Ausbau von Ladestationen Jetzt kommt der Turbolader für E-Autos
Wer sein Elektroauto lädt, muss oft Wartezeiten in Kauf nehmen. Das dürfte sich in Zukunft mit schnelleren Ladesäulen und besserer Elektronik im Auto ändern.
Die Fahrerinnen und Fahrer von Elektroautos plagen zwei Hauptsorgen: Reichweiten-Angst, also die Furcht, irgendwo mit einer leeren Batterie liegen zu bleiben. Und die Ungewissheit, stundenlang an einer zugigen Autobahnraststätte warten zu müssen, bis die Batterie wieder voll ist. Zumindest für das zweite Problem will ABB nun eine Lösung vorstellen.
Das Schweizer Unternehmen bringt eine Schnellladesäule auf den Markt mit einer Leistung von bis zu 360 Kilowatt (kW). Das ist nach Angaben der Firma die bislang schnellste Ladestation weltweit. Wer dort tankt, kann eine Reichweite von 100 Kilometern in weniger als drei Minuten laden – zumindest theoretisch.
Viele Autos können gar noch nicht so schnell laden
Denn noch fehlen Autos mit Batterien, die eine so schnelle Ladung überhaupt zulassen, räumt Frank Mühlon, Leiter der ABB-Division E-Mobility, ein. «Wie schnell man laden kann, hängt stark vom Fahrzeug ab, da muss man ehrlich sein. Im Moment gibt es das noch nicht, aber wir gehen davon aus, dass solche Fahrzeuge kommen», sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.
Aktuell können Elektroautos mit bis zu 300 kW betankt werden. Zu dieser Kategorie zählen primär Oberklassemodelle von Porsche, Audi oder Tesla. Hyundai hat aber mit dem Ioniq ein erstes Mittelklasse-Fahrzeug im Angebot, dass ebenfalls superschnelles Laden zulässt.
Doch ABB geht davon aus, dass es nicht mehr lange dauert, bis mehr Mittelklasse-Elektroautos schnelleres Laden ermöglichen und die Technik damit quasi zum Standard wird. «Ich denke, wir werden in den nächsten fünf Jahren dahin kommen, dass 30, 40 oder 50 Prozent der Hersteller diese Technologie anbieten», sagt Mühlon.
Autobahn im Fokus
Entsprechend zuversichtlich ist ABB, was den Absatz seiner Schnellladesäulen betrifft. Die hat das Unternehmen bereits seit längerem im Angebot. Sämtliche der Ionity-Ladesäulen in der Schweiz etwa stammen von ABB. Die neue superschnelle Ladesäule dürfte hierzulande vor allem an Autobahnen zum Einsatz kommen, sagt Adrian Wachholz, Leiter des Schweizer E-Mobility-Geschäfts. «Denn da kommt es auf eine hohe Leistung an.»
An der Säule könnten aber auch bis zu vier Autos gleichzeitig laden und sich die Leistung somit teilen: Dann stünden jedem Fahrer und jeder Fahrerin noch 90 kW zur Verfügung – etwa für eine Ladung vor dem Supermarkt oder bei einem Shoppingcenter, wo es nicht ganz so schnell gehen muss. In der Schweiz hat ABB bereits einige dieser Schnellladesäulen verkauft. Die erste davon wird bei BMW in Dielsdorf im Norden Zürichs installiert.
TCS dringt auf raschen Ausbau der Infrastruktur
Bedenken, das schnelle Laden könne der Batterie schaden, zerstreut ABB-Manager Mühlon. Moderne Autobatterien würden auch schnelles Laden «sehr gut verkraften», sagt er. Sobald eine Überhitzung droht, die beim Schnellladen die Batterie schädigen könnte, regle das Batteriemanagementsystem die Leistung.
Der Touring-Club Schweiz (TCS) hält ein gut ausgebautes Ladenetz für unterwegs für notwendig, ebenso wie Lademöglichkeiten daheim und am Arbeitsplatz. «Nur so kann die Elektromobilität auch in die Breite gehen», erklärt ein Sprecher. Auch der TCS erwartet, dass Elektroautos in Zukunft mit der Weiterentwicklung von Batterien immer schneller laden können.
Geschäft mit Ladesäulen boomt
Das Geschäft mit Elektro-Ladesäulen gehört zu den am schnellsten wachsenden Sparten von ABB. Zum einen, weil weltweit immer mehr Menschen auf Elektrofahrzeuge umsteigen. Experten rechnen damit, dass der Markt für Ladestationen mit 25 Prozent pro Jahr wächst. ABB will dieses Wachstumstempo sogar übertreffen. Der Umsatz der Sparte lag zuletzt bei 220 Millionen Dollar.
«Bis 2030 oder 2040 geht die Wachstumskurve steil nach oben.»
Rückenwind bekommt der Konzern dabei von der Klimastrategie der Europäischen Union, die ihre CO₂-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren will. Die Pläne sehen vor, dass an grossen Autobahnen alle 60 Kilometer eine Elektroladestation vorhanden sein muss. Das kurble das Wachstum zusätzlich an, so Mühlon.
Ein Ende des Booms sieht der ABB-Manager nicht. «Bis 2030 oder 2040 geht die Wachstumskurve steil nach oben. Wir haben derzeit eine Elektrifizierungsquote von 5 Prozent. 95 Prozent sind noch nicht elektrifiziert, das dauert noch viele Jahre.»
Pläne für Börsengang kommen voran
ABB-Konzernschef Björn Rosengren will den schnell wachsenden Bereich vom Rest des Konzerns abspalten und erwägt einen Börsengang. «Wir sind gut im Zeitplan», sagt Mühlon. Eine formale Entscheidung für den Börsengang sei jedoch noch nicht gefallen. Loswerden will ABB das boomende Geschäft jedoch keineswegs: Rosengren hatte angekündigt, weiterhin eine Mehrheit an der Sparte halten zu wollen.
Das mache auch aus geschäftlicher Sicht Sinn, so Mühlon. Denn die Ladesäulen-Sparte profitiere davon, dass der Mutterkonzern ABB global präsent sei.
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