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Prozess gegen Ex-Raiffeisen-Chef
Jetzt spricht Vincenz: Das entgegnet er auf die Vorwürfe

Der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz (l.) und sein Anwalt Lorenz Erni (Mitte) warten nach einem Unterbruch zum Raiffeisen-Prozess des Zürcher Bezirksgerichts vor dem Volkshaus. 
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Es ist ein Prozess der Superlative: Rund 60 Journalistinnen und Journalisten verfolgten gestern Dienstag den ersten Verhandlungstag im Prozess von Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz, seinem früheren Geschäftspartner Beat Stocker sowie den weiteren fünf Angeklagten. Der Vorwurf lautet auf Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung. Nachdem das Gericht die Forderung nach Verschiebung des Prozesses abgelehnt hatte, ging es ab 16 Uhr um die Sache: Vincenz musste vor Gericht Rede und Antwort stehen.

Die Spesen

Laut Anklage hat Vincenz in seiner Amtszeit insgesamt private Ausgaben von 598’426 Franken mit seiner Firmenkreditkarte getätigt. Davon hat er 201’267 Franken in Cabarets und Stripclubs wie dem King’s Club ausgegeben. Hier bleibt Vincenz bei seiner Version: Diese Ausgaben waren geschäftlich begründet, er habe auch am Wochenende und abends für Raiffeisen gearbeitet und Privates und Berufliches nie scharf getrennt. So sei er mit Geschäftspartnern nach einem Nachtessen auch in einen Club gegangen, um den Abend zu beschliessen.

Das Gericht wollte wissen, warum er sich denn auch Ausgaben habe erstatten lassen, wenn er allein unterwegs gewesen sei. Hierauf entgegnete Vincenz, dass er in den Bars häufig erkannt worden sei, und da die Besucher dort meist Unternehmer und Geschäftsleute gewesen seien, habe er «öfter mal eine Runde ausgegeben». In seiner Lesart waren die Clubbesuche daher quasi Marketing-Ausgaben. Es sei mit dem Verwaltungsratspräsidenten abgesprochen gewesen, dass er diese Spesenausgaben nicht genauer aufschlüsseln müsse, zum Beispiel, wer dabei gewesen sei.

Das widerspricht den Aussagen des damaligen Verwaltungsratspräsidenten Johannes Rüegg-Stürm, der sagte, er habe nicht gewusst, dass es sich bei den Spesenausgaben um Nachtclubbesuche gehandelt habe. In Sachen Spesen räumt Vincenz immerhin auch «Fehler» ein. So sei es ein Irrtum gewesen, dass die Bank die Anwaltskosten übernommen habe, nachdem es im Juni 2014 zu einem handfesten Krach mit einer Tänzerin im Zürcher Hotel Hyatt gekommen sei.

Eingang des King’s Club in der Alten Börse in Zürich. Hier war Pierin Vincenz oft und zahlte mit der Firmenkreditkarte. 

Die Reisen

Die Anklage wirft Vincenz vor, Raiffeisen insgesamt Kosten von 251’023 Franken für private Reisen in Rechnung gestellt zu haben. So war er mit seinem PR-Berater Christoph Richterich und einem Geschäftspartner in Dubai auf einer Golfreise. Mit seiner früheren Frau besuchte Vincenz auch Australien, oder er flog mit seinem Kochclub Fleur de Tigre nach Mallorca.

Auch mit Blick auf diese Kosten blieb Vincenz eisern bei seiner Verteidigung: Die Reisen hatten einen geschäftlichen Hintergrund. Beim Trip nach Dubai zum Beispiel sei es darum gegangen, sich bei verdienten Partnern im Namen des Unternehmens für ihre Dienste zu bedanken, so Vincenz. Nur die Flugkosten für seine Partnerin, das sei ein Versehen gewesen, dass Raiffeisen diese bezahlt habe.

Einmal flog Vincenz aus den Ferien auf Teneriffa mit einem Privatjet für fast 30’000 Franken zurück in die Schweiz. Die eilige Rückreise sei nötig gewesen, weil er bei einer 100-Jahr-Feier einer Raiffeisen-Bank habe auftreten müssen, so Vincenz. Welche Bank das war, daran konnte er sich nicht mehr erinnern.

Der Burj Khalifa ist das höchste Gebäude der Welt und steht in Dubai. Auch wegen der Kosten für eine Luxusreise in das Emirat muss sich Vincenz vor Gericht verantworten. 

Die Beteiligungen

Die Firmen hiessen Commtrain, Genève Credit & Leasing (GCL), Eurocaution und Investnet. Jedes Mal habe sich Vincenz laut Anklage gemeinsam mit Partner Stocker an diesen Firmen beteiligt, danach hätten sie ihren Einfluss bei Raiffeisen und der Kreditkartenfirma Aduno genutzt, damit diese die Unternehmen aufkaufen und Vincenz und Stocker so ihre Anteile mit Gewinn verkaufen konnten. Strafrechtlich liegt hier das Hauptaugenmerk der Anklage, die Betrug wittert. Doch zu den Beteiligungen wurde Vincenz eher oberflächlich befragt. Die Beteiligung bei Commtrain, die gut dokumentiert ist, gab er zu. Dass er die Beteiligung dem Verwaltungsrat verschwiegen hatte, begründete er mit seiner damaligen «Unerfahrenheit». Zudem habe er nicht gewollt, dass bekannt würde, dass der CEO von Raiffeisen privat in KMU investiere.

An der Konsumentenkreditfirma GCL hat sich Vincenz nach seiner Aussage erst 2013 beteiligt. Er räumte ein, auch diese Beteiligung nicht offengelegt zu haben. Er streitet aber ab, dass die Geldflüsse von Beat Stocker im Jahr 2014 eine Gewinnbeteiligung aus dem GCL-Deal darstellten. Nach der berühmten Nacht im Hyatt habe er dringend Geld gebraucht, das Geld sei ein Kredit gewesen, so Vincenz. Mit Blick auf Investnet, wo es um die grössten Summen geht, bestreitet Vincenz, bereits in einer frühen Phase über Stocker per Treuhandvertrag beteiligt gewesen zu sein. Er sei erst 2015 im Zuge seines Ausscheidens bei Raiffeisen bei Investnet eingestiegen.

Die Zahlung von Stocker über 2,9 Millionen Franken, hinter der die Staatsanwaltschaft eine Gewinnausschüttung vermutet, war laut Vincenz ein Kredit zum Kauf eines Hauses in Morcote TI. Das Gericht wollte wissen, warum Vincenz stets Geld von Stocker als Kredite bekommen habe, habe er doch über Wertpapiere und andere Vermögen verfügt. Vincenz begründete dies damit, dass er sein Geld investiert habe, er sei nicht flüssig gewesen.

So geht es weiter

Die Befragung des Hauptangeklagten Vincenz ist abgeschlossen. Mittwoch sollen die anderen anwesenden vier Mitangeklagten vor Gericht aussagen: Im Fokus steht Vincenz’ Ex-Geschäftspartner Beat Stocker. Aussagen sollen auch der Unternehmer Stéphane Barbier-Mueller, der Geschäftsmann Ferdinand Locher und der PR-Berater Christoph Richterich. Der Investnet-Gründer Peter Wüst ist schwer krank und verhandlungsunfähig. Der zweite Co-Gründer Andreas Etter ist an Covid erkrankt und soll zu einem späteren Zeitpunkt befragt werden.

Der Prozess geht bis Ende der Woche. Dazu kommen fünf weitere Tage: 9. Februar, 8. und 9. sowie 22. und 23. März. Wann das Urteil gefällt wird, ist noch unklar.