt euch das Oval Office vor», ruft Kamala Harris. «Entweder sitzt da Trump und brütet über seiner Feindesliste. Oder da sitze ich und arbeite meine To-do-Liste ab.» Diesen Gegensatz kann man sich vorstellen, das bleibt hängen. Und vielleicht war auch das exakt so geplant: dass nicht der Helfer in der Not, sondern diejenige, der hier geholfen werden sollte, den besten Eindruck hinterlässt.