Wirbel um Jeremy Fragrance Deutscher Influencer posiert mit Rechtsextremen
Ein vermeintlich unpolitischer Parfüm-Influencer zeigt sich auf einem Kongress der US-Rechten. Wie viel Unbedarftheit dürfen sich Figuren der digitalen Welt erlauben?
Natürlich wirkt er reichlich naiv. «Power!», ruft Jeremy Fragrance gerne in die Kamera, wenn er an einem Parfüm riecht, und tatsächlich gehen seine Duftanalysen, bei denen er in den sozialen Medien von einem Millionenpublikum verfolgt und gefeiert wird, in der Regel kaum je über solche in ihrer alchemistischen Profundheit überschaubaren Ausrufe hinaus.
Früher hiess Jeremy Fragrance noch Daniel Sredzinski und wollte berühmt werden. Er probierte es mit Tanzvideos, hiess später Daniel Schütz, war dann Boygroup-Sänger und startete ab 2014 als Parfüm-Influencer Jeremy Fragrance durch. In seinen Videos urteilt der heute 34-jährige Deutsche über die bekanntesten Düfte, und natürlich vertreibt er längst seine eigenen. Bis zu 250 Euro kostet ein Fläschchen, wesentlich günstiger ist für ihn die Herstellung, wie er seinen Followern in seinen Videos freimütig verrät.
Auf dem Trump-Kongress
Das Geschäftsmodell zieht, und die Unbekümmertheit suggeriert eine gewisse Unvoreingenommenheit. Das alles war bislang auch maximal unpolitisch. Doch das Bild des sich gerne im weissen Anzug zeigenden, unbefleckten Influencers hat Risse bekommen. Bei einem Treffen vergangene Woche des New York Young Republicans Club, der diverse Exponenten der amerikanischen Rechten versammelte und als Hauptredner Donald Trump engagierte, war auch Jeremy Fragrance zugegen.
Er liess sich dort mit Alexander Kleine ablichten, bekannt als Alex Malenki, Aktivist der vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften «Identitären Bewegung». Schon seit längerem wirbt Fragrance für Kleines Medienagentur auf Social Media, wie der «Spiegel» berichtet. Ebenso posierte der Influencer in New York mit David Bendels, Vertreiber des «Deutschland-Kuriers», eines rechtspopulistischen Blatts, das dem völkischen Flügel der AfD nahesteht und mit Gerold Grosz, österreichischer Rechtspolitiker, im Einsatz auch als Redner für die AfD.
Er habe nicht gewusst, wofür Grosz stehe, sagte Fragrance dem «Business Insider», mache aber grundsätzlich gerne Fotos mit «sympathischen Menschen». Doch die in solchen Fällen zur Beschwichtigung gern vorgetragene Haltung des nicht wissenden Jedermannfreunds greift zu kurz.
Längst funktionieren moderne Influencer wie Parfüm-Schnupperer Fragrance nicht mehr über Nahbarkeit und Authentizität – beides geht verloren, wenn man sich vorbehaltlos vor jede Kamera wirft, der man auf der Suche nach Aufmerksamkeit begegnet. Vielmehr versuchen sie, Konsumkultur und Memefizierung zu verbinden – im Falle von Fragrance resultiert das in einer clownesken Kunstfigur. Und weil es überhaupt erst die digitale Welt ist, welche die Konturen dieser Kunstfigur richtig schärft, ist es extrem unglaubwürdig, wenn man sich darin so unbedarft bewegt.
Auch bei Özil hat man anfangs nur beschwichtigt
Unweigerlich denkt man dabei an Mesut Özil. Er war zunächst zwar Fussballer, geriet aber ebenso zum politischen Influencer, als er sich ab 2018 auf Bildern mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu zeigen begann. Auch hier versuchten Berater und der deutsche Fussballverband beschwichtigend mit Unwissenheit zu argumentieren. Heute lebt Özil in Istanbul, zeigt sich mit Symbolen der türkischen Rechtsextremen und geht zu seiner alten Heimat auf Distanz.
Argumente gegen künftige Misstritte hält Jeremy Fragrance gewissermassen schon bereit. «Ein Jet-Fighter guckt nicht in den Rückspiegel», antwortete er dem «Standard» unlängst in einem Porträt auf die Frage, was er unternehme, um allzu wilde Höhenflüge zu vermeiden. Bleibt die Frage, wie gut so ein Jetpilot im Sturzflug noch zu riechen vermag.
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