Schlingernde Immo-GruppeJulius Bär legt Kredithöhe an Globus-Besitzerin Signa offen
Die Immobilien-Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko steht bei der Schweizer Privatbank tief in der Kreide.
Der österreichische Immobilienunternehmer René Benko und seine schlingernde Signa-Holding stehen bei Julius Bär mit 606 Millionen Franken in der Kreide. Es handle sich um die grösste Einzelposition innerhalb des Private-Debt-Kreditbuchs von insgesamt 1,5 Milliarden Franken, teilte Julius Bär am Montag mit, ohne den Namen von Benko zu nennen. Dass es sich um den Österreicher handelt, wurde AWP von gut informierten Kreisen bestätigt.
Solche strukturierten Kredite werden nur sehr wohlhabenden Privatkunden gewährt. Alles in allem hat die Bank Darlehen in Höhe von 41 Milliarden ausstehend.
Massnahmen ergriffen
Julius Bär hatte bereits vor einigen Wochen 70 Millionen Franken auf ausstehende Kredite abgeschrieben. Der Betrag ging «in erster Linie» auf die Kredite an Benko zurück, bestätigte die Bank nun am Montag.
Das wackelnde Engagement bei Benko sei durch «mehrere Pakete von Sicherheiten in Verbindung mit Gewerbeimmobilien und Luxuseinzelhandel» besichert, betonte Julius Bär. Und die Bank habe Massnahmen ergriffen, um den Wert der gestellten Sicherheiten zu erhalten.
Gleichwohl schliesst Julius Bär weitere Abschreiber nicht aus. Sofern diese erforderlich seien, werde man diese angemessen buchen. Die wichtigste Frage ist laut Analysten daher, welche Sicherheiten Julius Bär von Signa halte und wie viel diese noch wert seien.
Julius-Bär-Chef Philipp Rickenbacher gibt sich derweil in der Mitteilung einsichtig: Die Bank werde ihr Private-Debt-Geschäft und den Rahmen, in dem es betrieben wird, überprüfen.
Börse rechnet mit weiteren Abschreibern
An der Börse verfing der Versuch von Julius Bär, die Wogen mit der Offenlegung der Signa-Kredite etwas zu glätten, nicht wirklich. Gegen 10.30 Uhr sank der Wert der Bär-Aktien um weitere 1,4 Prozent. Die Aktie stand damit in 2023 rund 15 Prozent im Minus.
Denn Analysten rechnen damit, dass Julius Bär neuerliche Abschreiber auf ihre Signa-Kredite tätigen muss. Anke Reingen von der kanadischen RBC etwa hat bereits weitere 100 Millionen Franken in ihre Schätzungen einfliessen lassen.
Die erste Signa-Tochter hat Konkurs angemeldet
Wie der «Spiegel» berichtete, hat eine Tochter der Signa Prime, in der die Prestige-Liegenschaften des österreichischen Immobilien-Tycoons gebündelt sind, am Freitagnachmittag Insolvenz angemeldet. Zuvor hiess es bereits, Insolvenzanträge würden bei der Dachgesellschaft selbst, der Signa-Holding, sowie deren Töchter Prime und Development vorbereitet.
Diese Meldung kam nicht unerwartet. Seit Wochen hängt die Zukunft von René Benkos Imperium an einem seidenen Faden. Rechnungen werden nicht mehr bezahlt, Baustellen von Prestigeprojekten, wie dem Elbtower in Hamburg, stehen seit gut einem Monat still. Neues Geld wird dringend gebraucht.
Zuletzt berichtete das deutsche «Handelsblatt» über Gespräche, die mit dem Investor Attestor über eine kurzfristige Finanzspritze von 600 Millionen Euro geführt würden. Der Vermögensverwalter aus Grossbritannien ist auf Unternehmen in Schwierigkeiten spezialisiert und ist unter anderem am Ferienflieger Condor und der Autovermietung Europcar beteiligt.
Es werde ein «sehr kurzfristiger Abschluss» angepeilt. Doch zu einer Einigung kam es anscheinend bislang nicht. Potenzielle Geldgeber zögern, da unklar ist, ob neue Finanzmittel tatsächlich dazu verwendet werden, um den operativen Betrieb aufrechtzuerhalten, oder ob sie nicht irgendwo in der Signa-Holding versickern.
Wie viel Zeit bleibt der Signa-Holding noch?
Das ist unklar. In dem verworrenen Geflecht von Firmen mangelt es an Transparenz. Weder Fragen nach der Struktur der Holding insgesamt, noch nach der Höhe des Geldbedarfs lassen sich klar beantworten. Der unmittelbare Bedarf dürfte bei 600 Millionen Euro liegen, da Ende November eine Anleihe bedient werden muss. Dieses Geld reicht aber wohl nur für die kommenden Wochen. Im ersten Halbjahr 2024 würden weitere 1,5 Milliarden Euro benötigt.
Dass sich die Lage zuspitzt, darauf deuten auch zwei Neugründungen hin, die vor wenigen Tagen im luxemburgischen Handelsregister eingetragen wurden. Sie heissen «Signa Prime Swiss Invest» und «Signa Prime Swiss Beteiligung» – ähnlich wie die Gesellschaft, die jetzt in Schwierigkeiten geraten ist. Gründungen wie diese dienen möglicherweise dem Zweck, Vermögenswerte in andere Firmen zu verschieben, wie ein Wirtschaftsprüfer meint. Eine risikoreiche Strategie. Werden Vermögenswerte kurz vor einem Konkurs in eine andere Gesellschaft verschoben, so können Gläubiger diese zumindest nach Schweizer Recht zurückfordern.
Aktuell ist der Anfang November eingesetzte Sanierer Arndt Geiwitz dabei, sich einen Überblick über die Situation der gesamten Gruppe zu verschaffen. Das soll allerdings erst im Dezember der Fall sein.
Was passiert mit Globus, falls Signa Konkurs anmeldet?
Dass nun eine Signa-Tochter in Deutschland Insolvenz angemeldet hat, lässt darauf schliessen, dass zumindest Teile des Signa-Geflechts Schwierigkeiten haben, ihre Tochterfirmen mit ausreichend Liquidität zu versorgen.
Im Bezug auf Globus waren bisher vor allem beruhigende Stimmen zu vernehmen: Globus würde selbst dann keinen Schaden nehmen, wenn die Signa Retail Selection, in welcher die Beteiligungen am operativen Geschäft der Warenhäuser verpackt sind, in Konkurs geht. Die Chancen darauf schätzt ein Insider, der mit dem Schweizgeschäft vertraut ist, als unwahrscheinlich ein. Die Signa Retail Selection sei nicht von der Holding finanziert. Zudem habe sie keine Bankschulden.
Ein Blick in den Konzernabschluss der Signa Retail Selection 2022, den das österreichische Magazin «News» veröffentlicht hat, zeigt jedoch tiefrote Zahlen. Das vergangene Jahr wurde mit einem Verlust von 1,4 Milliarden Euro abgeschlossen. Dieser Verlust ist laut dem Insider allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass das Geschäft bei den Warenhäusern schlecht läuft. Laut ihm stehen dahinter vielmehr Abschreibungen im Zusammenhang mit der Insolvenz der Galeria-Warenhäuser in Deutschland.
Könnte Globus allein weiter bestehen?
Auch wenn das Geschäft bei den Schweizer Luxus-Warenhäusern läuft, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringt die Schieflage der Signa-Holding Unsicherheit mit sich. Globus aus dem Konstrukt herauszulösen, ist schwierig. Grund dafür ist der verworrene Aufbau der Signa-Holding. Das beginnt schon bei den Besitzverhältnissen. Globus gehört je zur Hälfte der Signa und der Central Group aus Thailand.
Dann sind das operative Geschäft und die Immobilien in unterschiedliche Firmen eingegliedert. Das operative Geschäft befindet sich in der Signa Retail Selection, die wiederum zu 96 Prozent im Besitz der Signa-Holding ist. Die Immobilien liegen dagegen in Luxemburg in einem verschachtelten Konstrukt an Tochterfirmen der Signa Prime.
Für jede dieser einzelnen Immobilien besteht zudem eine eigene Gesellschaft mit einer eigenen Bilanz und Jahresrechnung – etwa für das Globus-Gebäude an der Zürcher Bahnhofstrasse und die Globus-Baustelle und das Provisorium in Basel. Im Konkursfall sind vor allem die diversen Zwischenebenen und Holdings laut einem Immobilienexperten problematisch: Dadurch lässt sich nur schwer feststellen, wie viele wechselseitige Forderungen unter diesen Firmen noch bestehen. Dementsprechend schwierig dürfte sich eine Herauslösung von Globus gestalten.
Wie stehen die Globus-Immobilien finanziell da?
Ein Blick in die Bilanzen zeigt: Die Immobiliengesellschaften sind mit Hypotheken belehnt. Für die Globus-Baustelle in Basel zeigt die Bilanz der «Basel Marktplatz 2 Immobilien» einen Kredit in der Höhe von 172 Millionen Franken. Bis Ende 2022 hat Globus davon bereits 94,3 Millionen Franken bezogen, in diesem Jahr kamen nochmals 10 Millionen dazu. Das heisst, um das Gebäude wieder zu erstellen, sind noch knapp 70 Millionen Franken verfügbar.
Ein Insider rechnet jedoch nicht mit einer Rückzahlung der vollen Kreditsumme. Bei Bauprojekten sei es üblich, dass Darlehen bei der Fertigstellung in Hypothekarkredite umgewandelt werden. Das geschieht jedoch nicht automatisch. Laut einem Immobilienexperten werden die Konditionen dafür nach dem Abschluss des Baus neu verhandelt. Hypothekarkredite sind anders strukturiert als Baukredite. Letztere sind risikoreicher und deshalb teurer als Hypotheken, bei denen die Immobilie als Sicherheit dient.
Was bedeutet die Krise für die Banken?
Welche Folgen die Schieflage der Signa-Holding für die Banken hat, zeigt sich erst langsam. Es sind vor allem Banken aus Österreich und Deutschland, welche Benko finanziert haben, unter anderem die Raiffeisen International oder verschiedene Landesbanken in Deutschland.
Auch Schweizer Banken haben den Immobilien-Tycoon finanziert. Neben Julius Bär gehören laut einem Insider die Credit Suisse sowie zehn Kantonalbanken ebenfalls zu den Geldgebern von Benko. So etwa die Basler Kantonalbank, die das Globus-Provisorium in Basel an der Freien Strasse mit 7 Millionen Franken finanziert hat, wie aus der Bilanz der entsprechenden Gesellschaft hervorgeht. Ob sie noch weitere Kredite an Benko vergeben hat, gibt die Kantonalbank auf Anfrage nicht bekannt.
Zudem besteht noch ein Kredit über angebliche 200 Millionen Franken, den die Migros im Zuge der Übernahme der Warenhäuser durch Signa und die thailändische Central Group gewährt hatte. Laut dem Insider sei der Kredit Globus gewährt worden und nicht Signa. Und anders als in den Medien bisher spekuliert würde, prüfe die Migros keine Klage.
Die Migros bestätigt dies nicht, noch dementiert sie. Zu «Gerüchten» würde man sich nicht äussern. Auch nicht zu dem Betrag über 200 Millionen. Über die Verkaufsdetails wurde Stillschweigen vereinbart.
Welche Optionen bleiben den Banken?
Es sind mehrere Szenarien denkbar. Haben sie Benko Hypotheken vergeben, so sind sie relativ gut geschützt. Den Banken bleiben die Immobilien als Sicherheiten.
Mehrere Quellen haben der SonntagsZeitung bestätigt, dass zwischen den Banken und der Signa aktuell ein Stillhalteabkommen ausgehandelt wird. Ein solches hat laut einem Immobilienexperten grundsätzlich gute Chancen. «Zwischen den Parteien ist ein Seilziehen im Gang, wer wie viel abschreiben muss», sagt er. Wobei bei den Verhandlungen die Banken die stärkere Position als Benko haben dürften: Er steckt in Geldnöten, während ihnen immer noch die Liegenschaften blieben.
Gehen diese dann tatsächlich in den Besitz der Banken über, suchen diese neue Investoren dafür. Während es im Fall von Wohnliegenschaften problemlos möglich ist, neue Käufer zu finden und so für Banken auch der Konkurs kaum ein Risiko ist, gibt es für Retail-Immobilien im Luxusbereich, wie den Globus, deutlich weniger Käufer, schätzt der Immobilienexperte. Das sorgt für Druck auf den Preis.
Im Bezug auf Globus wäre eine andere Variante die Übernahme durch die Central Group. Diese hatte in den vergangenen Tagen Bereitschaft signalisiert und auch die Mehrheit am Luxuskaufhaus Selfridges in Grossbritannien übernommen, an welchem sie ebenfalls gemeinsam mit der Signa beteiligt ist.
Ob es tatsächlich dazu kommt, ist fraglich. Eine Aufstockung ihrer Anteile bedeutet für die Central Group auch ein Risiko. Kommt es zu einem Konkurs, läuft sie Gefahr, als solventer Gläubiger Schulden übernehmen zu müssen.
mya/cpm/bb/SDA
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