Kommentar zu humanitärer HilfeJetzt Menschenleben retten statt Paragrafen reiten
Die Ukraine kann ihre Kriegsverletzten nicht allein versorgen. Die Schweiz müsste dringend helfen.
Im humanitären Völkerrecht ist eines klar: Zivilpersonen und zivile Objekte dürfen unter keinen Umständen angegriffen werden, und auch Angriffe auf militärische Ziele sind geächtet, wenn sie zu unverhältnismässigen Verlusten in der Zivilbevölkerung führen. Die russischen Invasoren in der Ukraine respektieren weder das eine noch das andere. Sie foutieren sich um das Völkerrecht. Mit willkürlichen Angriffen auf zivile Einrichtungen wie Wohnhäuser, Schulen und sogar Spitäler nehmen sie bewusst eine hohe Opferzahl in Kauf.
Auch deswegen sind die ukrainischen Spitäler seit Kriegsausbruch komplett am Anschlag. Staaten wie Deutschland oder Norwegen helfen der Ukraine in dieser Situation, indem sie Schwerverletzte, die mehrere Operationen benötigen und einen langwierigen Heilungsprozess vor sich haben, aufnehmen und versorgen. Sie helfen Menschen, die in der Ukraine wohl sterben würden.
Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, zu verstehen, wie das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) die Genfer Konventionen – den Kern des humanitären Völkerrechts – auslegt. Demnach verunmöglicht die Neutralität die Versorgung von ukrainischen Soldaten in Schweizer Spitälern. Auch das Argument des EDA, man könne heute in der Ukraine kaum mehr zwischen Soldaten und Zivilisten unterscheiden, ist nicht nachvollziehbar.
Der Entscheid, ukrainische Kriegsverletzte nicht aufzunehmen, steht in krassem Gegensatz zur humanitären Tradition der Schweiz.
Das EDA verweist gern und oft auf die humanitäre Tradition der Schweiz. Sein Entscheid, keine Kriegsverletzten aus der Ukraine aufzunehmen, steht in krassem Widerspruch dazu. Wenn die Schweiz keine Soldaten gesund pflegen will, soll sie zumindest Zivilisten, Frauen und Kinder aufnehmen.
Den ukrainischen Kriegsopfern muss jetzt geholfen werden. Sollte der rechtliche Spielraum für neutrale Staaten tatsächlich so eng bemessen sein, wie das EDA ihn sieht, könnte die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen eine Vertragsreform lancieren. Zeitgemäss ist die Regelung aus dem Jahr 1949 definitiv nicht mehr.
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